Der härteste Aufnahmetest: Nur die besten 10 Prozent bekommen einen Studienplatz
„Wenn man zwei E-Mails bekommt, dann hat man es geschafft“, sagt der Medizinstudent Jakob U. Das erste E-Mail der MedUni zeigt, welchen Platz man im berüchtigten Aufnahmetest belegt hat. Dann kommt das zweite Mail mit dem Studienplatzangebot. Als er vor über einem Jahr beide Nachrichten am Handy gesehen hat, war es also Zeit zu feiern.
Der MedAT – kurz für Medizin-Aufnahmetest – ist die schwierigste Eingangshürde für ein Studium in Österreich. Knapp 8.000 Personen melden sich jedes Jahr allein in Wien für den MedAT an. Einen Studienplatz bekommen aber nur rund 800 Bewerber – die besten zehn Prozent. „Es ist ein extremer Stress. Jeder will das Gleiche machen wie du. Und man muss besser sein als 90 Prozent aller Bewerber“, erzählt Medizinstudentin Julia P. Entsprechend intensiv muss die Vorbereitung auf den Test sein, der heuer am 5. Juli stattfindet.
Die „Challenge“
Mit dem Lernen fangen viele früh an, schon ab Jänner, wie der KURIER von Studierenden erfährt. Mindestens sechs Monate Vorbereitungszeit sollte man sich nehmen, erzählt Jakob U. Er lernte „drei bis sechs Stunden täglich und im letzten Monat vor dem Test ungefähr acht Stunden“. Es ist wie ein Vollzeitjob.
Wie man das schafft? „Es ist machbar – aber man muss konsequent sein“, erklärt Med-Student Julian K. ganz sachlich. Leicht sei es definitiv nicht. Der an sich spannende Stoff verwandelt sich nämlich schnell in ein „zaches Wiederholen“, sagt er. Aber genau das ist „die Challenge“: Sich den Stoff anzueignen, sich jeden Tag hinzusetzten und zu lernen.
Lernunterlagen gibt es genug. Von Büchern, Skripten bis hin zu Videos und Kursen. Alles, was man in die Finger bekommt, wird verwertet und studiert. Denn offizielle Lernunterlagen gibt es nicht, sagt Jakob U.. Stattdessen stellt die österreichische Hochschülerschaft (ÖH) unter anderem eine Stichwort-Liste zur Verfügung.
Den MedAT gibt es seit 2013. Heuer findet er am 5. Juli statt. Die Anmeldefrist endet am 29. März. Infos dazu finden Sie hier
Österreichweit haben sich vergangenes Jahr rund 15.400 Personen für 1.850 Studienplätze beworben. 760 Plätze wurden in Wien angeboten (680 in Human-, 80 in Zahnmedizin)
Wem das nicht reicht, der kann es mit einem Vorbereitungskurs (für ein paar hundert Euro) versuchen. Seit es den MedAT gibt, bietet etwa Michael Unger auf seiner Informationsplattform „aufnahmepruefung.at“ Kurse an. Ein Muss ist es aber nicht: „Es ist wie Bergsteigen. Man kann den Großglockner auch ohne Bergführer bezwingen, muss sich dafür aber länger vorbereiten und geht vielleicht mehrere Umwege.“
Egal, wie man sich entscheidet, am Üben führt kein Weg vorbei, weiß Eva Bachl, eine erfahrene MedAT-Trainerin. „Es gibt kein Geheimrezept.“ Wichtig ist, dass man rechtzeitig beginnt und kontinuierlich lernt, sagt sie. „Es ist eine Vorbereitung in Selbstorganisation und Disziplin. Man lernt zu lernen“, so Unger. Durch diese Disziplin entstehe aber auch ein Teufelskreis. Teilnehmer bereiten sich immer besser vor, was das Niveau noch mehr hochschraubt. „Man lernt viel, um mitzuhalten, und wird so selbst zu einem starken Konkurrenten“, sagt die Trainerin.
Endlose Lernmethoden
Etwas, das man während der intensiven Lernphase nicht vergessen sollte: „Alle verzweifeln irgendwann beim Lernen. Und es gibt immer mehr als nur eine Lösungsstrategie“, unterstreicht Eva Bachl. Damit meint sie, dass man sich nicht strikt an ein System halten sollte. „Man muss die richtige Lernstrategie für sich finden“, bestätigt Jakob U. Er lernte beispielsweise für den Wortflüssigkeitstest die häufigsten Prä- und Suffix-Endungen der deutschen Sprache und Caro P. arbeitete mit einem Gedächtnispalast, um für 99 Nummern je eine Assoziation zu knüpfen.
