Big Brother im Handel: So werden Kunden in Geschäften überwacht
Dass es für Unternehmen von Vorteil ist, möglichst viel über die eigenen Kunden zu wissen, ist nicht neu. Über Cookies und andere Websitedaten kann online relativ gut nachverfolgt werden, wofür sich Internetnutzer interessieren, was sie sich ansehen und was sie kaufen.
Doch nicht nur im Netz folgen Firmen den Spuren ihrer potenziellen Kunden. Auch im stationären Handel versuchen Handelsunternehmen heute möglichst viele Informationen über ihre Kundschaft zu sammeln, um ihren Umsatz zu stärken.
Bewegungsmuster der Kunden werden analysiert
Die einfachste Möglichkeit dafür ist die sogenannte Frequenzmessung. Hierfür kommen Lichtschranken und Sensoren beim Eingang oder innerhalb eines Geschäftes zum Einsatz.
"Ich kann einen ganzen Laden damit ausstatten und messen, wie sich die Menschen darin bewegen und wo sie sich wie lange aufhalten", erklärt Oliver Nitz, Marketingchef der Agentur DMS, im Gespräch mit dem KURIER.
DMS bietet diese Technologie für Handelsunternehmen an. Etwa wenn eine Lebensmitteleinzelhandelskette anhand solcher Bewegungsmuster und Daten über die Warenkörbe seiner Kunden ein neues Layout für eine Supermarktfiliale entwickeln möchte.
Alter und Geschlecht werden gescannt
Während hierzulande durch die Frequenzmessung nur die Anzahl und Bewegung der Kunden gemessen wird, geht die Analyse der Kunden in anderen europäischen Ländern weiter.
In den Niederlanden, in der Schweiz und in Deutschland etwa nutzen einige Unternehmen moderne Kameratechniken, die jeden Kunden scannen, um mittels moderner Technologie das Alter und Geschlecht festzustellen. Auf diese Art können Unternehmen ihre Zielgruppe besser eingrenzen und das Sortiment daran anpassen.
Doch nicht nur das: In Geschäften, die mit Bildschirmen anstatt klassischen Plakaten ausgestattet sind, kann die dort gezeigte Werbung in Echtzeit auf die aktuelle Situation und Kundschaft angepasst werden.
So wird dort etwa nur Damenkleidung gezeigt, wenn sich hauptsächlich Frauen im Laden aufhalten oder Werbung für Regenschirme eingeblendet, wenn es draußen plötzlich zu regnen beginnt.
GPS-Daten werden getrackt
Aber nicht nur im Geschäftslokal können Handelsunternehmen ihre Kunden tracken. Über die GPS-Daten des Smartphones kann nachvollzogen werden, wo sich Personen, die in einem Laden einkaufen, davor waren und wo sie danach hingehen.
So kann auch der Wohnort des durchschnittlichen Kunden eines Geschäftes festgestellt werden. Kombiniert mit sozioökonomischen Daten, wie etwa von der Gesellschaft für Konsumforschung, können Agenturen so das durchschnittliche Haushaltseinkommen und die Kaufkraft analysieren.
Diese Analysemethode wird auch in Österreich angewendet. Das Unternehmen Placesense, das mit DMS zusammenarbeitet, kauft etwa die GPS-Daten von App-Betreibern, die nach Zustimmung durch ihre Nutzer deren Standortdaten erfassen.
Gratis-Apps sammeln Daten
Die meisten davon sind Gratis-Apps, die sich über den Verkauf dieser Daten finanzieren. Die Smartphonehersteller Apple, Samsung und Google selbst geben auf KURIER-Nachfrage an, keine Daten ihrer Nutzer zu erfassen, um sie für Marketingzwecke zu verkaufen.
"Wir verstehen sehr genau, wer die Menschen sind, die in einem Geschäft einkaufen, wie kaufkräftig sie sind oder welcher Altersgruppe sie angehören", sagt Jan Barenhoff, DACH-Leiter bei Placesense, dem KURIER.
Er betont, dass es sich bei den Daten, die Placesense von den App-Betreibern erhält, "immer um statistisch aggregierte Informationen handelt und kein Rückschluss auf Individuen möglich ist".
Datenschützer sind skeptisch
Datenschutzrechtlich sind diese Analysemethoden nicht unumstritten. Die reine Frequenzmessung stuft Martin Baumann von der Datenschutzorganisation Noyb als unproblematisch ein.
Das Sammeln und Analysieren von GPS-Daten für Marketingzwecke nennt der Jurist "höchst problematisch", jedoch sieht er das Problem auch bei den App-Betreibern. "Ich sehe hier bereits die Datenherkunft sehr kritisch", sagt Baumann dem KURIER.
"Auch wenn die Daten am Ende anonymisiert werden, wurden sie zuvor mit Personenbezug verarbeitet. Das Unternehmen, das diese Daten sammelt, kann die Bewegungsströme von einzelnen Leuten auswerten und das ist heikel", so Baumann weiter.
Jakob Kalina, Datenschutzexperte bei der Arbeiterkammer Wien, zieht den Vergleich der Analysemethoden mit Cookies im Netz.
"Man kann diese Analysemethoden mit Cookies vergleichen, wobei es rechtlich einen Unterschied gibt. Im Netz ist die betroffene Person sogar im Vorteil, weil sie die Auswahl hat, nur technisch notwendige Cookies zuzulassen", sagt Kalina dem KURIER.
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