Neuer WU-Rektor: "Wir bekommen nicht die besten, aber sehr gute Leute"
Seit 1. Oktober ist der Tiroler Rupert Sausgruber Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien. Gegenüber seinem neuen Büro liegt sein alter Arbeitsplatz, das Department of Economics, wo er die vergangenen zehn Jahre lehrte.
KURIER: Wenn Sie auf Ihren alten Arbeitsplatz hinüber schauen – ist da auch Wehmut?
Rupert Sausgruber: Es ist tatsächlich eine große Veränderung, weil man die Tätigkeiten, die man vorher hatte, nicht mehr ausübt. Zum Beispiel die Forschungsprojekte – da habe ich überlegt, ob ich sie mitnehme oder noch einmal aufgreife.
Haben Sie angestrebt, Rektor zu werden?
Das ist ein Prozess. Wenn man sich das erste Mal mit dieser Frage auseinandersetzt, ist die Antwort ehrlichgesagt Nein. Weil man ein anderes Leben führen muss. Ich habe viel überlegt, vor und zurück. Es war dann eine bewusste Entscheidung. Meine Aufgabe ist es jetzt, diese Universität zu leiten, und ich möchte es natürlich gut machen.
Zu Ihrer Bestellung gab es eine Diskussion, weil der Senat jemand anderen vorgeschlagen hat. Fühlen Sie sich dadurch „belastet“, wie berichtet wurde?
Nein, überhaupt nicht. Das hat sich auch sehr schnell geklärt. Der Universitätsrat hatte nur eine andere Meinung als der Senat.
Ein Machtkampf?
Das ist ein Machtkampf. Der Universitätsrat ist eines der drei Leitungsorgane dieser Universität. Bei der Wahl des Rektorats wählt er aus einem Dreiervorschlag des Senats aus. Der Senat hat mir aber relativ bald danach ein Schreiben übermittelt, in dem stand, dass doch alles in Ordnung ist.
Rupert Sausgruber habilitierte 2005 an der Universität Innsbruck, wo er auch Professor für Finanzwissenschaft war. Nach zahlreichen internationalen Forschungsaufenthalten – in Kopenhagen, Jena, Arizona und Michigan – wechselte er 2013 als Professor für Volkswirtschaft an die Wirtschaftsuni Wien. Seit 2018 war er Vorstand des Departments.
Seine Bestellung als Nachfolger für Edeltraud Hanappi-Egger sorgte zunächst in Universitätskreisen für Wirbel.
Denn der Senat behält sich vor, Kandidaten (gereiht, auch wenn es das Gesetz nicht so vorschreibt) vorzuschlagen. An erster Stelle stand der einstige Vize-Rektor Michael Meyer. Während sich der Rat sonst an die Empfehlungen hielt, entschied er diesmal aber für den Zweitplatzierten Sausgruber. Der Senat fühlte sich „kommentarlos übergangen“. Die Bestellung würde einen „beispiellosen Bruch mit der bislang gelebten WU-Kultur“ darstellen, hieß es. Der Rat wiederum war sich sicher, mit Rupert Sausgruber einen Rektor zu bekommen, „der Gutes erhält und Überlebtes verändert“.
Dem anderen Bewerber wurde versichert, dass es keine Entscheidung gegen ihn aber für Sie war. Was verspricht sich der Rat von Ihnen?
Ich bin mit einem Programm angetreten, in dem wir uns auf die Stärken und Potenziale konzentrieren. Wir wollen in Europa und darüber hinaus sichtbar und in Österreich der Schlüsselplayer sein.
Einen großen Anteil bei der Sichtbarkeit haben Uni-Rankings – werden Sie diese stärker verfolgen?
Sie sind Teil unseres Geschäfts, aber man muss sich bewusst sein, wie diese Rankings zusammenkommen und ob man sie steuern kann und will. Ein wichtiger Faktor ist, wie viel Alumni verdienen, aber das hängt nur bescheiden von uns ab. Ein anderes Kriterium ist, wie international die Studierendenschaft ist. Die am besten gelisteten Universitäten haben einen Anteil jenseits der 90 Prozent, das wäre für Österreich nicht denkbar. Die Institute an der absoluten Spitze haben außerdem extrem viel Geld.
