Lithium wird für Börsianer das neue Öl
Die EU plant das Verbot von Verbrennerautos ab 2035. Das könnte den Durchbruch für reine Elektroautos in Europa bedeuten, die derzeit noch eher ein Nischendasein fristen. Das dürfte auch den Bedarf von diversen Metallen wie Zinn, Grafit oder Lithium weiter beschleunigen. Schließlich sind in einem Verbrennerauto laut Internationaler Energieagentur im Durchschnitt nur rund 33 Kilo an diesen Metallen verarbeitet. In einem Elektroauto sind es hingegen derzeit mehr als 200 Kilo, vorrangig Grafit und Kupfer.
Noch ist Öl der wichtigste Rohstoff der Welt, aber Metalle könnten aus Sicht einiger Investoren bald die neue Nummer eins sein. Börsianer haben bereits die entsprechende Abkürzung kreiert: MIFT – Metals Important for Future Technologies, also Metalle, die für Zukunftstechnologien wichtig sind. Eine einheitliche Liste, welche darunter fallen, gibt es nicht, aber die wichtigsten sind neben den bereits Genannten Silizium, Titan, Aluminium, Niob, Kobalt, Mangan, Bauxit und Nickel.
„Generell erleben Rohstoffe eine Renaissance“, sagt Monika Rosen, Börsen-Expertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. „Es war im Vorjahr eine der wenigen Anlageklassen, die im Durchschnitt einen Gewinn erzielt haben.“ Und es gebe Stimmen, die einen neuen Superzyklus vorhersagen. Nicht nur wegen der Elektroautos, sondern auch wegen der geopolitischen Situation, Stichwort Ukraine. Schließlich ist auch die Rüstungsindustrie ein wichtiger Abnehmer von Metallen, die zunehmend in modernen Kampfpanzern und Fliegern enthalten sind.
„Angesichts der derzeitigen Technologien und Techniken müssen wir beispielsweise die Produktion von Kobalt und Lithium um das 40-fache erhöhen, um die elektrischen Batterien zu verwenden, die für den Übergang von Verbrennungsmotoren zu Elektrofahrzeugen benötigt werden“, sagt Daniel F. Runde, Senior Vice President bei der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. in einem Gastbeitrag für das Onlinemagazin The Hill. Generell würden die weltweiten Volumen reichen, aber nötig wären eine bessere Ausbeutung sowie mehr Recycling.
Abhängigkeiten
Problematischer sei die Dominanz Chinas bei diversen Rohstoffen (siehe Bericht unten). „Sind wir bereit, unsere derzeitige Abhängigkeit von Venezuela, Iran und Saudi-Arabien und deren Einfluss auf das globale Öl gegen Chinas Dominanz zu tauschen?“ fragt sich Runde und nennt ein Beispiel. Im Jahr 2010 hat China Japan als Druckmittel in einem Fischereistreit abrupt von Exporten Seltener Erden abgeschnitten. China könnte jederzeit dasselbe erneut tun. Besser wäre es, in anderen Ländern wie Brasilien, Kanada oder Mexiko, aber auch afrikanischen Staaten, die Gewinnung zu forcieren, meint der Experte.
Doch das ist laut Al Chu, Portfoliomanager bei BNY Mellon, nicht so einfach. „Viele dieser Reserven und Lagerstätten befinden sich an sehr, sehr schwer zugänglichen Orten. Diese befinden sich nicht in sehr entwickelten Regionen, wo Sie sagen: Oh, es ist wirklich einfach, lasst uns eine Mega-Mine bauen“, so Chu gegenüber CNBC.
Investieren in Rohstoffe
Analysten trauen Bergbaukonzernen großes Kurspotenzial zu. Am einfachsten investieren Privatanleger in Metalle über Investmentfonds oder Exchange Traded Funds (ETFs). Natürlich können auch Einzelaktien von Bergbauunternehmen wie Rio Tinto oder Glencore erworben werden. Zu den weltweit Größten gehören auch einige chinesische Konzerne. Hier stellt sich aber teils das Problem, dass ein direktes Investment fast unmöglich ist, sofern sie am chinesischen Festland notieren. Für alle, die sich konkret auf Konzerne, die mehr oder weniger dem MIFT-Universum zuzuordnen sind, konzentrieren wollen, gibt es einige namhafte Möglichkeiten. So etwa die fünf größten Lithiumunternehmen der Welt.
