MedAT und geplatzte Träume: Wenn der Karriereweg versperrt bleibt
Ping! Die eMail ist da. Man klickt nervös auf den Link. Monatelang hat man sich vorbereitet und dennoch: eine Absage. Die Testergebnisse haben für einen Studienplatz an der MedUni Wien (MUW) nicht gereicht. Eine große Enttäuschung, mit der jährlich Tausende Bewerber konfrontiert sind. Allein in diesem Jahr sind 5.851 Personen beim MedAT (Medizin-Aufnahmetest) in Wien angetreten.
Nur 680 von ihnen werden im kommenden Semester Humanmedizin studieren. Der Rest muss sich von dem Traum – zunächst – verabschieden. Eine Tatsache, die man erst verarbeiten muss und nicht gerne öffentlich teilt. Das bemerkt auch der KURIER auf der Suche nach Gesprächspartnern. Es sei ein unangenehmes Thema, sagen viele. Und: Man wolle sich nichts verscherzen. Einige sprachen trotzdem, aber nur anonym.
Manuel H.
„Bei meinem ersten Antritt, war ich wenig vorbereitet“, sagt Manuel H. Er wollte sehen, wie die Prüfung abläuft. In den zweiten Anritt steckte er jedoch viel Mühe und Lernzeit. Und scheiterte trotzdem. Vor Kurzem startete er ein berufsbegleitendes Studium in Bio-Engineering.
Seinen MUW-Traum gibt er nicht auf: „Die ein oder andere Träne ist geflossen, aber ich verliere nur ein Jahr, das vergeht schnell. Ich werde mich anders vorbereiten, noch besser, versteht sich. Damit es nächstes Jahr klappt.“ Dass es nur wenige Plätze gibt, sei eine Motivation, „wobei schade ist, dass wir einen so großen Ärztemangel haben und nicht mehr Plätze schaffen“.
„Es ist frustrierend, wenn man es knapp verpasst. Aber ich will meinen Traum nicht so einfach aufgeben“
Clarissa P.
„Ich habe mir in den ersten Tagen schwergetan, das Ergebnis zu akzeptieren“, sagt Clarissa P. Es war ihr zweiter Antritt und die Vorbereitung dauerte acht Monate. Die Prüfung an sich sei sinnvoll gestaltet, sagt sie, aber es brauche einen stärkeren Fokus auf die sozialen Kompetenzen und: „ein höheres Studienplatzkontingent, um unser Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten.“
Ihr steht nun offen, ob sie das Medizinstudium an einer Privatuni starten wird: „Meine Eltern ermöglichen mir das und ich weiß das sehr zu schätzen, obwohl ich natürlich lieber auf der MUW studieren würde.“ Der Ehrgeiz ist da, weshalb sie den MedAT wieder wagen wird: „Misserfolge bringen Erfahrung und es wäre schade, das nicht zu nutzen.“
- Österreichweit haben sich rund 15.400 Personen für 1.850 Studienplätze beworben. 760 Plätze werden heuer in der MedUni Wien angeboten. 680 in der Human- und 80 in der Zahnmedizin
- 86 Prozent der Humanmedizin-Studienplätze gehen an Bewerber aus Österreich. Das sind 583 Plätze. 68 Plätze gehen an Bewerber aus Deutschland
- Andere Optionen: In Österreich gibt es acht Universitäten, die ein Medizinstudium anbieten: Vier staatliche Unis (in Wien, Graz, Innsbruck, Linz) und vier private Universitäten, wie etwa die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg
Robert E.
Um 9 Uhr morgens saß Robert E. in der Messe Wien und blieb bis 16 Uhr: „Man verbringt den ganzen Tag dort“, sagt er. Es beginnt mit Fragen zu den einzelnen Fächern (Mathematik, Chemie, Biologie, Physik), gefolgt von Textverständnis-Aufgaben und einem kognitiven sowie emotionalen Teil. Das ersehnte Studium sei den Aufwand wert, denn „ich habe nichts anderes gefunden, bei dem ich mir vorstellen könnte, es mein ganzes Leben lang zu machen.“ Und der Arzt-Beruf mache Sinn: „Ich kann gut zuhören, spreche mehrere Sprachen und habe ruhige Hände.“
Für sein Ziel, die Chirurgie, nicht unerheblich. Heuer war sein erster Antritt und er wird es wieder versuchen: „Mit genug Übung wird die Prüfung machbar sein. Ich gebe zu, dass ich beim ersten Mal zu wenig Zeit investiert habe.“ Jetzt will er fleißiger sein, da es ein Spiel mit der Zeit ist: „Ich will nicht zu spät mit dem Studium anfangen. Zweimal probiere ich es auf jeden Fall noch. Aber ich will mir im Augenblick keine Gedanken übers Scheitern machen.“
„Ich habe nichts anderes gefunden, bei dem ich mir vorstellen könnte, es mein ganzes Leben lang zu machen“
Daniel K.