Was lässt sich steuern?
Forschungsoutput ist immer eine schöne Größe. Auch die Rekrutierung von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. Man merkt dabei, wie attraktiv Wien und die WU ist. Wir kriegen zwar nicht die besten, aber wir bekommen sehr gute Leute. Die fordern von uns, fragen, was wir bieten, wie groß die Forschungseinheiten sind. Das Gehalt ist ein Thema aber an vielen europäischen Standorten reglementiert. Da sind wir gar nicht so schlecht in Österreich und sind mit Deutschland ungefähr gleichauf.
Die WU feiert heuer 125-Jahr-Jubiläum. Wie viel hat sich verändert?
Wenn Sie bei 1898 beginnen, ist die Entwicklung natürlich immens. Die Schritte waren bedächtig, manchmal groß, manchmal klein, aber die größte Wachstumsphase war in den 1970er-Jahren mit dem öffentlichen Hochschulzugang und ausfinanzierten Universitäten. Hier ist die WU von einer starken Ausbildungsorientierung zur Wissenschaftlichkeit gekommen.
Und der Andrang war plötzlich riesig.
Die WU hat sehr darunter gelitten. Mir erzählen die Leute, dass sie damals auf den Gängen geschlafen haben, um Plätze in den Seminaren zu bekommen. Das hat die WU dazu gezwungen, sehr effizient zu wirtschaften. Das merkt man heute noch. Die Administration ist so stark, weil sie jeden Platz in jeder Lehrveranstaltung ausoptimiert. Es ist vorbildlich, wie effizient die WU im Vergleich zu anderen Universitäten tickt.
Die hohe Auslastung ist heute also kein Problem mehr?
Wir hatten immer das Problem, dass die Betreuungsverhältnisse an der WU schlechter waren als an anderen Universitäten. Wir haben im Vergleich zur Studierenden-Anzahl einfach zu wenig Lehrende.
- Gegründet wurde die Wirtschaftsuniversität (WU) 1898 im ehemaligen Palais Festetics. „Die Wirtschaft hatte einen klaren Bedarf an einer qualifizierten Ausbildung“, erklärt Sausgruber die Gründungsintention. Heute zählt die WU zu den besten Wirtschaftsunis der Welt. Ihr neuer Campus eröffnete 2013
- In Rankings sichert sich die WU gute Platzierungen. In den QS Program Rankings belegt die WU Plätze zwischen 2 und 16. Beim internationalen Economist-Ranking ist die WU auf Platz 5 von 40
- 70 Studierende kommen auf eine Professur. „Zu viele“, sagt der neue Rektor
- Rund 21.000 Personen studieren an der WU, etwa ein Drittel sind aus dem Ausland
- 8.900 Interessierte versuchten sich 2023 an den Aufnahmetests der Bachelor-Studiengänge. 3.813 Plätze wurden vergeben, die meisten im Bereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
- Wirtschaft studieren, lässt sich nicht nur an der WU. Über 30 Optionen stehen Interessierten österreichweit offen, darunter öffentliche Unis in fünf Bundesländern, Privatunis, Fachhochschulen und Fernstudien
Weniger Studierende aufzunehmen ist keine Option?
Nein, weil die Finanzierung der Universitäten auf diesen Kennzahlen beruht. Das ist die Dauerdebatte mit dem Ministerium. Es wäre uns lieber, wenn wir weniger Studierende aufnehmen müssten, bei selber Finanzierung. So ähnlich wie weniger Arbeit bei selbem Lohn.
Nicht nur die Uni, auch der Campus feiert ein Jubiläum. Vor zehn Jahren wurde er eröffnet. Wo steht er heute?
Mit diesem Campus sind wir auf die Butterseite gefallen, weil es eine wesentliche Verbesserung war. Als ich nach Wien kam, bin ich noch ein halbes Semester drüben gesessen, in der Althanstraße. Es war kein schlechtes Büro, aber es war in vielerlei Hinsicht nicht modern. Man hatte keinen Kontakt zu anderen Personen, hat sich nur getroffen, wenn man sich verabredet hat. Das entspricht überhaupt nicht den modernen Arbeitsweisen.
