Neues EuGH-Urteil im Diesel-Skandal

Innenleben eines Mercedes-E-Autos
Wer ein Auto mit unzulässiger Abgastechnik hat, kann künftig leichter Schadenersatz verlangen als bisher.

"Diese Entscheidung des EuGH wird weitere Massenklagen gegen Diesel-Hersteller auslösen", sagt Konsumentenschützer Peter Kolba. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) senkt nämlich die Hürden für Schadenersatz-Klagen von Diesel-Fahrzeug-Käufern bei unzulässiger Abgastechnik. Die Autobauer könnten auch dann haften, wenn sie ohne Betrugsabsicht einfach nur fahrlässig gehandelt hätten, urteilten die Luxemburger Richter am Dienstag in einem Mercedes-Fall.

Das wird große Auswirkungen auf die deutsche und österreichische Rechtsprechung haben. Denn beim Bundesgerichtshof (BGH) hatten Klägerinnen und Kläger bisher nur dann eine Chance auf Schadenersatz, wenn sie vom Hersteller bewusst und gewollt auf sittenwidrige Weise getäuscht wurden. Diese strengen Kriterien waren nur beim VW-Skandalmotor EA189 erfüllt. Dem EuGH genügt nun fahrlässiges Handeln - was sich leichter nachweisen lässt.

Die Richter in Deutschland und Österreich müssen diese Vorgaben nun umsetzen. Um das EuGH-Urteil abzuwarten, hatten Gerichte aller Instanzen massenhaft Diesel-Verfahren auf Eis gelegt, bei denen es auf diese Frage ankommt. Allein beim BGH sind im Moment mehr als 1.900 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden anhängig, die deutliche Mehrzahl war wegen des EuGH-Verfahrens erst einmal zurückgestellt worden.

Der „Dieselsenat“ des BGH hat für den 8. Mai bereits eine Verhandlung terminiert, in der er die sich „möglicherweise ergebenden Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht“ erörtern will, um den unteren Instanzen möglichst schnell Leitlinien an die Hand zu geben. Denn mit dem EuGH-Urteil sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Offen ist zum Beispiel, wie viel Geld betroffenen Autokäufern zusteht.

Hintergrund des Verfahrens war eine Schadenersatz-Klage aus Deutschland gegen Mercedes-Benz wegen eines sogenannten Thermofensters. Thermofenster sind Teil der Motorensteuerung, die bei kühleren Temperaturen die Abgasreinigung drosseln. Autohersteller argumentieren, das sei notwendig, um den Motor zu schützen. Umweltorganisationen sehen darin hingegen ein Instrument, das dabei hilft, die Emissionen von Autos unter Testbedingungen kleiner erscheinen zu lassen, als sie es im realen Straßenverkehr sind. Der EuGH erachtet diese Thermofenster nur in ganz engen Grenzen als zulässig.
 

Bei Fahrlässigkeit des Herstellers Anspruch auf Schadenersatz

Thermofenster wurden auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt. Da sich das EuGH-Urteil auf unzulässige Abschalteinrichtungen allgemein bezieht, könnte es auch auf andere Funktionalitäten in der Abgastechnik von Diesel-Autos übertragbar sein, die derzeit von Gerichten unter die Lupe genommen werden.

„Es bedarf daher nicht - wie beim Motor EA 189 von VW - einer arglistigen Irreführung von Behörden oder Käufern um Schadenersatz zu bekommen. Vielmehr kann man auch bei Fahrlässigkeit des Herstellers diesen auf Schadenersatz in Anspruch nehmen,“ sagt Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines (VSV). „In einem solchen Fall von fahrlässiger Schädigung verjähren Ansprüche nach österreichischem Recht nicht wie bei Arglist binnen 30 Jahren, sondern bereits binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Also in der Regel wohl ab heute in drei Jahren.“

Weiters hat der EuGH auch festgehalten, dass der vom nationalen Richter festgesetzte Ersatz in Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes dem erlittenen Schaden angemessen sein muss.

„Das stellt die vom deutschen Bundesgerichtshof (BGH) angewendete Methode, vom Kaufpreis des Fahrzeuges einen Nutzungsersatz für gefahrene Kilometer abzuziehen, in Frage, denn je länger Gerichtsverfahren dauern, desto weniger bekommt der Geschädigte gegen Rückgabe des Fahrzeuges ersetzt,“ hält Kolba weiters fest.

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