Mittlerweile studiert Daniel K. Umweltingenieurswissenschaften und genießt seine „jungen Jahre“. Es war aber nicht immer so: „Nach der Matura hatte ich keine Ahnung, was ich machen will und war somit froh über den Zivildienst.“ Durch einen Freund kam er auf die Berufsrettung Wien und entdeckte sein Interesse für die Medizin. Nach intensiven Monaten des Lernens merkte er, dass es ihn doch eher in die präklinische Medizin zieht: „Somit ist die Motivation, zu lernen, abgefallen und ich habe nur mehr sporadisch mit einer App gelernt.“ Das Prüfungsergebnis überraschte ihn somit wenig.
Aber: „Durch meine Arbeit habe ich mitbekommen, wie es in den Spitälern zugeht und wie überlastet das Gesundheitssystem ist. Dass der MedAT trotzdem so schwer gemacht wird, verstehe ich nicht.“ Wie Prüfungsfragen aussehen? Hier einige Beispiele: 10¯¹² hat welches Präfix? Wie bezeichnet man die DNS in Chloroplasten? Welches Wort versteckt sich in O A M N T? Besonders die Aufgaben zu sozialen Kompetenzen sind laut Daniel K. fraglich: „Da ist zu viel Interpretationsspielraum. Man kann es natürlich nicht allen ermöglichen, Medizin zu studieren, aber die Fragen zielen nur aufs Aussortieren ab.“
„Eine Absage bedeutet nicht, dass der Lebenstraum unerfüllbar ist“, sagt Tim Noldin, Co-Gründer von Coachfident.
Sein Tipp: Ein Karriereziel sollte nicht nur eine bestimmte Position sein: „Wie und wie viel will ich arbeiten? Wie stelle ich mich ein erfüllendes Leben vor?“ Wenn man sich diese Fragen stellt, wird klar, dass es mehrere Wege zum „Traumjob“ gibt. Für die Wartezeit bis zum nächsten Prüfungsantritt empfiehlt er Praktika: „Die machen sich auch im Lebenslauf gut.“
Emma I.
Emma I. kennt privat viele Ärzte und bekommt immer wieder erzählt, wie „schrecklich die Situation ist“. Um dem entgegenzusteuern, brauche es mehr Studienplätze und einen anders aufgebauten Test, sagt sie: „Nur weil man gut mit Figuren und Zahlen umgehen kann, heißt es noch lange nicht, dass die menschliche Komponente stimmt.“
Ein Jahr hat sie damit verbracht, für den MedAT zu lernen. Vom enttäuschenden Ergebnis lässt sie sich nicht runterziehen: „Hinfallen, Krone richten, weitergehen“, ist ihr Motto. Immerhin ist es ihr Traum, für „Ärzte ohne Grenzen“ zu arbeiten und den will sie nicht so schnell aufgeben, „auch wenn es Österreich einem leider sehr schwer macht“. Zwei Versuche gibt sie sich noch: „Danach würde ich mich im Ausland bewerben.“
„Es ist schade, dass wir einen so großen Ärztemangel haben und nicht mehr Plätze schaffen“
Kiara F.
„Ich möchte Menschen helfen. Außerdem bin ich naturwissenschaftlich begabt“, sagt Kiara F. zuversichtlich, obwohl es nicht ihr erster Antritt war: „Damals habe ich aber parallel etwas anderes studiert und ich arbeitete nebenbei.“ Ihr Eindruck von der Prüfung: „Man sitzt mit Tausenden Bewerbern in einem Raum, das macht was mit einem.“ Was ihr dabei aufgefallen ist: „Viele kommen aus Deutschland und fahren dann nach ihrem Abschluss wieder zurück. Das finde ich nicht fair.“
Laut Statistik Austria gehen tatsächlich 77 Prozent der deutschen Medizin-Absolventen binnen drei Jahren ins Ausland. Ein Grund, warum es im Humanmedizin-Studium eine „Österreicher-Quote“ gibt. Die Mindestvorgabe liegt bei 75 Prozent. Das heißt, dass ein Großteil der Studienplätze den besten Bewerbern mit österreichischem Maturazeugnis vorbehalten ist. Heuer gingen 86 Prozent der Studienplätze an Österreicher.
Dennoch überlegt Kiara F., ob sie ihren nächsten Antritt besser im Ausland wagen sollte: „Es spielt Glück mit und man gibt für die Vorbereitung viel Geld aus.“ Die Bücher und Kurse hätten sie mehr als 1.000 Euro gekostet. Umso frustrierender war das Ergebnis, „vor allem wenn man es knapp verpasst hat. Ich will meinen Traum aber nicht so einfach aufgeben.“
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