Hat man sich schnell eingelebt? Nach Eröffnung schien es sehr still, unbelebt.
Ich glaube, dass die WU sehr dazu beigetragen hat, diesen Bereich des Bezirks aufzuwerten. Mittlerweile haben sich viele Firmen um uns herum niedergelassen, Wohnungen sind entstanden und wir beeindrucken auch internationale Gäste, die nicht glauben können, dass eine öffentlich finanzierte Universität so aussieht. Das Campusleben hat sich stark verbessert, die lokale Infrastruktur ist gewachsen. Bemerkenswert sind die Studierenden-Arbeitsplätze, insgesamt haben wir mehrere Tausend, das haben andere Universitäten nicht.
Es wäre uns lieber, wenn wir weniger Studierende aufnehmen müssten, bei selber Finanzierung
Wie hat sich das Wirtschaftsstudium im Vergleich zu Ihrer Studienzeit entwickelt?
Ich habe an der Universität in Innsbruck Volkswirtschaftslehre studiert. Zu meiner Zeit war es Usus, dass die Leute bis zu 18 Semester im Schnitt studiert haben. Das ist jetzt auf die Hälfte zurückgegangen. Es ist definitiv strukturierter, effizienter und besser geworden – auch stark zugunsten der Studierenden.
Der Arbeitsmarkt klagt, dass Berufseinsteiger nicht mehr viel leisten oder gar arbeiten wollen. Bei der WU wirbt man mit einem schnellen Berufseinstieg – sind Ihre Studierenden anders?
Das stimmt tatsächlich, unsere Studierenden haben überhaupt keine Job-Sorgen. Wir sorgen uns mehr, dass sie uns für das Berufsleben vor Studienabschluss verlassen. In Digitalisierungs- und Finanz-Fächern ist das ein Phänomen, auch in Jus zum Teil. Die Fächer haben eine enorme Nachfrage am Markt.
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Geht es Studierenden noch darum, bei den großen Namen wie McKinsey und Co. unterzukommen, oder sind kleine Unternehmen, wo schnell etwas bewegt werden kann, attraktiver?
Ich frage Studierende oft, warum sie bei uns studieren. Selten sagen sie, dass es ums Geldverdienen geht. Sie wollen Dinge verändern, Einblicke nehmen, haben alle möglichen Motivationen. Aber wir wissen schon, dass unsere Leute High-Player sind. Es ist fast sicher, wenn sie das Studium machen, dass es sich nicht nur für sie auszahlt, sondern auch für den Staat.
An der WU gab es heuer für alle Bachelor-Studiengänge Aufnahmeprüfungen. Um genügend Interesse braucht man sich also nicht sorgen, auch wenn Privatunis etc. das Angebot erweitern?
Es ist schon ein großer Trend, dass die Ausbildungswege mittlerweile sehr vielfältig geworden sind. Das merken wir und es fordert uns. Denn für eine gute Selektivität braucht man sehr viel mehr Interesse.
Würden Sie sagen, dass Aufnahmetests die Qualität der Studierenden heben?
Das ist unsere Erfahrung.
Die Wirtschaft ist turbulent, wir gehen von einer Krise in die nächste, Märkte sind unberechenbar geworden. Das kann man nicht lehren – oder etwa doch?
Ich möchte mit einem Vorurteil aufräumen, der Idee, dass Universitäten überkommenes Wissen vermitteln. Das stimmt einfach nicht. Der Wissenschaftsbetrieb ist wie der Kunstbereich. Da gibt es sehr viel Innovation und jeder will es besser machen als die anderen.
Sie sind für vier Jahre bestellt, streben Sie eine zweite Amtszeit an?
Das fragen Sie mich jetzt schon? Aus pragmatischen Gründen würde ich Ja sagen, weil vier Jahre zu kurz sind, um Dinge umzusetzen. In dieser Phase kann man auch nicht akademisch arbeiten oder unterrichten und man versenkt sozusagen vier Jahre einer akademischen Karriere. Das wäre ein hoher Preis.
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