Warum man Orchideen pflanzt
Patrick Mayrhofer, ein Student der Hungarologie und Fennistik, lässt sich von zweifelnden Fragen nicht beirren. Ganz im Gegenteil: Er folgt seiner Leidenschaft mit überraschender Begeisterung. So geht er – und übrigens auch seine Kollegen – über das vorgeschlagene Mindestmaß der Anforderungen hinaus: „Bei den kleinen Fächern ist das typisch. Man bringt sehr viel Interesse mit.“ Im KURIER-Gespräch erzählt der selbst ernannte „Nerd“ von Präfixen und den faszinierenden Elementen der ungarischen Sprache: „Ich finde Sprachen grundsätzlich interessant, vor allem Minderheitssprachen. Es gibt ausreichend Anglisten oder Germanisten und in den kleineren Fächern ist noch einiges unerforscht.“ Auf die Frage, ob es ihn denn in die Forschung zieht, antwortet er: „Wer weiß. Ich würde darauf hoffen, aber ich habe noch keine klaren Vorstellungen.“
Auch Lea Giglmayr war zunächst noch nicht klar, was sie studieren sollte. Jetzt ist sie an der Angewandten inskribiert. Ihr Studium: „Transformation Studies. Art x Science“ – keine Sorge, auch Giglmayr weiß nicht genau, wie sie es am besten beschreiben soll. Aber man merkt ihr die Leidenschaft für das Thema sofort an: „Ich war orientierungslos, weil ich mehrere Interessen hatte. Es hat immer etwas gefehlt.“ So kam sie auf das neue Studium der Angewandten in Kooperation mit der Johannes-Kepler-Universität in Linz. „Allein, dass es das Studium gibt, inspiriert mich. Es zeigt, dass man kein Spezialist in nur einem Bereich sein muss und sich stattdessen mehreren Themen widmen kann.“ Ihr Wunsch ist es, einmal zu unterrichten oder vielleicht sogar eigene Ausstellungen zu konzipieren. Aber auch bei ihr ist es noch offen.
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Was Orchideen bringen können
Seitens der Arbeitgeber hat Giglmayr jedenfalls bereits einen Vorteil, weiß die Partnerin bei Deloitte Österreich Gudrun Heidenreich-Pérez. Wenn sich die Expertin heute für ein Studium entscheiden müsste, wäre es ebenfalls ein interdisziplinäres: „Je breiter man sich mit Themen beschäftigt, umso erfolgreicher kann man sie im Beruf einbinden.“ Auch Leidenschaft ist ein wichtiges Stichwort, wie Karriere- und Personalberaterin Ute Muellbacher meint: „Wenn man Begeisterung für ein Thema verspürt – sei es noch so ungewöhnlich, skurril oder exotisch– ist das schon ein wahres persönliches Privileg.“ Denn: Was man gerne macht, macht man gut. Und voller Motivation, wie Student Benjamin Schrott anmerkt.
Nur ein paar Stunden vor dem KURIER-Interview absolvierte er seine Masterprüfung in alter Geschichte und Altertumskunde. „Das Studium erfährt gerade einen regen Zulauf“, sagt er. Warum? „Die Studierenden teilen eine Begeisterung für die Antike, was sich an der angeregten Diskussionskultur am Institut zeigt.“ Diese Begeisterung für die Antike hatte Schrott schon als Kind. Jetzt, nach seinem Abschluss, plant er, weiter in die Forschung zu gehen.
Doch leider reicht Leidenschaft allein nicht immer aus, um den Arbeitsmarktanforderungen zu entsprechen, veranschaulicht Mark Frost, Geschäftsführer der Hays Österreich: „Wenn man Controller werden will, sollte man nicht Kunstgeschichte studieren. Für bestimmte Positionen sind bestimmte Abschlüsse notwendig“, sagt er. Im besten Fall baut man sich parallel zum Studium noch weitere Qualifikationen auf. „Man sollte Engagement zeigen, Praktika absolvieren, erste berufliche Erfahrungen sammeln und genau wissen, wie man seine Nischen-Fähigkeiten im Unternehmen einsetzen kann“, so der Experte.
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Wobei er auch erwähnt, dass man mit einem ausgefallenen Abschluss im Lebenslauf punkten kann: „Es kann Interesse bei den Arbeitgebern wecken.“ Frost selbst hat einige Studiensemester der Anthropologie und Astronomie gewidmet. Dieses Wissen helfe ihm nicht unbedingt bei seiner aktuellen Tätigkeit, aber es schaffe eine Allgemeinwissensbasis: „So erweitert man seinen Horizont. An der Uni lernt man, wie man lernt.“
Was Unternehmen pflücken können
Auf die Frage, was Unternehmen von solchen Studienabschlüssen haben, hat Gudrun Heidenreich-Pérez sofort eine Antwort: „Je vielfältiger die Ausbildungen, die unsere Mitarbeiter mitbringen, desto besser für uns. Ich sehe den Vorteil in der Perspektiven-Vielfalt.“ Man arbeite verstärkt in interdisziplinären Gruppen. Das zeige sich auch in der KI-Entwicklung, erklärt sie. „Man denkt zunächst nur an die IT. Aber es sitzen auch Menschen mit an Bord, die eine ethische Perspektive einbringen“, so die Expertin. Sie sehe eine Tendenz in Richtung „alternative“ Lösungswege und das Erkennen von Fähigkeiten, die einen Mehrwert für das Unternehmen bringen.
So sieht das auch Mark Frost: „Wenn es um Kommunikation und die Soft Skills geht, ist es weniger interessant zu wissen, was die Person studiert hat. Firmen legen viel Wert auf Kontaktfreudigkeit, analytisches Denken, Teamwork und Kreativität.“ Alles Kompetenzen, die besonders bei Nischen-Studiengängen gefördert werden. Deswegen sagt Ute Muellbacher auch: „Solche Abschlüsse zeigen, dass man bereit ist, außerhalb konventioneller Pfade zu denken.“
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Immer weiter blühen
„Die traditionelle Vorstellung, etwas „Vernünftiges“ für einen sicheren Beruf zu studieren, basiert auf der Annahme, dass bestimmte Studienrichtungen klar definierte Karrierewege und stabile Beschäftigungsaussichten bieten“, sagt Muellbacher. „Heute gibt es in vielen Branchen eine breitere Palette von Karrierewegen, die das nicht unbedingt erfordern.“ Dazu hat auch die technologische Entwicklung beigetragen.
Neue Jobs entstehen, während andere obsolet werden. Der Arbeitsmarkt und die Anforderungen würden sich ständig ändern. „Der Erfolg hängt oft von einer Kombination aus Weiterbildung, Fähigkeiten, Anpassungsfähigkeit, Netzwerken und persönlicher Initiative ab“, so die Personalberaterin. Bedeutet: Egal, für welche Studienrichtung man sich entscheidet, es gibt kein universelles „richtig“ oder „falsch“. Ute Muellbacher: „Auch der Gelotologie-Absolvent (Anm.: Wissenschaft des Lachens) wird mit der richtigen Strategie seinen Hafen finden.“
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