Greißler-Sterben: Wo die Menschen in Österreich ohne Nahversorger leben
Österreich gilt als Land der Supermärkte. Mit 60 Lebensmittelgeschäften pro 100.000 Einwohnern herrscht hierzulande die höchste Supermarktdichte Europas (Stand 2023). Zum Vergleich: Im Nachbarland Deutschland kommen auf dieselbe Menge Menschen 40 Shops.
Doch es gibt regionale Unterschiede in der Versorgungslage, vor allem zwischen den Städten und der Peripherie. Einer Studie des Instituts KMU Forschung Austria zufolge waren im Jahr 2022 österreichweit 382 der 2.093 Gemeinden (und damit 18 Prozent) ohne Nahversorger, das bedeutet ohne Lebensmitteleinzelhändler in räumlicher Nähe zum Wohnort der Bewohner.
Es waren zwar um 23 Ortschaften weniger als im Jahr zuvor, doch gerade der ländliche Raum ist verstärkt von Geschäftsschließungen betroffen. Bis zu 20 Prozent der Lebensmittelhändler am peripheren Land gaben zwischen 2011 und 2022 ihren Betrieb auf.
Burgenland besonders stark betroffen
Besonders stark betroffen ist das Burgenland. Hier ist in fast einem Drittel der Gemeinden kein Nahversorger vorhanden. Das betrifft fast 15 Prozent der burgenländischen Bevölkerung. Auch in Tirol und Oberösterreich gibt es Versorgungslücken: Hier können die Bewohner von 24 bzw. 22 Prozent der Gemeinden nicht in der eigenen Ortschaft einkaufen gehen. Knapp dahinter liegt Niederösterreich mit 19 Prozent.
Urbane Großzentren, wie etwa die Landeshauptstädte, erlebten in den vergangenen Jahren wiederum laut Studie einen Zuwachs an Nahversorgern. Vor allem in Wien funktioniert die Nahversorgung flächendeckend.
Für diese Unterschiede gibt es laut Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), mehrere Gründe. So würden sich gerade in kleinen Gemeinden die Lebensmittelgeschäfte häufig wirtschaftlich nicht rentieren. Aus diesem Grund schließen sie, sobald die Betreiber in den Ruhestand gehen, weil sich keine Nachfolger finden, erklärt Prauchner.
Kleine Gemeinden sind gefährdet
Laut Zahlen des Bundesgremiums Lebensmittelhandel, das auch die Studie zur Nahversorgung in Auftrag gegeben hat, liegt der Schwellenwert, ab dem sich ein Lebensmittelgeschäft lohnt, bei einer Bevölkerung zwischen 1.000 und 2.000 Einwohnern. Darum seien vor allem sehr kleine Gemeinden und Ortschaften, die von einem starken Wegzug betroffen sind, gefährdet, ihren Greißler zu verlieren.
Auch die Mobilität der Bewohner habe direkten Einfluss darauf, ob ein Geschäft in einem Gebiet überleben kann. "Wenn Pendler ihre Einkäufe am Heimweg im großen Supermarkt im Nachbarort erledigen, wird es für einen kleinen Nahversorger eher schwierig", sagt Prauchner.
Das Greißler-Sterben sei vor allem problematisch wegen der wichtigen Rolle, die die Geschäfte für die Lebensqualität am Land haben. So seien sie entscheidend dafür, ob junge Familien in Gebiete zu- oder abwandern. Außerdem erfüllen sie neben der Versorgung auch eine zwischenmenschliche Funktion. Gerade für Ältere sei der gemeinsame Einkauf häufig ein "sozialer Treffpunkt zum Austausch", sagt Prauchner.
Selbstbedienung ist keine Alternative
Gerade deswegen sieht Prauchner auch Selbstbedienungscontainer ohne anwesendes Personal skeptisch. In immer mehr Gemeinden geschieht die Nahversorgung über solche "Boxen", die an Knotenpunkten platziert werden und in denen Lebensmittel und andere Produkte des täglichen Bedarfs angeboten werden. Sie sind für Prauchner keine Alternative zu klassischen Lebensmittelgeschäften.
Die Container-Greißler wurden in der Studie, genauso wie etwa auch Tankstellenshops, Drogerien oder Apotheken, nicht abgebildet. Ebenso beziehen die Daten nicht die weitere Entwicklung nach 2022 und damit die Energie- und Inflationskrise ein, die den Handel wie alle anderen Branchen wesentlich beeinflusste.
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