Freizeitforscher: „Corona verstärkt Trend zum Urlaub zuhause“
Von Edgar Subak
Die Pandemie hat den Tourismus empfindlich getroffen. Mit den Öffnungen hat es ein wirtschaftliches Aufatmen gegeben. Kann man heute bereits von einer Erholung sprechen?
Die jubelnden Meldungen im Sinne von alles geht bergauf, kann ich nicht ganz teilen. Vieles ist noch ungewiss. Wir wissen nicht, wie die Saison letztlich verlaufen wird. Die sich ändernden Ein- und Ausreisebestimmungen verunsichern die Urlauber nach wie vor. Eine Verbesserung im Vergleich zu 2020 gibt es. Die Bilanz der Sommersaison wird aber im Oktober gezogen und eine wirklich nachhaltige Verbesserung ist aus meiner Sicht nicht zu erwarten.
Vor allem ist zu beachten: Auf die Wirtschaft kommt der nächste Winter womöglich mit einer vierten Welle und allen möglichen Ankündigungen zu. Das könnte sehr schlecht laufen.
Wie hat sich die Corona-Krise auf die Branche im Vergleich zu anderen Sparten ausgewirkt?
Im Tourismus und der Freizeitwirtschaft hat die Pandemie den größten Schaden in der Wirtschaft angerichtet.
Die Arbeitswelt im Büro oder in der Produktion hat es sich ja im Großen und Ganzen richten können. Die Entwicklung war interessant zu beobachten: Die Bedingungen in der Arbeitswelt wurden liberal und nachvollziehbar gestaltet.
Die Restriktionen im Bereich des Freizeit- und Tourismussektors haben hingegen einen starken Einbruch zur Folge gehabt.
Hat die Regierung ihrer Ansicht nach genug für den Tourismus getan?
Ja. Die wirtschaftlichen Hilfen waren wichtig. Man hat vielen Betrieben mittelfristig das Überleben ermöglicht. Bei vielen Kleinbetrieben, die stark betroffen waren, muss man aber noch abwarten, wer die Entwicklung überlebt. Das ist noch offen. Die fälligen Zahlungen, die Kreditrückzahlungen, die gestundeten Beiträge werden sich ja erst auswirken.
Braucht es bei staatlichen Corona-Maßnahmen mehr Rücksicht auf den Tourismus?
Maßnahmen sollen mit betroffenen Sektoren diskutiert werden. Besonders die Freizeit- und Tourismuswirtschaft hat nach 17 Monaten Pandemie schmerzhaft lernen müssen, dass Lockdowns nicht der Weisheit letzter Schluss sein können. Daher braucht es in Zukunft mehr Abstimmung. Auch auf EU-Ebene könnten einheitlichere Vorgangsweisen überlegt werden.
Wird sich die Pandemie dauerhaft auf die Art, wie wir reisen, auswirken?
Solange die Pandemie andauert, wird auch das Reisen davon betroffen sein. Auswirkungen werden davon abhängen, ob wir in den nächsten Jahren weiterhin testen. Wenn (im Ausland teure, Anm.) PCR-Tests zum Standard werden, wird Unsicherheit den Urlaub mitbestimmen. Solange Testen notwendig bleibt, wird es in der Reisebranche grundlegende Veränderungen geben. Kleine Sieger zeitigt diese Entwicklung aber auch.
Kleine Sieger?
Österreich ist - wenn man von den internationalen Nächtigungen absieht – so ein „kleiner“ Gewinner der großen Krisen. Alternativen zur Auslandsreise werden gesucht. Der Urlaub in Österreich oder im eigenen Wohnort etwa war immer schon so eine Alternative.
Es gibt bereits viele, die ihren Urlaub bewusst zuhause verbringen. Der Urlaub in der eigenen Stadt oder Region ist ein Trend, der seit zehn Jahren zu beobachten ist. Das hat sich seit Corona verstärkt. Momentan ist das auch die einzig wirklich verlässliche Art, Urlaub zu planen. Davon könnte Österreichs Wirtschaft zunehmend profitieren. Aber man muss bedenken: Das ist nicht die Bedürfnislage der Menschen. Die meisten Menschen wollen verreisen wie 2019.
Massentourismus, die überfüllten Straßen und verdreckten Kanäle in Venedig, oder die hohe CO2-Bilanz der unzähligen Urlaubsflüge hat es in der Pandemie nicht gegeben. Welche Möglichkeiten gibt es für jene, die nicht mehr dorthin zurückkehren wollen und umweltschonender reisen möchten?
Im Grunde ist es nur eine Wahl des Verkehrsmittels und der Urlaubsdestination. Corona war jedenfalls ein Verstärker, was Umweltbewusstsein im Tourismus angeht. Umweltbewusstes Reisen ist für rund 20 Prozent der Urlauber heute schon ein Thema und diese Gruppe wächst täglich. Aber: Es ist immer noch eine Minderheit. Bis die Mehrheit umweltbewusst wird, dauert es aber. Nach Corona könnte es aber auch sein, dass sich diese Entwicklung verlangsamt. Nach dem Motto: einfach raus, jetzt flieg ich wieder.
Urlaub ist nach Weihnachten emotional die wichtigste Zeit im Jahr. Da spielt die Vernunft weniger eine Rolle als die Emotion. Meist ist der Wunsch der Vater des Gedankens.
Zur Person
Prof. Mag. Peter Zellmann (72) leitet seit 1987 das Institut für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT). Er studierte an der Universität Wien Psychologie und Pädagogik. Als Lehrbeauftragter war er unter anderem an der Wirtschaftsuniversität Wien, Universität Potsdam und der Hochschule Bremen tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Freizeit- und Tourismuspolitik, im Freizeitverhalten und in der Sportentwicklung.
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