Gasversorgung: Zwischen Lenkung und Enteignung
Morgen, Mittwoch, trifft Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Sozialpartner, um über die Versorgungssicherheit bei Erdgas zu sprechen. Insbesondere für Wirtschaftsvertreter kommt dieser Termin reichlich spät.
Kein Wunder. Bedenkt man, dass gut 40 Prozent des landesweiten Gasverbrauchs in die Industrie gehen. Ein Lieferstopp hätte insbesondere in energieintensiven Branchen wie etwa der Papier-, Zement oder Stahlindustrie weitreichende Konsequenzen. Aus dem Ministerium heißt es, dass an Lösungen gearbeitet werde – was das aber konkret heißt, womit die Unternehmen also planen müssen, ist nicht bekannt. Der dreistufige Notfallplan dazu ist nämlich vage (der KURIER berichtete).
Die rechtliche Grundlage für ein Einschreiten des Staates in den liberalisierten Energiemarkt ist das Energielenkungsgesetz. Darin ist geregelt, dass im Falle einer Knappheit private Verbraucher und die kritische Infrastruktur, also etwa Spitäler, bevorzugt versorgt werden. Unternehmen zählen nicht zu diesen staatlich geschützten Verbrauchern. Das Ministerium kann und darf also nicht für sie „Gas einkaufen gehen“, sondern die Unternehmen sind für ihre Energieversorgung selbst zuständig.
Mindest-Füllstände
Trotzdem kann ihnen nicht egal sein, was die Politik plant: Denn, wenn der Energielenkungsfall eintritt, könnte die Regierung auf das privatwirtschaftlich eingespeicherte Gas zugreifen. Das könnte dazu führen, dass Unternehmen über den Sommer teuer Gas einspeichern und dieses dann im Winter beschlagnahmt wird. Wirtschaftsvertreter fordern, dass es in diesem Fall zumindest eine finanzielle Kompensation geben müsse. Auch das ist bisher nicht geregelt.
Bereits beschlossen ist die Schaffung einer strategischen Gasreserve. Diese umfasst mit 12,5 Terawattstunden (TWh) den Verbrauch eines kalten Wintermonats. Zum Vergleich: Die strategische Reserve beim Erdöl deckt 90 Tage ab. Die Regelung kann also nicht garantieren, dass über den Sommer ausreichend Gas für den Winter eingespeichert wird.
Eine Studie des Brüsseler Think Tanks Bruegel kommt zu dem Schluss, dass in Anbetracht der hohen Gaspreise staatliche Eingriffe notwendig sein werden, damit ausreichend Gas eingelagert wird. Ein Vorschlag der EU-Kommission sieht Mindestfüllmengen für Gasspeicher vor, wie dies etwa in Italien oder Frankreich bereits der Fall ist.
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