Impfstoff-Produktion in Tirol: "Probeläufe starten sehr bald"
Der Pharmakonzern Novartis gab in der Vorwoche überraschend bekannt, noch vor dem Sommer im Tiroler Kundl mit der Herstellung des Wirkstoffes für den Corona-Impfstoffkandidaten von CureVac zu beginnen. Dem KURIER verriet Österreich-Chef Michael Kocher, warum er so rasch produzieren kann, was Österreich davon hat und weshalb er mit der heimischen Gesundheitspolitik hadert.
KURIER: Laut Experten dauert es viele Monate, eine Impfstoff-Produktion aufzuziehen. Sie wollen damit noch vor dem Sommer starten. Wie schaffen sie das?
Michael Kocher: Stimmt, normalerweise dauert es nicht Monate, sondern Jahre, eine neue Impfstoff-Produktion aufzuziehen. Aber wir haben schon im Vorjahr damit begonnen, die Plasmid-DNA-Produktion in Kundl zu implementieren und sind deshalb in der glücklichen Lage, sowohl die mRNA (Nukleinsäure, Anm.) als auch den vorformulierten Wirkstoff produzieren zu können. Die Vorbereitungen sind im Gange, die ersten Probeläufe werden sehr bald starten.
Der Vertrag mit CureVac gilt vorbehaltlich einer verbindlichen Vereinbarung. Was heißt das konkret?
Tut mir leid, zu Vertragsdetails darf ich nichts sagen.
Hängt der Vertrag an der noch offenen Zulassung des CureVac-Impfstoffes?
Es stimmt, die Zulassung für den Impfstoff wird erst im zweiten Quartal erwartet, aber ich kann nicht bestätigen, dass dies in Zusammenhang mit der Vereinbarung steht.
Wie viele Mitarbeiter benötigen Sie zusätzlich und wo nehmen Sie diese so schnell her?
Wir brauchen 100 zusätzliche Mitarbeiter und können hier auf einen Pool zugreifen.
Wird exklusiv für CureVac gefertigt oder können auch andere Hersteller wie Pfizer/Biontech noch hinzukommen?
Wir produzieren in der Schweiz für Pfizer/Biontech. Als Novartis können wir uns grundsätzlich vorstellen, auch für andere Hersteller tätig zu sein.
Werden solche Pharma-Kooperationen von der Politik eingefädelt oder sind das Konzernentscheidungen?
Das sind ausschließlich Konzernentscheidungen. Wir tauschen uns natürlich mit der Politik, etwa mit der EU-Kommission regelmäßig aus, agieren aber zu 100 Prozent unabhängig.
Wird es noch mehr solcher Pharma-Allianzen geben?
Davon gehe ich aus. In der Pandemie-Bekämpfung sind solche Allianzen sehr hilfreich. Auch wenn jetzt über die schleppende Impfstoff-Verfügbarkeit geschimpft wird. Vor einem Jahr hätte es niemand für möglich gehalten, dass wir jetzt schon Impfstoff haben.
Novartis hat sein Impfstoffgeschäft ja verkauft. War das im Nachhinein gesehen ein Fehler?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben uns auf innovative Medikamente und Therapien fokussiert.
Wann wird es ein Medikament gegen Covid-19 geben?
Es gibt derzeit einige Pharmafirmen, die hier ihre Anstrengungen hinlegen. Da wird es in nicht allzu ferner Zukunft große Fortschritte geben, da bin ich mir sicher.
Die Politik wünscht sich mehr Pharma-Produktion in Österreich und Europa. Was muss dafür getan werden?
Um Österreich als LifeScience-Standort zu etablieren, muss man mehr Anreize auch für die Forschung und Entwicklung schaffen. So könnte man die Forschungsprämie von derzeit 14 Prozent in Richtung 20 Prozent erhöhen...
Man könnte die Forschungsprämie von derzeit 14 Prozent in Richtung 20 Prozent erhöhen...
... aber wie kann die Produktion zurückgeholt werden?
Großes Thema sind die Erstattung und die Preisanpassung bei neuen Therapien. Bei Generika stehen wir zudem in intensivem Wettbewerb mit Firmen aus China oder Indien, die großen Preisdruck ausüben. Da ist es sehr schwer, überhaupt noch wettbewerbsfähig zu sein. Dazu kommt noch der ausgeprägte Föderalismus, der den Patienten den Zugang zu innovativen Therapien verwehrt. So gibt es etwa eine neue Therapie gegen eine Netzhauterkrankung derzeit nur in der Uni-Klinik in Innsbruck, aber nicht bei den niedergelassenen Ärzten. Das ist ein Hinderungsgrund für künftige Produktionen.
Novartis Österreich
Die Tiroler Novartis-Standorte Kundl/Schaftenau mit der Generika-Sparte Sandoz beschäftigen 4.000 Mitarbeiter, davon 900 in der Forschung. Der gebürtige Deutsche Michael Kocher ist seit 2018 „Country President“ von Novartis Österreich
Curevac-Deal
Bis Ende 2022 soll in Kundl die mRNA und der vorformulierte Wirkstoff für 250 Mio. Impfstoffdosen hergestellt und an Curevac geliefert werden. Die Zulassung des Impfstoffes wird für April erwartet, die Produktion soll im zweiten Quartal starten
Die Politik geht davon aus, dass die Impfstoffe und Antibiotika, die in Österreich produziert werden, auch für Österreich produziert werden. Ist das so?
Auf die Verteilung der Impfstoffe von CureVac haben wir keinerlei Einfluss. Die Kundl-Antibiotika werden natürlich auch für Österreich produziert. Wir erreichen allein mit dem Generika-Portfolio vier Millionen Menschen, da sind auch Antibiotika darunter. Müssten wir nur für Österreich produzieren, würde eine Garage und eine kleine Mini-Anlage ausreichen.
Lokale Produktionen machen also wenig Sinn?
Nein, das ist für mich die total verkehrte Diskussion. Die Pharmahersteller müssen Impfstoffe für den globalen Markt produzieren. Man sollte den Fokus lieber auf die Verteilung und Distribution des Impfstoffes legen. Ob dieser jetzt in Spanien, Schweden oder Österreich produziert wird, ist unerheblich.
Für den Erhalt der Penicillin-Produktion in Kundl versprach die Regierung eine Förderung von 50 Millionen Euro. Wie geht es weiter?
Wir haben die Zusage einer Förderung, die sich über einen Zeitrahmen von vier bis fünf Jahren streckt. Das ist einmal ein Commitment der österreichischen Regierung, aber die EU spielt da auch eine entscheidende Rolle. Das ist ein langer, komplexer Prozess und es kann niemand sagen, dass das dann zu 100 Prozent passiert. Da ist noch ein langer Weg zu gehen. Wir investieren insgesamt 200 Mio. Euro in die Penicillin-Produktion. Und es gibt ein ganz klares Commitment zur Penicillin-Produktion in Kundl.
Kommentare