Nur Affen schreiben Wut-Mails: Wenn die Evolution im Job durchschlägt

Nur Affen schreiben Wut-Mails: Wenn die Evolution im Job durchschlägt
Von seinen tierischen Genossen hebt sich der Mensch weit weniger ab, als ihm lieb ist – vor allem im Job. Wann wir uns wirklich zum Affen machen, verrät Verhaltensforscher Gregor Fauma.

Seit 20 Jahren beobachtet der Evolutionsbiologe Gregor Fauma das Verhalten der Menschen – am liebsten im beruflichen Alltag. Dort kommt unsere animalische Veranlagung nämlich ganz besonders zur Geltung. 

KURIER: Im Berufsleben werden wir gerne zum Tier – wie äußert sich das?
Gregor Fauma:
Indem wir Pfauenräder schlagen und uns größer machen, als wir eigentlich sind. Wir uns im Licht wichtiger Personen sonnen und darauf achten, in der Nähe von Führungskräften gesehen zu werden. Das machen Affen genauso wie wir.

Rüden markieren – wie demonstrieren Menschen ihren Rang?
Menschen zeigen mit der Gehgeschwindigkeit weltweit ihren sozioökonomischen Status. Das haben wir auf vielen Straßen in Europa getestet. Je höher das Ansehen des Berufs und das Einkommen ist, desto schneller gehen wir.

Weil die eigene Zeit so kostbar ist?
Nein, das wäre die positive Deutung. Es ist ein Darstellen von körperlicher Fitness. Nur die absoluten Alphas, die ganz oben stehen, haben das nicht mehr notwendig. Die gehen wieder so langsam wie die untersten der beruflichen Nahrungskette.

Bin ich erfolgreich, kann ich das Faultier mimen?
Das Symbol der Macht muss nicht gezeigt werden, wenn man sie hat. Deswegen sagen alle mächtigen Menschen, die man nach Macht fragt, dass es sich hier um eine unwichtige Sache handelt.

Wo wäre es sinnvoll, sich von unseren tierischen Freunden abzuheben?
Die Reaktion in der Wut ist das tierische Erbe. Stellen wir uns Folgendes vor: Ein Ferialpraktikant korrigiert den langjährigen Mitarbeiter in einer Sitzung vor dem Chef. Selbst wenn der Praktikant inhaltlich im Recht sein sollte, wird ihm der Bloßgestellte später ein Bein stellen. Dabei würden wir Menschen uns das Sapiens nur dann verdienen, wenn wir nicht so reagieren würden.

Nur Affen schreiben Wut-Mails: Wenn die Evolution im Job durchschlägt

Am 24. Jänner präsentiert Gregor Fauma sein erstes Programm „Basic Instincts! Ein Office voller Affen“ im Casanova Vienna. Das nächste Mal tritt er dort wieder im September 2023 auf

Das gilt dann vermutlich auch für wütende E-Mails im Affekt.
Unsere Entscheidungsmechanismen basieren auf acht Millionen Jahren Prägung in der Savanne. Seit rund 6.000 Jahren sind wir zivilisiert. Haben aber noch die Verhaltensmuster, die viele Millionen Jahre gut funktioniert haben, in uns.

Sind wir emotional, ist das Hirn heiß und dann treffen wir in neun von zehn Fällen eine schlechte Entscheidung. Erst wenn es uns gelingt, dies zu erkennen und auch zu entscheiden: Ich will nicht wie ein Neandertaler reagieren, dann nähere ich mich langsam dem Thema Mensch.

Kann ich dieses Wissen auch nutzen, um eine bessere Kollegin zu sein?
Wir funktionieren nach gewissen Schemata, auch wenn wir das nicht so wahrhaben wollen. Stelle ich diese aber bei einem Kollegen fest, weil ich in die Beobachterrolle gehe, bleibt mir bei dessen Fehlverhalten nichts anderes als zu sagen: ,Na geh, du kannst halt auch nicht raus aus deiner Affenhaut.‘

Dann lassen sich durch das Bewusstsein ein bisschen Tier zu sein, Konflikte vermeiden?
Wenn ich weiß, dass mein Kollege seinen evolutionären Zwängen unterliegt, kann ich das wohlwollender annehmen. Es ist keine bewusste Gemeinheit, sondern die Emotionen haben schlicht überhandgenommen: Deswegen der blöde Affentanz wie Herumschreien oder auf den Tisch schlagen.

Aber es liegt an einem selbst, nicht dasselbe zu tun und stattdessen die Person anzulächeln und zu denken: Du Armer, dir fehlt noch ein Entwicklungsschritt.

Anderes Thema: Den Menschen braucht es in der Berufswelt in manchen Bereichen durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz immer weniger. Wie bewerten Sie das als Evolutionsbiologe?
Es gibt Krebse, die haben ihre Ernährungsform geändert. Vom Algenrasen im Flachwasser hinunter ins tiefe Gewässer, wo die Sonne nicht mehr hin scheint. Zuerst haben sie die Augen abgebaut, weil sie nicht mehr gebraucht wurden.

Dann hat sich die Gehirnstruktur abgebaut, die einst die Augen versorgt hat. Wenn wir beginnen, alles auszulagern, wird das auch bei uns in den nächsten 1.000 Jahren ein Thema. Sofern wir es bis dahin nicht ohnehin vergeigt haben. Heißt: Ja, zur Künstlichen Intelligenz, die stupide Arbeiten abnimmt. Aber am Schluss muss der Mensch stehen.

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