"Künstliche Intelligenz wird überall sein"
Am Mittwoch wurde der AI Act, der Künstliche Intelligenz (KI) in Europa regulieren soll, mit großer Mehrheit vom EU-Parlament beschlossen.
Der KURIER hat mit Antonio Krüger, dem Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), über die neuen Regeln, europäische KI-Unternehmen und Chancen der Technologie gesprochen.
KURIER: Wie bewerten Sie den AI Act der EU?
Antonio Krüger: Der regulative Rahmen ist notwendig. Man hat bei Regelwerken immer das Problem, dass man Auswüchse verhindern, aber gleichzeitig auch Innovationen nicht abwürgen will.
Ist das gelungen?
Es geht in die richtige Richtung. Indem man versucht weniger die Technologie zu regulieren, sondern Anwendungsgebiete in Risikoklassen einsortiert und mit entsprechenden Transparenzpflichten versieht und bestimmte Dinge gar nicht macht. Flächendeckende Kameraüberwachung mit anschließender Bewertung des Verhaltens des Einzelnen wollen wir in Europa nicht haben. In China wird KI dazu eingesetzt.
Kritiker meinen, dass durch die Regulierung Innovationen erschwert werden.
Ich verstehe die Sorge und teile sie bis zu einem gewissen Grad. Jede Regulierung kommt mit Bürokratie daher. Es wurde aber versucht, darauf zu achten, dass Innovationen von kleinen Unternehmen nicht abgewürgt werden. Die fallen nicht unter bestimmte Regulierungen. Es ist ein ganz guter Kompromiss.
Antonio Krüger beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit Künstlicher Intelligenz und ist CEO und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Er hat mehr als 200 Beiträge in anerkannten Fachzeitschriften und Konferenzen veröffentlicht und ist auch in internationalen Fachgremien aktiv. Am Dienstag hat er beim Deutsch-Österreichischem Technologieforum in Wien über KI als Transformationswerkzeug gesprochen.
Wäre eine globale Regulierung nicht sinnvoller gewesen?
Wichtig ist, dass wir zumindest ein Minimal-Set an Vereinbarungen auch auf globaler Ebene treffen. Wenn es um bestimmte Anwendungen geht, werden nicht alle dabei sein. Aber auch China hat etwa im Bereich der Sicherheit von KI-Systemen Interesse an Regeln und Normen.
Führend bei der Technologie sind die USA und auch China. Wo steht Europa?
Die Grundlagenforschung ist hier sehr gut. Es wiederholt sich aber ein Muster, das wir auch bei anderen technologischen Entwicklungen, etwa dem Internet, gesehen haben. Wir haben in Europa Probleme, wenn es um Hunderte Millionen von Investment geht, die für die Skalierung notwendig sind.
China und die USA können auch auf Unmengen an Daten zugreifen.
China und die sind sehr stark, wenn es um den Umgang mit Endverbraucherdaten geht. Sie stehen in beiden Ländern im großen Maße zur Verfügung und die Unternehmen können relativ gut darauf zugreifen. In Europa haben wir aber bei den Daten aus der Industrie einen Vorteil Wir haben einen sehr starken Mittelstand, der einen relativ guten Digitalisierungsgrad hat. Das ist weder in China noch den USA gegeben. Die müssen jetzt genutzt werden. Das ist die Chance in eine Lücke zu stoßen.
Es gibt in Europa auch vielversprechende Unternehmen, etwa Mistral AI oder Aleph Alpha.
Sie haben jeweils eine halbe bis zu einer Milliarde Kapital in verschiedener Form eingesammelt. Wir brauchen europäische Modelle, die so trainiert werden, dass sie auch unserem kulturellen und gesellschaftlichen Anspruch gerecht werden. Denn sie werden in Zukunft wie ein Betriebssystem überall drinnenstecken.
In welchen Bereichen haben diese Unternehmen Chancen?
Womit zukünftig Geld verdient wird, ist eine interessante Frage. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass man Basismodelle vernünftig monetarisieren kann. Dann wird das Geschäft in der Anwendung gemacht. Es macht Sinn, sich auf die Industrie zu konzentrieren.
Aus Unternehmen heißt es, dass viele der neuen Möglichkeiten mit KI im industriellen Umfeld schöner klingen als sie tatsächlich sind. Wo macht der Einsatz Sinn?
Was Unternehmen am liebsten wollen, ist eine fertige Lösung. Die gibt es aber im Moment nicht. Wird befinden uns in einer Phase, wo wir dabei sind herauszubekommen, wie KI in Unternehmen genutzt werden kann. Das erfordert auch eine massive Beschäftigung mit der Technologie.
Sie sehen KI als Segen für die Volkswirtschaft. Warum?
Ohne KI werden wir viele Herausforderungen, insbesondere jene, die mit demografischen Wandel verbunden sind, nicht meistern können. In den nächsten 10 Jahren gehen Millionen von Baby-Boomern in Rente. Sie werden an ganz vielen Stellen fehlen. Der Service-Level unserer Gesellschaft wird runtergehen. Das können wir nur durch ein Produktivitätssteigerung kompensieren. KI hat das Potenzial, sie zu realisieren.
Welche Formen werden KI-Systeme künftig annehmen. Wie werden wir mit Ihnen interagieren?
KI wird überall sein. Im Moment ist die wichtigste Schnittstelle bei der Interaktion mit Computern das Touch-Interface. In Zukunft werden wir viel mehr Interaktionen mit gesprochener Sprache sehen. Wir werden uns daran gewöhnen persönliche Assistenten zu haben, an die wir Dinge delegieren können. Aber wir werden auch einen Riesenschub in der Robotik sehen.
Erste Unternehmen, etwa Covariant aus den USA arbeiten bereits daran. Was ist da zu erwarten?
Die Roboter fangen an, nicht nur rumzustolpern, sondern tatsächlich zu verstehen, wo sie sich bewegen und was sie machen sollen. Die Basismodelle helfen ihnen, Dinge in der Umgebung besser zu erkennen. Das Lernen geht in der realen Welt aber viel langsamer als das Lernen mit digitalen Daten.
Wie wird sich die Technologie weiterentwickeln? Wann können wir mit einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz rechnen, die alles verstehen oder erlernen kann, was auch ein Mensch machen kann?
Im Moment sehen wir, dass die Modelle kleiner und leistungsfähiger werden. Es wird aber auch weiter an großen Modellen gearbeitet. Die werden sich künftig noch menschenähnlicher verhalten und vermutlich auch soetwas wie ein Bewusstsein entwickeln. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Modelle haben werden, die über die eigene Existenz nachdenken und reflektieren können. Wir werden in 10 bis 20 Jahren soweit sein. Es kann auch schneller passieren.
Warnungen vor Superintelligenzen, die die Menschheit zerstören könnten, halten Sie nicht für realistisch?
Über Allgemeine Künstliche Intelligenz, die die Menschheit ausrotten möchte, mache ich mir keine Sorgen. Das halte ich für absurd. Es ist eine typisch menschliche Sichtweise auf die Dinge. Warum sollte eine KI das überhaupt wollen?
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