Für die einen eine längst überfällige Aktion, für die anderen reine "Politshow": Sozialminister Johannes Rauch und Vizekanzler Werner Kogler laden heute, Montag, zu einem Lebensmittelgipfel, an dem Vertreter des Handels, der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft sowie ÖVP-Agrarminister Norbert Totschnig teilnehmen.
Hintergrund des Gipfels sind die zuletzt stark gestiegenen Lebensmittelpreise in Österreich. Laut Statistik Austria haben diese im März 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat um 14,6 Prozent angezogen. Zudem seien die Preise höher als in Deutschland.
Die Erwartungen an den Gipfel sind überschaubar. Dass die Händler der Politik Einblick in ihre Kosten- und Preiskalkulation geben, kann man getrost ausschließen.
Aber was tun? Die Grünen brachten zuletzt wieder eine Senkung der Mehrwertsteuer (MwSt.) ins Spiel, beißen damit aber beim Koalitionspartner ÖVP auf Granit. Das wäre ein "Gießkannenprinzip", von dem vor allem Besserverdiener profitieren würden, bekräftigte ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner am Wochenende in einem Ö1-Interview. Die ÖVP will stattdessen mehr Preistransparenz sowie eine Idee aus Frankreich ins Rennen schicken.
In Frankreich haben sich Lebensmittelhändler und Regierung darauf geeinigt, bei bestimmten Lebensmitteln für ein Quartal die Preise freiwillig nicht anzuheben. Die Supermarktkette Carrefour etwa fror die Preise für 100 "tägliche" Produkte wie Waschmittel, Mehl und Windeln sowie für 100 weitere "gesunde" Produkte wie Joghurt, Eier Obst und Gemüse sowie Brot und Müsli für drei Monate ein.
Andere Ketten taten dies aber nur sehr eingeschränkt. Der Preiseffekt blieb aus. Im März stiegen die Nahrungsmittelpreise mit 15,8 Prozent sogar stärker als in Österreich.
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverband, kann der Idee in der ZiB 2 am Sonntagabend wenig abgewinnen und sieht zwei Probleme: "Wenn die Inflation durch die anderen Treiber steigt, könnten wir die Preise nicht halten." Zum anderen könnten das vor allem Großunternehmen machen, und würden damit die Nachversorger vom Markt drängen.
Handelsobmann Rainer Trefelik hält derartige Eingriffe in den Markt für "extrem schwierig", wie er im Ö1-Morgenjournal am Montag erklärte. Eine Mehrwertsteuersenkung wäre "ein kurzfristiger Effekt, der wohl die Gießkanne ist". Stattdessen müsse man "die Ursache an der Wurzel packen. Es müssen die Energiepreise entlang der gesamten Wertschöpfungskette runter", sagt er.
IHS-Chef Klaus Neusser hält das Einfrieren der Preise für eine bestimmte Zeit dennoch für "überlegenswert". Direkte Preiseingriffe wie eine Steuersenkung lehnt der Ökonom ab, diese würde die Inflation weiter anheizen.
Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat seinen Standpunkt zum Thema jedenfalls schon via Standard-Interview kundgetan. Seiner Meinung nach ist es in einer Marktwirtschaft generell schwierig, von "ungerechtfertigten Preiserhöhungen" zu sprechen.
"Wenn jemand die teuer gewordenen Produkte kauft, gibt es die Nachfrage dafür", so der Minister, der aber auch einräumt, "dass Lebensmittel eine spezifische Kategorie sind und dass sichergestellt werden muss, dass Menschen sie sich auch leisten können, insbesondere Grundnahrungsmittel".
Dass staatliche Eingriffe auch nach hinten losgehen können, kann man übrigens in Ungarn mitverfolgen. Dort hat die Regierung die Preise für eine Reihe von Grundnahrungsmitteln gedeckelt – und damit ziemlich genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte. Um selbst keine Verluste wegen dem Verkauf unter dem Einstandspreis zu schreiben, haben die Händler einfach die Preise von anderen Produkten ordentlich nach oben geschraubt. Unter dem Strich haben die Lebensmittelpreise so binnen Jahresfrist um 45 Prozent angezogen.
In der heimischen Lebensmittelbranche wird der heutige Gipfel von einigen auch als Politshow gesehen, mit der politisches Kleingeld geschlagen werden soll. Dass das in Zeiten hoher Inflation funktionieren kann, habe erst kürzlich das Wahlergebnis in Salzburg gezeigt, wo KPÖ und FPÖ mit dem Inflationsthema punkten konnten, argwöhnen manche.
Ob die im internationalen Vergleich schon seit langem relativ hohen Lebensmittelpreise nun gerechtfertigt sind oder nicht, wird allerdings auch von einer Stelle untersucht, die beim Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Von der Bundeswettbewerbsbehörde, die gerade die Befragung von rund 1.500 Lieferanten der heimischen Supermärkte und Diskonter abgeschlossen hat. Die elektronischen Fragebögen werden in den nächsten Monaten ausgewertet, die Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen.
Drei mächtige Händler
Der Vorwurf, dass die drei großen Handelsketten – Rewe, Spar und Hofer – aufgrund ihrer Marktmacht ihre Lieferanten unter Druck setzen und Preise diktieren können, ist nicht neu. Bisher verliefen Ermittlungen der Wettbewerbshüter aber immer im Sand. Die Marktkonzentration der drei Handelsriesen ist auf mittlerweile 90 Prozent gestiegen, Konkurrenten wie Zielpunkt sind längst vom Markt verschwunden.
In der Öffentlichkeit generieren sich Handelsmanager gern als Advokaten der Konsumenten, die die Mauer machen, wenn internationale Konsumgüterriesen mit unverschämten Preisforderungen an ihre Türen klopfen. Will betonte in der ZiB 2 den "perfekten Wettbewerb", der in Österreich herrsche.
Zu einer oft geforderten Senkung der Mehrwertsteuer sagte Will, dies sei nur sinnvoll, wenn sie dauerhaft wäre: "Sobald sie angehoben wird, werden die Konsumenten wieder draufzahlen müssen." Die Händler würden die Senkung "selbstverständlich" eins zu eins weiter geben, so Will.
Fest steht, dass die Preise zuletzt auf allen Produktionsstufen gestiegen sind – Stichwort steigende Energie-, Rohstoff-, Verpackungskosten und gestiegene Gehälter.
Händler argumentieren übrigens seit jeher, dass Preisvergleiche von Österreich und Deutschland hinken. Die Märkte seien nicht vergleichbar, weil Österreichs Händler unter anderem oft teurer bei der Industrie einkaufen als ihre deutschen Kollegen, die größere Mengen ordern. Außerdem würden die Preisvergleiche den hohen Aktionsanteil Österreichs nicht widerspiegeln.
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