Wann ist es divers genug? Manisha Joshi über Diversität im Job
„Wir hätten gerne nur europäische Menschen auf unserem Cover“, war eine der vielen Anmerkungen, die Manisha Joshi während ihrer Karriere in der Kommunikationsbranche zu hören bekommen hat. Um den Hals trägt sie eine goldene Kette mit einem Anhänger in der Form von Indien. „Ich komme auch aus Europa, bin ich etwa nicht europäisch aussehend?“
Für das Interview sitzen wir, gemeinsam mit ihrer Hündin Sunny – die sich brav und unauffällig dazu geschlichen hat – in einem Besprechungszimmer von der Kommunikationsagentur Ketchum. Dort ist Joshi seit 2022 Head of Diversity, Equity & Inclusion.
KURIER: Inklusion und mehr Diversität sind schon lange Thema: Ist eine Änderung in Sicht?
Manisha Joshi: Es wird besser. Globale Bewegungen wie „Black Lives Matter“ und „MeToo“ haben dazu beigetragen. Die Aufmerksamkeit der Unternehmen ist geweckt und ich bin davon überzeugt, dass die Bereitschaft in den Teams auch da ist.
Gerade im Erwachsenenalter habe ich mehr Sexismus als Rassismus erlebt
Wie antworten Sie auf die Frage „Woher kommen Sie?"
Ich habe lange damit gehadert. Vor allem als Teenagerin will man normal sein und dazu gehören. Mit der Zeit habe ich gelernt, stolz zu sagen: Ich bin halbe Steirerin und halbe Inderin. Die Frage ist aber etwas sehr Persönliches. Gerade als nicht-weiße Person in Österreich.
Welche Fragen hören Sie oft?
Woher kommst du wirklich? Warum sprichst du so gut Deutsch? Es war nicht immer einfach, aber der offensichtliche Rassismus wurde mit der Zeit weniger.
Gerade im Erwachsenenalter habe ich mehr Sexismus als Rassismus erlebt. Ich habe oft von früheren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern das Feedback bekommen zu anders zu sein. Mein Ziel ist es deswegen allen Menschen, die aus der „Norm“ fallen Mut zu geben. Anders sein ist ein Vorteil.
Was bedeutet Diversität für Sie?
In Österreich wird das Wort Diversität oft auf Geschlechter reduziert. Aber der Begriff umfasst so viel mehr. Ethnische Herkunft, Sexualität, sexuelle Identität, Alter, Gesundheit, besondere Bedürfnisse, das sind alles Diversitätsfacetten, die wir am Arbeitsplatz brauchen und deren Stärken wir nutzen sollten.
Wenn ich nur über Diversität spreche, sie aber nicht lebe, wird es auffliegen
Warum wird Diversität im Job gebraucht?
Mehr Blickwinkel, mehr Kreativität. Alle haben eine andere Perspektive. Wenn wir sie nicht inkludieren, geht sehr viel verloren. Studien zeigen, dass diverse Teams bessere Leistungen bringen. Diversitätsmanagement ist kein Nice-To-Have, sondern ein Must-Have. Vielfalt ist unsere Realität.
So kann man sich als Unternehmen attraktiver machen und Mitarbeitende halten. Gerade die jungen Arbeitskräfte suchen nach mehr Diversität und einer klaren Positionierung in Unternehmen. Es schafft ein Zugehörigkeitsgefühl.
Eine Win-Win-Situation also?
Genau. Das Team ist motivierter. Die Gesellschaft wird repräsentiert. Und das Unternehmen macht höhere Umsätze.
Wann ist es divers genug?
Wenn wir keine Quoten mehr brauchen. Wenn jeder Mensch die gleichen Chancen am Arbeitsmarkt hat. Wir sind heute noch weit davon entfernt, man muss nur in die meisten Chefetagen schauen.
Manchmal versuchen sich Firmen diverser darzustellen, als sie wirklich sind. Reicht das?
Wenn ich nur über Diversität spreche, sie aber nicht lebe, wird es auffliegen und von der Gesellschaft negativ bewertet. Durch „Wokewashing“ verliert man an Glaubwürdigkeit.
Ähnlich wie die Begriffe "Greenwashing" und "Pinkwashing" ist "Wokewashing" eine Wortschöpfung, die gewisse Marketinghandlungen von Unternehmen beschreibt. Einfach ausgedrückt liegt "Wokewashing" vor, wenn ein Unternehmen sich als unterstützend gegenüber sozialer Gerechtigkeit (bspw. Pro-Vielfalt, Anti-Sexismus, Anti-Rassismus, etc.) präsentiert, aber es in der eignen Unternehmenskultur nicht lebt. Auf ihre Worte folgen also keine Taten.
Der Begriff "Woke" stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und beschreibt Achtsamkeit bzw. ein wachsames/ erwachtes Bewusstsein gegenüber mangelnder sozialer Gerechtigkeit und Rassismus.
Wir müssen mutig sein und uns reflektieren, samt unserer Privilegien
Wie wird man diverser?
Wir müssen mutig sein und uns reflektieren, samt unserer Privilegien. Es soll ein Raum geschaffen werden, indem sich alle Menschen wohlfühlen. Man muss gemeinsam im Team Werte definieren und diese auch leben. Es sollten gezielt Menschen gefragt werden, die unterrepräsentiert sind.
Jede Meinung muss Platz haben und ganz wichtig: Auf Worte müssen Taten folgen. Es bringt nichts, wenn der Chef oder die Chefin die Werte allein definiert und sie dann dem ganzen Unternehmen überstülpt.
Kein Mensch ist von Grund auf böse oder diskriminierend
Welche Fehler werden dabei oft gemacht?
Nichts zu tun ist immer der größte Fehler. Aber alles steht und fällt mit der Strategie. Es braucht Maßnahmen und auch Veränderungsfreude. Diversität können wir nur gemeinsam schaffen, deswegen sollten wir in Dialog und nicht in Konkurrenz gehen.
Man bekommt manchmal den Eindruck, dass Diversität viel Gegenwind erfährt. Wieso?
Diversität hat immer etwas mit Veränderung zu tun. Wir sind in einer weißen, privilegierten Gesellschaft aufgewachsen. Diejenigen, die diese Privilegien bekommen, haben Angst sie zu verlieren. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, sie zu teilen. Kein Mensch ist von Grund auf böse oder diskriminierend. Ich glaube, viele sind sich ihrer Privilegien nicht bewusst und deswegen müssen wir sie benennen und darüber sprechen.
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