Warum Freundschaften im Job nicht immer eine gute Idee sind
Sie ist ein Glück, antwortet der Soziologe Frank Welz auf die Frage, was er unter Freundschaft versteht. Es sind intensive, freiwillige Bindungen, die das Leben bereichern. Und scheinbar auch die Arbeit, denn laut einer aktuellen Studie haben 63 Prozent der Gen-Z-Mitarbeiter mindestens einen besten Freund im Büro. Auf Tiktok wird Arbeitsfreunden sogar ein Hashtag gewidmet. Unter #Workbestie (kurz für „Work Best Friend“) findet man Tausende Videos, die Bürofreundinnen und -freunden ein Loblied singen.
Für manche sind Freunde fast schon ein Muss in der modernen Arbeitswelt. Denn sie machen die Arbeit schöner, man lernt von ihnen und sie bringen Leichtigkeit in den Alltag. Weshalb man Workbesties auch auf prominenter Ebene findet. Ob in Hollywood, wo Jane Fonda und Lily Tomlin seit Jahrzehnten Freundschaft und Beruf teilen. Oder auch in Wien, wo Katharina Hingsammer und Julia Fodor das bekannte Kosmetikstudio „Babetown“ eröffneten und später sogar mit einem Pop-up-Store nach Berlin expandierten. Freunde können ein klares Job-Plus sein und sogar zu mehr Erfolg verhelfen – zumindest, solange die Freundschaft hält und die Chemie stimmt.
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Beste Feinde? Microsoft-Gründer Bill Gates und Paul Allen waren alte Schulfreunde, dennoch war ihre Beziehung von Konflikten gezeichnet
Wahre Freunde: Als Kinder lernten sie sich in der Schule kennen, heute führen Ben Cohen und Jerry Greenfield das Eiscreme-Imperium „Ben & Jerrys“
Freund oder Feind?
So hielt etwa die Freundschaft zwischen den Microsoft-Gründern Bill Gates und Paul Allen, dem Business-Druck nicht stand. „An manchen Tagen ist die Zusammenarbeit mit dir die Hölle“, schrieb Allen in seiner Biografie über Gates. Sie kannten sich noch aus Schulzeiten. Das schützte sie jedoch nicht vor den bevorstehenden Konflikten, nachdem Microsoft immer größer wurde. Es wird von heftigen Streitereien berichtet, an denen ihre Beziehung fast für immer zerbrochen wäre. Sie gingen auseinander, kamen nach Jahren aber wieder zusammen.
Dass Freundschaft und Business aber auch dauerhaft funktionieren können, beweisen Ben Cohen und Jerry Greenfield, die Köpfe hinter der beliebten „Ben & Jerrys“-Eiscreme. Zwar lernten auch sie sich in der Schule kennen, aber behaupten, in all den Jahren nur einen einzigen richtigen Streit gehabt zu haben: und zwar über die Größe der Keksstücke im Eis. Jerry Greenfield sagte einmal: „Wie ich das Wort Freund definiere? Das ist einfach: Ben.“
Obwohl sie ähnliche Voraussetzungen hatten, blühte ihre Freundschaft auf, während die von Gates und Allen verwelkte. Wovon das abhängt?
Der Jungunternehmer Thomas Maurer hat eine Antwort. Er gründete mit seinem besten Freund Maximilian Klammer das Möbel-Start-up snorre. Aus Erfahrung weiß er, dass Freundschaften aus der Jugend einen guten Startvorteil bieten. Man hat Vertrauen zueinander, müsse aber in der Jobwelt auch lernen, gut zuzuhören und zu akzeptieren, dass man nicht immer einer Meinung sein kann. Ein Business zu gründen, ist eine Achterbahnfahrt, sagt er. „Man verpflichtet sich. Es ist wie bei einem gemeinsamen Kind. Da kann man auch nicht einfach wieder aussteigen.“ Nach drei intensiven Jahren laufe die Zusammenarbeit immer noch gut: „Alle Höhen und Tief-Phasen stehen wir gemeinsam durch. Das schweißt zusammen.“
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Vorteil oder Nachteil?
Freundschaften findet man aber nicht nur in der Gründerszene. Laut dem Soziologen Frank Welz sei die Arbeit generell ein sehr gutes Umfeld, Freundschaften oder tiefere Verbindungen zu schließen: „Man wird zusammengeworfen und Kollegen sind zunächst natürlich keine Freunde. Aber sie können welche werden.“ Gemeinsame Aufgaben, Ziele, Pläne und vor allem Aktivitäten würden dabei helfen, denn „Freundschaft ist unter Gleichgestellten leichter möglich.“ Wenn man täglich dieselben Aufgaben oder auch Sorgen teilt, stellt sich fast automatisch eine gewisse Verbundenheit ein.
Für Arbeitgeber sei es durchaus empfehlenswert, solche Freundschaften zu fördern. Sie könnten „sehr produktiv sein und die Kreativität im Betrieb verbessern“, wie die selbstständige Unternehmensberaterin Ümit Mares-Altinok weiß. Man gehe dann nicht nur in die Arbeit, sondern auch zu Freunden.
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Sie warnt aber davor, Freundschaften im Berufsleben zu intensiv auszuleben. Und spricht ein Problem von Job-Freundschaften an: „Mit der Durch-dick-und-dünn-Mentalität läuft man schnell Gefahr, andere Kollegen auszuschließen.“ Was zu einer negativen Stimmung führen kann, weil dadurch das Thema Bevorzugung und Ausgrenzung im Raum steht.
Hier macht sich das Spezialgebiet der Organisationspsychologie-Expertinnen Anne Burmeister und Ulrike Fasbender auf. Sie erforschen nicht die Vorteile von Freundschaften im Job, sondern die Schattenseiten. Eines ihrer Forschungsergebnisse: „Mitarbeiter, die viele Freundschaften am Arbeitsplatz haben, neigen zu einem unhöflichen, groben Verhalten.“
Warum? Weil in der Arbeit Rollenkonflikte entstehen, da man sowohl Freund als auch Mitarbeiter sein will. Von den jeweiligen Rollen wird jedoch Unterschiedliches, manchmal sogar Konträres erwartet: „Freunde zeigen Zuneigung, emotionale Nähe. Mitarbeiter Objektivität und Unverfänglichkeit“, erklärt Burmeister. Wenn man versucht, beide Rollen zu spielen, werde man schnell erschöpft – und dadurch eben ruppiger.
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Kollege oder Freund?
Apropos Rollen: Für Burmeister ist klar, dass vielfach nicht zwischen Arbeitsfreundschaften und privaten Freundschaft unterschieden wird. Frank Welz sieht das anders. Er argumentiert, dass allein der Ausdruck „Arbeitsfreunde“ zeigt, dass hier nicht von „echten“ Freunden die Rede ist. Sondern eben nur von freundschaftlichen Arbeitsbeziehungen. Sie bestehen nur im Arbeitskontext. Aber: Es muss nicht immer Freundschaft sein. Schon eine gewisse Kollegialität am Arbeitsplatz könne das Wohlbefinden fördern.
„Verbundenheit ist ein Grundbedürfnis und beeinflusst unsere Motivation“, erklärt Burmeister. Ohne Zugehörigkeitsgefühl könne sich sogar das Stressempfinden erhöhen. Einen Freund in der Arbeit zu haben, ist also nicht nur fürs Business gut, sondern auch für die Gesundheit.
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