"Hatten falsche Idee von der EU"

"Hatten falsche Idee von der EU"
Zyprioten sehen auch Auswanderung als Ausweg aus der Krise.

„Wir Zyprioten hatten eine falsche Idee von der EU. Jetzt wissen wir, dass es ein Club ist, nach dessen Regeln du spielen musst, wenn du einmal drin bist“, sagt Panayiotis Daes. Der 54-jährige gebürtige Grieche, der im Sales Management eines Bauunternehmens arbeitet, ärgert sich, dass die EU „unbedingt das russische Kapital hinauswerfen wollte. Man kann doch nicht sagen, das ist alles Schwarzgeld und damit alle Russen zu Verbrechern stempeln.“

Keiner habe den Zyprioten geholfen, als sie durch den „Haircut“ bei griechischen Anleihen fünf Milliarden Euro verloren haben. „Und jetzt wollen die Deutschen uns so zurechtstutzen, wie sie meinen, dass die europäische Wirtschaft aussehen soll. Aber wir sind nun mal verschieden“, schreit Panayiotis Daes jetzt schon fast.

Geärgert hat Daes auch der schwedische Finanzminister Anders Borg, der festgestellt hatte: „In Zypern gab es nur Banken und Strände. Jetzt, da der Finanzsektor am Ende ist, gibt es nur noch Strände.“ Das sei doch unglaublich, rollt der Grieche mit seinen Augen. Zum einen verfüge die Mittelmeerinsel über jahrtausendealte Kulturstätten – und zum anderen: „Was ist denn so schlecht daran? Hat sich nicht jedes Land sein Geschäftsmodell gesucht? Und gibt es denn in der EU nicht auch andere, die sehr gut vom Finanzsektor leben? Natürlich. Und warum dürfen wir das nicht?“ Das ist eine Frage, die in Nikosia immer wieder anderen Europäern gestellt wird.

Die Qual der Wahl

Knapp eine Woche nach der langen Verhandlungsnacht zwischen Zypern, EU, EZB und Währungsfonds erregt kein anderes Thema die Gemüter der Zyprioten so sehr wie die harten Bedingungen für ihr Hilfspaket. Und fast immer wird die Verantwortung dafür Deutschland zugewiesen. „Wir haben Pech, dass in ein paar Monaten in Deutschland Wahlen sind. Sonst wäre Angela Merkel nicht so gnadenlos gewesen“, meint eine junge Journalistin. „Aber wir haben auch Fehler gemacht. Jetzt muss geklärt werden, wie wir überhaupt erst so weit gekommen sind“, sagt die 34-Jährige.

Es habe so viele Fehler gegeben. „Eine der vielen Dummheiten der Zentralbank war, die Filialen der zypriotischen Banken in Großbritannien und Russland – im Gegensatz zu den Banken auf der Insel – offen zu lassen.“ Dadurch seien Hunderte Millionen Euro verschwunden. Welche Konsequenzen die Krise für sie persönlich haben wird? „Diesen Monat bekomme ich kein Gehalt, das weiß ich schon. Alles weitere kann ich noch nicht abschätzen, aber da ich keine Kinder habe, werde ich über die Runden kommen.“ Dann schweift ihr Blick in die Ferne und leise setzt die hübsche Frau nach: „Und angesichts der harten Zeiten, die auf uns zukommen, werde ich wohl auch keine Kinder bekommen.“

Zelte abbauen

Agni hat hingegen drei Kinder. Sie waren bei der großen Demo in Nikosia dabei, bei der Tausende Schüler skandierten, dass man ihnen ihre Zukunft stehle. Mit Blick auf die Teenager, die beim Esstisch sitzen, flüstert ihre Mutter: „Meine Kinder wissen es noch nicht, aber ich überlege wirklich, meine Zelte hier abzubauen. Man erwartet von dieser und der nächsten Generation, dass sie dieses Land wieder aufbauen.“ Die Endvierzigerin, die ihre Kinder allein großzieht, dreht sich mit Tränen in den Augen weg.Mit dem Gedanken, Zypern zu verlassen, spielen auch bereits „Gastarbeiter“ wie etwa der Südafrikaner Savvas, der seit neun Jahren auf der Mittelmeerinsel lebt. „Der Traum vom Glück, vom großen Geld – er ist vorbei. Zypern hat ausgespielt.“ Der Mittdreißiger will jetzt sein Glück auf einer anderen Insel – in Großbritannien – versuchen.

Auch eine junge Rumänin, eine studierte Biologin, die heute noch in Nikosia kellnert, denkt an die Heimkehr. „Aber ich warte noch ab. In Rumänien würde ich nicht einmal ein Drittel meines Gehaltes hier verdienen. Vielleicht versuche ich es in Deutschland.“

Finanzminister Michalis Sarris teilte am Samstag die Modalitäten für die Rettung von Zyperns größter Bank mit. Alle Einlagen über 100.000 Euro sollen mit einer Abgabe von 37,5 Prozent belegt werden. Zusätzlich werde sich die Regierung 22,5 Prozent der Großkunden einbehalten. Dieses Geld soll nur dann benützt werden, wenn noch weitere Millionen zur Rettung der Bank notwendig sind, erklärte der Minister im TV. Vermögende Kunden könnten also um 60 Prozent ihrer Einlagen umfallen. Die restlichen 40 Prozent würden weiter verzinst. Sie werden aber erst ausbezahlt, wenn sich die Lage der Bank verbessert hat.

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