Narzissten-Chefs: So entlarven Sie giftige Arbeitsumgebungen

Narzissten-Chefs: So entlarven Sie giftige Arbeitsumgebungen
Ungesunde Beziehungen finden sich nicht nur in der Liebe, sondern auch im Beruf. Wer unter toxischen Vorgesetzten leidet, muss etwas tun.

Er ist fast zu gut, um wahr zu sein. Er ist attraktiv, imposant in seinem Aufritt, bietet Perspektiven und auch finanziell scheint er vielversprechend. Die Rede ist hier – natürlich – von einem Job. Und ja, Traumjob und Traumpartner unterscheiden sich in manchen Aspekten nicht allzu stark voneinander. 

Und ähnlich wie in der Liebe, kann auch in der Karriere der erste Eindruck gehörig täuschen (siehe Kästen rechts). Wo zuerst die rosarote Brille war, ist plötzlich ein „Partner“, der nicht aufhört, zu kritisieren. Eine Firma, in der die Stimmung nicht passt. Ein Chef, der viel fordert ohne je Danke zu sagen, der Druck ausübt und Grenzen überschreitet. Das Verhältnis kann toxisch werden.

Giftige Umstände

Ein klares Anzeichen, dass man sich in einer toxischen Beziehung befindet, ist das Gefühl, ständig nicht gut genug zu sein, erklärt Paartherapeutin Nadja S. El-Din. Und das sei erst der Anfang einer langen Liste an problematischen Merkmalen: „Wiederholende Grenzüberschreitungen, keine Akzeptanz für das Wort ’Nein’ und das Gefühl, dass diese Beziehung die eigene Lebensfreude und -energie entzieht“. Sie fasst toxische Beziehungen als emotionales Wechselspiel der Gefühle, „von Idealisierung bis Abwertung“ zusammen.

Die Folgen: „Es kann dazu führen, dass sich die betroffene Person sozial zurückzieht, ihren Hobbys nicht mehr nachgeht, an Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit verliert“, sagt die Paartherapeutin.

Ähnlich kann es einem auch in beruflichen Beziehungen ergehen, sobald sie „giftig“ werden. Man verliert an Motivation, Selbstbewusstsein, hat Angst und kann schlimmstenfalls in ein Burnout schlittern. Doch das ließe sich vermeiden, wenn man erkennt, wie man überhaupt in einer toxischen Beziehung landet. 
Durch „Lovebombing“, lautet die Antwort. Man wird quasi in diese Beziehung gelockt. 

Nadja S. El-Din erklärt den Begriff Lovebombing so: „Es ist das Gefühl, mit Liebe und Aufmerksamkeit überhäuft zu werden. Lovebombing wird oft als etwas Manipulatives angesehen. Es dient dazu, den Partner emotional abhängig zu machen.“ Ist das einmal gelungen, kommt es zu einer 180-Grad-Wende.

Die (perfekte) Falle

Im Beruf hat Lovebombing verschiedene Gesichter, die man nicht sofort erkennt: In Stelleninseraten verstecken sich oft erste Warnsignale, erklärt Arbeitspsychologe Peter Radlingmayr. Stichwörter wie „familiäre Strukturen“ und „flache Hierarchien“ könnten zwar auf ein positives Umfeld hindeuten, aber auch auf einen Mangel an professioneller Distanz und Work-Life-Balance. 

Apropos Stellenausschreibungen: Die Organisationspsychologin Anna Warga-Hosseini beobachtet schon länger, dass Firmen auffallend viele Versprechungen in ihre Inserate packen – quasi Lovebombing im Jobumfeld betreiben. „Bewerber sind rar, deswegen wirbt man mit zahlreichen Benefits.“ Und manche leider auch mit falschen Versprechungen: „Stellt sich der Arbeitsalltag ein, merken Mitarbeiter, dass vieles nicht so läuft, wie es im Vorstellungsgespräch vermittelt wurde.“ Um solche Tricks schnell zu entlarven, rät sie, schon beim ersten Treffen gezielte Fragen zu stellen. Etwa: Wie schaut das konkret in der Praxis aus?

Stellt sich ein Unternehmen nur positiv dar, ist das mit Vorsicht zu genießen, fügt Peter Radlingmayr hinzu.

Offenheit und Transparenz sind der Gegenentwurf zu toxischen Strukturen. Und die kann man schon während des Bewerbungsgesprächs ausfindig machen: „Wird genau und differenziert geantwortet? Oder werden manche Fragen gänzlich umgangen?“ Für einen noch besseren Überblick raten beide Arbeitsexperten, Online-Plattformen zu durchforsten, sich dort bei ehemaligen Arbeitnehmern umzuhören.

Schwieriger ist das Entlarven von toxischen Führungspersönlichkeiten, meint Radlingmayr. „Narzisstische Persönlichkeitstypen haben einen gewissen Charme, eine Ausstrahlung. Davon fühlt man sich im anfangs angezogen.“ Es wird viel gelobt, geschmeichelt, ins Unternehmen gelockt – bis man eingefangen wurde.

Das böse Erwachen

Dann kommt es zur besagten 180-Grad-Wende: „Der Vorgesetzte fängt an zu kritisieren, runterzumachen, Druck auszuüben, hinterrücks zu lästern“, sagt Peter Radlingmayr. Keine guten Bedingungen für ein gesundes Arbeitsverhältnis. Ob das aber auch als toxisch zu werten ist, hinterfragt Anna Warga-Hosseini. 

Die Organisationspsychologin berichtet aus der Praxis: „Toxisch wird man schnell genannt. Wenn man allen Mitarbeitern Glauben schenkt, müssten 60 Prozent der Führungskräfte krankhaft pathologisch sein.“ Tatsächlich wären im Schnitt nur drei von hundert Chefs Psychopathen oder Narzissten, die ihren Mitarbeitern schaden, die skrupellos, cholerisch und unberechenbar sind, schätzt sie. „Meist haben sie viel zu hohe Erwartungen an ihre Mitarbeiter und zu wenig Empathie.“

Bei den restlichen Chefs, die nicht unter den Begriff „toxisch“ fallen, würde es sich lediglich um „schwierige Persönlichkeiten“ handeln. Aber auch in solchen Fällen sollte man handeln, wenn man leidet – und sogar das Dienstverhältnis überdenken, wie Peter Radlingmayr meint. Besonders dann, „wenn es einem schlecht geht, man immer wieder krank wird, mit Bauchschmerzen in die Arbeit geht.“

Einer toxischen Beziehung, ob privat oder im Job, zu entfliehen, ist selten einfach, weiß Nadja S. El-Din. Es hilft, seine eigenen sozialen Ressourcen zu stärken, sich mit Menschen auszutauschen und, auch wenn es schwer fällt, sich jemanden anzuvertrauen, sagt sie. Außerdem: Grenzen setzen. „Manche verteidigen ihre Grenzen, andere verlassen das toxische Umfeld“, sagt Radlingmayr.

Anna Warga-Hosseini sieht eine Kündigung aber als letzten Ausweg. Ihr Tipp: „Einen Schritt auf Vorgesetzte zugehen. Oft reicht ein Gespräch, ein nettes Wort oder auch ein strategisch eingesetztes Lob. Viele Vorgesetzte lassen sich davon beeinflussen und bemühen sich dann eher um ihre Mitarbeiter.“

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