Russisches Gas: Kampf gegen die "Fehler der Vergangenheit"
Die Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket vorgestellt, um die Versorgung mit Erdgas zu sichern und die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Erdgas deckt ein Fünftel des gesamten Energieverbrauches in Österreich ab – und es kommt zum allergrößten Teil vom russischen Staatskonzern Gazprom.
Bis jetzt liefert dieser zwar vertragsgemäß, allerdings gilt Putins Russland nicht mehr als zuverlässiger Handelspartner. Kurzfristig ist aber weder ausreichend Gas am Weltmarkt verfügbar, um russisches Gas europaweit zu ersetzen, noch gibt es auf anderen Routen ausreichende Infrastruktur für den Transport. Man könne "die Fehler der Vergangenheit nicht schnell ungeschehen machen", sagte am Mittwoch die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Heute, Donnerstag, soll eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes im Parlament eingebracht werden.
Wie viel Gas verbraucht Österreich?
Vergangenes Jahr hat Österreich 96,3 Terawattstunden (TWh) Gas verbraucht. Eine Terawattstunde ist eine Milliarde Kilowattstunden. Eine Kilowattstunde ist die Menge Energie, die ein Gerät mit 1.000 Watt (1 kW) Leistung in einer Stunde verbraucht. Ein Drei-Personen-Haushalt mit 100 m2 Wohnfläche verbraucht jährlich etwa 16.000 bis 19.000 kWh Gas. Die österreichischen Gasspeicher fassen mit 95,5 TWh etwa einen Jahresbedarf.
Wer ist für die Einspeicherung zuständig?
Die Gasspeicher werden von privatwirtschaftlichen Unternehmen betrieben (siehe Grafik). Diese müssen über das gesamte Jahr genug Gas einkaufen, um ihre Lieferverträge zu erfüllen. Typischerweise steigen die Pegel im Sommer und fallen im Winter, wenn mehr Gas verbraucht wird. Den tiefsten Wert erreichen sie für gewöhnlich am Ende der Heizsaison.
Kann der Staat die Unternehmen zum Auffüllen zwingen?
Bisher war das nicht der Fall. Nun will die Regierung aber sichergehen, dass die Speicher bis zum Winter zu mindestens 80 Prozent gefüllt werden. Dabei soll das Prinzip „use it or lose it“ gelten. Wenn ein Unternehmen seine Speicher nicht befüllt, sollen die Kapazitäten anderen zur Verfügung gestellt werden. Das betrifft vor allem die Speicherkapazitäten der Gazprom-Tochter GSA in Österreich. Energieversorger können künftig beauftragt werden, Gas einzuspeichern. Sie erhalten dafür gegebenenfalls eine Abgeltung.
Legt der Staat auch Gasreserven an?
Ja. Bisher war die Einlagerung von 12,6 TWh Gas auf Kosten des Budgets vorgesehen. Diese strategische Reserve wird nun um 7,4 TWh auf 20 TWh aufgestockt. Das entspricht etwa dem Bedarf von 2 Wintermonaten. Die dafür nötigen zusätzlichen Lieferungen sollen nicht aus Russland bezogen werden. Woher das Gas konkret kommen soll, ist noch unklar. Möglich wären zusätzliche Bezüge aus Norwegen über das deutsche Pipelinenetz, oder als Flüssiggas (LNG), etwa über den Hafen Triest. Dadurch soll die Abhängigkeit von russischem Gas von 80 auf 70 Prozent sinken.
Welche Rolle spielt der Speicher Haidach?
Der unterirdische Speicher in Haidach ist der zweitgrößte Gasspeicher Mitteleuropas. Über zwei Drittel der Kapazitäten verfügt die Gazprom-Tochter GSA, die sie aber nicht auffüllt (siehe oben). Ein Drittel kontrolliert Astora, eine Tochterfirma der Gazprom Germania. Da diese unter Aufsicht der deutschen Bundesnetzagentur gestellt wurde, wird hier auch eingespeichert. Der Speicher Haidach ist vor allem für Süddeutschland wichtig, allerdings hängen auch Tirol und Vorarlberg am deutschen Gasnetz. Nun soll der Speicher besser in die österreichische Gasinfrastruktur eingebunden werden. Ein direkter Anschluss wäre laut der Betreiberfirma RAG noch heuer möglich.
Warum sind die Gazprom-Speicher leer?
Gazprom hat bereits im Herbst relativ wenig Gas in den Westen gepumpt und den Markt vermehrt aus seinen europäischen Speichern bedient. Mit dem Sinken der durchschnittlichen Pegelstände stiegen in Europa die Preise. Das wurde weitgehend als Druckmittel auf die Zulassung der Ostseepipeline Nord Stream 2 verstanden. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine legte Deutschland das Zulassungsverfahren auf Eis.
Was ist die Rolle der Industrie?
Private Unternehmen sind selbst für den Einkauf ihrer Ressourcen zuständig. Die Industrie ist mit einem Anteil von etwa 40 Prozent der größte Verbraucher im Land. Die Regierung will die Großabnehmer deswegen dazu bringen, selbst möglich viel Gas einzuspeichern.
Was passiert, wenn das Gas knapp wird?
Wenn die Gasreserven knapp werden, greift das Energielenkungsgesetz. Der Staat kann dann im äußersten Fall private Reserven beschlagnahmen, um die Versorgung von Haushalten und der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten. Die Unternehmen werden dafür gegebenenfalls finanziell entschädigt – sie werden also nicht, wie befürchtet, enteignet.
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