Eine Methode, die sie weit gebracht hat. Wobei sie anfänglich nicht ganz vom Gesundheitsbereich überzeugt war: „Ich wusste nicht einmal, ob ich Blut sehen kann.“ Erst durch ihr Freiwilliges Soziales Jahr hat sie den Bereich lieben gelernt – und konnte den MedAT gleich beim ersten Versuch bestehen: „Wenn man es wirklich will, schafft man es auch.“ Und erzählt die Geschichte ihrer Schwester.
Sie hat es erst beim dritten Antritt geschafft. „Es gab keinen Tag, an dem ich nicht geübt habe“, sagt Julia P.. Die Test-Simulation machte sie 13 Mal, um sich mental darauf einstellen. Dabei trainierte sie den Basisteil am Vormittag und den kognitiven Teil am Nachmittag – so wie es beim MedAT auch stattfindet. Alles wurde bis ins Detail durchdacht. Selbst die Getränke, die sie zum Test mitgenommen hat, waren die gleichen, die sie auch beim Lernen dabeihatte. „Um den Rhythmus beizubehalten“, erklärt Julia P.
Der große Tag
Wie der Tag des Tests für die Kandidaten lief?
8 Uhr: Die ersten Teilnehmer versammeln sich in der Messehalle Wien. „Eine wirklich komische Situation“, gibt Jakob U. zu. „Man sitzt mit tausend anderen in diesen großen Hallen und erhält über ein Mikrofon Anweisungen.“ Richtig nervös wurde der Student aber nicht. Mit einer Zusage einer anderen Uni (im Ausland) hatte er einen Plan B und „dadurch war der Druck nicht so groß.“ Anders bei Julian K.: „Ich war angespannt. Achttausend Menschen holen einen schnell auf den Boden zurück.“
„Ganz schlimm. Trauma“, setzt Caro P. das Fazit vom Test-Tag fort. „Ich wusste, dass viele Leute dort sein werden, aber das Ausmaß war unvorstellbar.“ Als dann auch noch ihr Plastiksackerl riss und keiner stehen blieb, um ihr zu helfen, wusste sie: „Die Konkurrenz ist hart.“ Davon ließ sie sich aber nicht abschrecken: „Ich bin eine ehrgeizige Person. Wenn andere meinen, dass es nicht geht, motiviert mich das umso mehr.“ Und Motivation braucht man, wenn man einen ganzen Tag vor dem Aufnahmetest sitzt.
Anita Rieder, MedUni-Wien-Vizerektorin für Lehre im Gespräch über den MedAT:
Der MedAT startet mit dem Basiskenntnistest Medizinische Studien (BMS), also mit Biologie, Chemie, Mathematik und Physik (für viele das Hassfach). Zum BMS gehören Fragen wie „Für welche Aminosäure codiert das Startcodon in Eukaryoten?“. Vor der Mittagspause wird das Textverständnis (TV) getestet, gefolgt vom kognitiven Teil des Tests. Darunter fallen Wortflüssigkeit, Figurenzusammensetzung, Gedächtnis und Merkfähigkeit. Ganz zum Schluss sind Sozial-emotionale Kompetenzen (SEK) gefragt. „Das ist für viele schwierig“, weiß Eva Bachl. „Man muss viel üben, um ein Gefühl dafür zu entwickeln.“
Um 17 Uhr war es vorbei und die Bewerber erschöpft: „Nach dem MedAT war ich zwei Wochen lang krank und wollte nichts mehr damit zu tun haben“, erzählt Jakob U.
Langes Zittern
Einen Monat später klingelt es in der Mailbox. Julia P. kann sich gut an den Tag erinnern: „Manche stellen Kameras auf, um sich bei Lesen der Nachricht selbst zu filmen.“ Julian K. musste sich erst gedulden, als die Ergebnisse eintrafen. „Ich hatte ein Pflegepraktikum und habe die Nachricht mitten in der Morgenkontrolle erhalten.“ Entsprechend groß war dann die Erleichterung nach seiner Schicht – er hatte es geschafft.
Wovon der Erfolg abhängt, bleibt letztlich individuell, meint Michael Unger. Manche treten fünfmal an, bevor sie positiv abschließen, erzählt er. Braucht man Hartnäckigkeit, Ehrgeiz oder Talent, um den MedAT zu bestehen? Der Student Julian K. beantwortet die Frage nach dem Erfolgsrezept so: „Ja schon, aber man findet alles online. Also braucht man eigentlich nur einen Laptop.“
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