Spar-Vorstand: Zukunft im Supermarkt ist Leberkäse und Yogafood
Der Spar-Sortimentschef erklärt auch, warum er gegen Billig-Fleisch aus Lateinamerika ist und wofür es neuerdings einen Ayurveda-Experten braucht.
KURIER: Wie ist es im ersten Halbjahr gelaufen?
Markus Kaser: Im Handel ist die Situation wirklich angespannt, die Rahmenbedingungen sind so schwierig wie seit vielen Jahren nicht mehr. Ein Faktor sind fast zehn Prozent höhere Personalkosten bei null Inflation in unserem Sortiment schon das zweite Monat in Folge. In großen Bereichen sinken die Preise sogar, etwa bei Molkereiprodukten. Auch Obst und Gemüse ist schon tief in der Deflation. In so einer Situation ist es extrem herausfordernd alles unterzubringen, was man selbst an Kosten hat.
Bei den Konsumenten dürften noch die hohen Preissteigerungen allgegenwärtig sein. Der Lebensmittel-Handel wird das Preistreiber-Image nicht los. Was ist da schief gelaufen?
Es braucht in Österreich immer einen Schuldigen. Ein paar Politiker haben sich einen gesucht, und den Handel dafür gefunden. Dass es nicht stimmt, ist hinlänglich bekannt. Wir haben uns immer bemüht zu zeigen, woher denn die höheren Preise kommen, Stichwort: Energiepreisschock. Auch muss man sich anschauen, wer hat in den letzten Jahren wo wie viel verdient. Bei allen Händlern und auch bei uns ist der Profit deutlich nach unten gegangen und bei vielen anderen ist der Profit deutlich nach oben gegangen. Da meine ich die multinationalen Konzerne.
Zu ihrem Sortiment gefragt: Ständig werden neue Trends ausgerufen, ob High-Protein, Veggie oder neu das „Yogafood“. Kommt das von den Menschen draußen, den Influencern oder kreiert der Handel diese Trends selbst?
Für den Händler ist sein Sortiment das Allerwichtigste. Dort kommen die Innovationen her. Wir hören zu und können zwischen den Zeilen lesen, entwickeln Neues unter den Spar-Eigenmarken. Aber wir erfinden auch viele Dinge nicht selbst. Viele Neuigkeiten werden etwa von unserem wissenschaftlichen Beirat oder von Start-ups an uns heran getragen. Beim Yogafood geht es darum, die Menschen wollen gesünder älter werden. Und da sind Bewegung und Ernährung zwei extrem wichtige Ingredienzien. So entstehen in einem längeren Diskussionsprozess die neuen Produkte.
Gibt es im Umkehrschluss auch Produkte, die angezählt sind, die demnächst aus den Regalen verschwinden werden?
Wir sind nicht der Oberlehrer der Nation. Bei uns gibt es genauso die berühmte Haselnusscreme aus Italien, wir bieten aber auch Alternativen an. Eine Creme ohne Palmöl, mit weniger Zucker. Und wir informieren. Der Kunde soll selber entscheiden können. Wir zählen Produkte nicht an, wenn sie aber im Absatz schwächeln, listen sie sich mit der Zeit selber aus. Das ist eigentlich ein Automatismus.
Sie leisten sich einen mehrköpfigen medizinischen Beirat, neuerdings mit einem Ayurveda-Experten. Was passiert da konkret?
Da werden unterschiedliche Themen aufgeworfen, wie z. B. Zuckerreduktion oder Adipositas bei Kindern und die Weiterentwicklung unserer Produkte. Ziel ist es, dass die Produkte gesünder werden, ohne dass sie schlechter schmecken.
Bei aller Liebe zu Bio und Veggie, regional, fair und gesund: Geht nicht die stinknormale Leberkässemmel im Verkauf um Welten besser?
Klar, der konventionelle Leberkäse geht besser als der vegane. Aber auch hier wieder: Wir lassen dem Kunden die Wahl. Und die Zuwachsraten liegen ganz klar beim veganen Produkt, das übrigens sensationell schmeckt, was ich zu Beginn selbst kaum glauben konnte. Wir haben lange daran getüftelt und legen auch Wert darauf, dass es nicht aus dem Chemiebaukasten stammt.
Und wie gehts Bio?
Gutes Beispiel. Unsere eigene Linie „Spar Natur pur“ ist nächstes Jahr 30 Jahre alt. Am Anfang hat es geheißen, das ist etwas für Spinner, das isst kein Mensch. Nachdem die Produkte aber nicht nur biologisch sind, sondern vor allem auch gut schmecken, sind sie im Umsatz regelrecht explodiert. Aber das geht natürlich nicht innerhalb von zwei, drei Jahren.
Wie sehen Sie die Zukunft im Lebensmitteleinzelhandel? Man hat den Eindruck, es geht in letzter Zeit vor allem um PV-Anlagen auf den Dächern, CO2-Einsparung, weniger Bodenversiegelung, aber nicht mehr so sehr um die Waren an sich...
Nein, das Sortiment bleibt das Wichtigste und ist King im Handel. Es nützen ihnen die schönsten PV-Anlagen am Dach nichts, wenn das Sortiment nicht stimmt. In der Weiterentwicklung des Sortiments ist sicher die Reformhauskost ein Megatrend sowie Obst und Gemüse, also alles, was pflanzlich ist und wenig Zusatzstoffe hat. Eine weitere Expansionsrichtung sind für uns Nahrungsergänzungsmittel.
Zur Marktmacht: Einmal wird mit Bauern und Industrie zu hart verhandelt, dann wieder zu sanft, wenn die Preise im Handel zu hoch sind. Wo liegt für Sie die „Wahrheit“?
Wir können uns immer aussuchen, von wem wir die Watschen bekommen, ob wir zu hart oder zu wenig hart verhandeln – entweder von den Produzenten oder von den Konsumenten. Wir versuchen die Dinge ausgewogen und vor allem differenziert anzugehen. Wenn wir einem multinationalen Milliardenkonzern gegenüberstehen, verhandeln wir mit anderer Härte, als wenn das ein kleinerer österreichischer Mittelständler ist.
Hat sich ihre Konzernmeinung zu den Handelsabkommen geändert? Es wurde ja stets scharf gegen Mercosur oder CETA kampagnisiert.
Nein, es hat sich an den Inhalten dieser Pakte nichts geändert, daher hat sich auch unsere Meinung nicht geändert. Wir wollen nicht, dass Billig-Fleisch aus Lateinamerika unseren Markt überschwemmt und die gute heimische Qualität, gemeinsam mit den Bauern über Jahre aufgebaut, verdrängt. Wir sind noch dazu klarer Gegner von Glyphosat und klarer Gegner von Pflanzenschutzmitteln, die Umwelt und Natur bis hin zu den Bienen kaputt machen. Wir haben nichts gegen Freihandel, Freihandel ist gut, aber die Regeln muss man sich ganz genau anschauen. Hier gilt das Vorsorgeprinzip.
Wünschen Sie sich insgesamt mehr Unterstützung von der Politik?
Ja, ich würde mir persönlich mehr Unterstützung für österreichische Handelsunternehmen, wie wir eines sind, wünschen. Nicht nur finanzieller Natur, sondern es geht um den gewissen Stolz, dass wir ein großes Handelsunternehmen im Land haben, dass zu 100 Prozent und seit 70 Jahren in österreichischem privaten Familienbesitz ist. Wir haben in Summe mit unseren Auslandstöchtern fast 100.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und sind überall Partner für Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft. Hinhauen und Schlechtmachen geht leicht, mehr Unterstützung wäre aber wünschenswert.
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