Auf Platz eins steht der US-Konzern Albemarle (26 Mrd. Marktkapitalisierung), gefolgt vom chinesischen Konkurrenten Ganfeng und die chilenische Sociedad Quimica. Dahinter liegen mit großem Abstand der US-Konzern Livent und die kanadische Lithium Americas. Analysten sehen bei den Titeln Kurspotenziale von bis zu 79 Prozent, wobei besonders Lithium Americas und Ganfeng zum Kauf empfohlen werden. „Viele dieser Unternehmen haben schlechte ESG-Ratings“, weist Börsefachfrau Rosen hin. Gemeint sind damit unter anderen internationale Umweltstandards.
Der Markt für Batterietechnologien sollte jedenfalls in den nächsten Jahren deutlich wachsen: von zuletzt 95,7 Mrd. Dollar auf 136,6 Milliarden im Jahr 2027. Auch Autobauer wollen laut Rosen Abhängigkeiten reduzieren. General Motors investiert 650 Mio. Dollar in Lithium Americas für Erschließung und Abbau eines großen Vorkommens in Nevada.
Wo die begehrten Rohstoffe herkommen
Ohne Seltene Erden keine High-Tech-Industrie und auch keine Energiewende – Europa ist dabei komplett anderen Ländern ausgeliefertBergbau. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel der weltweiten Reserven in China lagern. China ist auch der weltweit größte Produzent Seltener Erden (siehe Grafik). Die größte Mine, Bayan Obo, befindet sich im Landesteil Innere Mongolei, im Norden Chinas. Etwa 80 Prozent aller Seltenen Erden in China werden dort geschürft. Ein Teil davon wird exportiert. Die größten Abnehmer sind Japan und die USA.
Das meiste aber wird direkt in China selbst weiterverarbeitet. Für Smartphones, Computer, Unterhaltungselektronik, aber auch Elektroautos oder Rüstungsgüter, für die man Seltene Erden benötigt. Chinas Wirtschaft ist diesbezüglich also autark. Im Unterschied zu Europa und auch den USA. Die USA haben einen riesigen Bedarf an Seltenen Erden. Nach China sind sie auch einer der größten Förderer. Wobei die geförderte Menge nicht ausreicht, um den Eigenbedarf zu decken. Deshalb werden die begehrten Rohstoffe zusätzlich auch importiert.
Zeitweise kamen in den vergangenen Jahren rund 80 Prozent der eingeführten Seltenen Erden aus China. Der Anteil ist zuletzt wegen der vielen Konflikte zwischen den beiden Ländern stark gesunken. Die USA wollen von China unabhängig werden. Sie schnüren große Investmentpakete sowohl für den Abbau als auch die Verarbeitung von Seltenen Erden. Der drittgrößte Produzent von Seltenen Erden ist Myanmar. Das Land versorgt vor allem China. 50 Prozent der abgebauten Mineralien werden in das „Reich der Mitte“ exportiert. Australien ist der viertgrößte Produzent und exportiert die Seltenen Erden hauptsächlich nach Malaysia, China und Vietnam. In Vietnam lagern nach China die zweitgrößten Mengen an den begehrten Mineralien.
Wozu man sie braucht
Seltene Erden wie Neodym oder Lanthan gelten als Schlüsselrohstoffe für moderne Technologien. Sie werden in der Hightech-Industrie oder zum Bau von Hybridfahrzeugen benötigt oder bei Solaranlagen eingesetzt. Windenergieanlagen und Wasserkraftwerke benötigen ebenfalls Neodym sowie Praseodym, Dysprosium und Terbium. Glasfaserkabel benötigen Yttrium, Terbium, Erbium und Europium.
Insgesamt gibt es 17 Elemente, die zu den Seltenen Erden zählen. Die Elemente kommen zumeist nur in jeweils kleinen Mengen, in sehr vielen, weit verstreut lagernden Mineralien sowie als Beimischungen in anderen Mineralien vor. Deshalb die Bezeichnung „Seltene Erden“. In Europa werden keine Seltenen Erden abgebaut. Unlängst wurden in Nordschweden große Vorkommen entdeckt.
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