Die ETH Zürich hat beinharte selektive Eingangshürden und Studiengeld.
Im internationalen Vergleich sind die Studiengebühren dort sehr gering. Die exzellenten Ergebnisse liegen in erster Linie an der sehr hohen öffentlichen Förderung.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Vor allem ein klares Bekenntnis zur Grundlagenforschung. Es wird oft auseinanderdividiert in „nützliche“ angewandte und nicht so nützliche Grundlagenforschung. Eine funktionierende Forschungslandschaft braucht beides. Corona ist übrigens ein Superbeispiel, wie angewandte und Grundlagenforschung zusammenhängen. Hätten wir sonst in einem Jahr einen Corona-Impfstoff gehabt ohne jahrzehntelange Grundlagenforschung? Nein! Für mich ist angewandte Forschung auch, wenn sich unsere Sozialwissenschaftler der Erforschung der Demokratie und entsprechenden Frühwarnsystemen widmen. Das ist momentan ja ein Riesenthema.
Was ist die Leistung der Uni Wien?
Sie liegt einerseits in exzellenter Forschung, andererseits in der Betreuung von sehr vielen Studierenden, die damit auch befähigt werden, einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Wer besser ausgebildet ist, zahlt mehr Steuern und Sozialabgaben, ist länger im Beruf aktiv. Leute mit einer akademischen Ausbildung bringen sich aber auch zivilgesellschaftlich demokratiestabilisierend ein. Das ist in diesen Zeiten kein geringer Beitrag. Und dafür brauchen wir auch größere Unterstützung.
Wenn es Geldmangel gibt, könnte man doch auch Institute zusammenlegen. Aber das ist bei den pragmatisierten kleinen Königreichen wohl eher schwierig, oder?
Natürlich kann man über Schwerpunktsetzungen nachdenken. Die Politik hat aber eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, in die Zukunft, also auch in die Universitäten zu investieren. Wenn man mit der jungen Generation redet, merkt man, wie unglaublich verzweifelt und blockiert viele aufgrund der multiplen Krisen sind. Wir müssen dieser Generation signalisieren: Es gibt Chancen, und es lohnt sich, die Ärmel aufzukrempeln.
Die Alten kämpfen aktiver um ihre Rechte. Ist es nicht logisch, dass die Politik auf jene hört, die mehr Krach machen?
Das window of opportunity, um etwas zu tun, geht immer weiter zu, weil der Anteil der Bevölkerung, der immer älter wird, ständig wächst. Wahlen gewinnt man auf dieser Seite. Andererseits verdrei- bis vervierfacht sich mittelfristig jeder Euro, den wir in die Unis investieren. Wenn die positive Dynamik der letzten Jahre, die Unis betreffend, abbricht, weil gespart werden muss, ist das ein schlechtes Signal für den Standort und gefährdet unseren Wohlstand.
Reden Sie mit der Regierung?
Natürlich. Während in Deutschland die Unis Ländersache sind, sind sie in Österreich Bundessache, aber mit hoher Länderlogik dahinter. Das ist kontraproduktiv, weil es damit nicht die Chance für eine nationale Forschungsstrategie gibt. Wir haben in Wahrheit zu viele Universitäten, und dann gründen wir eine neue in Linz?
Was braucht die Uni Wien?
Wir brauchen mehr Geld, weil wir strategische Investitionen getätigt haben. Ein Teil unseres Erfolgs liegt in hochkarätigen, internationalen Berufungen. Die muss ich aber auch halten können. Exzellenz gehört finanziert.
Wiens Med-Uni-Rektor Markus Müller sagt, dass die heimischen Unis wieder mehr exzellente Leute aus dem Ausland anziehen können. Warum sind Sie selbst gekommen?
Weil Wien das größte und eines der ältesten Institute für Kunstgeschichte mit einem sehr guten Ruf hat. Und weil die Stadt für mich als Kunsthistoriker extrem attraktiv ist mit all seinen Museen. Aber wir können uns umgekehrt nicht darauf verlassen, dass die Stadt Wien so anziehend ist, dass wir den Wissenschaftern kein anständiges Labor hinstellen und kein anständiges Gehalt zahlen können. Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort. Wenn man gute Fachkräfte will, muss man sie selbst vor Ort ausbilden.
Merken Sie Wissensmängel bei den Studienanfängern?
Ja. Vieles von dem, was ein Gymnasium früher mitgeliefert hat, ist heute nicht mehr automatisch der Fall. Das ist in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern besonders gravierend, weil wir tiefer ansetzen müssen.
Aber auch im Fach Deutsch nimmt man noch den Leserbrief durch, aber immer weniger Literatur.
Das hängt sehr von der jeweiligen Schule und dem Engagement des Lehrers oder der Lehrerin ab. Umso mehr müssen wir uns überlegen: wer will noch den Lehrberuf wählen? Was können wir durch die Ausbildung tun …
… die ja eigentlich verkürzt werden soll. Vernünftig?
Verkürzen allein ist keine Lösung, man muss über Inhalte reden. Wir brauchen bessere und besser motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Es entscheiden sich ja immer weniger Leute für dieses Studium. Unsere Studierenden stehen daher zum Teil viel zu früh – schon im dritten oder vierten Semester – in der Schule, oft in Fächern, die sie gar nicht studieren.
Gibt’s Vorschläge der Uni Wien?
Ja, dass man zum Beispiel in den Mangelfächern Lehrende zulässt, die wenigstens ein Fach fertig studiert haben.
Ist die Wissenschaftsskepsis durch die Pandemie noch einmal stärker geworden?
Mit dem Wort kann ich nicht viel anfangen. Wer skeptisch gegenüber der Wissenschaft ist, muss vor allem erst einmal verstehen, wie Wissenschaft funktioniert und was sie leistet. Daran arbeiten wir, das ist uns ein sehr wichtiges Anliegen.
Wie gehen die Unis mit Articifial Intelligence um?
Das wird das Leben jedes Einzelnen komplett umkrempeln und geht so schnell, dass gesellschaftliche Anpassungsprozesse hinterherhinken. Wir müssen AI produktiv in Lehre und Forschung integrieren. Es wird sicher eine Renaissance der mündlichen Prüfung geben. Vor allem aber müssen unsere Studierenden lernen, kritisch mit diesen neuen „Quellen“ umzugehen.
Was halten Sie denn von Plagiatsjäger Stefan Weber?Gar nichts, weil wir ein gutes Qualitätssicherungssystem haben. Natürlich wird es in einem so riesigen Wissenschaftsbetrieb auch Plagiate geben, aber als Hauptgeschäft ist es nicht einleuchtend.
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