Energiewende: "Fossile Wirtschaft wird immer die USA bevorzugen"

Sackgasse vor der Raffinerie: Eine Abkehr von fossiler Energie hat für Europa Wettbewerbsvorteile
Wer sich darum bemüht, Menschen die vielen Vorteile zu vermitteln, die ein Ausstieg aus Öl und Gas und eine Hinwendung zu erneuerbaren Energien bringt, hat es derzeit schwer. Die USA sind nach dem Comeback von Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen und auch an vielen anderen Orten sind Klimaskeptiker und Klimawandelleugner auf dem Vormarsch. In Österreich ist die Akzeptanz von Erneuerbaren auf einem zehnjährigen Tiefststand.
Wie man angesichts dieser Lage Argumente für mehr Nachhaltigkeit findet und Menschen für den Ausbau von Solar-, Wind-, Wasser- und Biokraft gewinnt, darüber diskutierte am Donnerstag eine Expertenrunde zum Auftakt der Messe "KlimaZukunft Österreich" in Wien. Eine der Kernaussagen dabei: Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien sollten mehr an einem Strang ziehen.
Unabhängigkeit von Fossilen als Stärke im Wettbewerb
Aus wirtschaftspolitischer Sicht habe die Energiewende ganz klare Vorteile, sagt Jürgen Schneider, der Leiter der Sektion Klima und Energie im BMK. Spätestens seit der Energiekrise durch die russische Invasion in der Ukraine sei klar, dass fossile Energie teuer und unsicher ist. Sich als Land davon unabhängig zu machen, bedeute, seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Österreichische Unternehmen seien bei Technologien für die Energiewende hervorragend aufgestellt, sagt Ulrich Streibl, Vorstandssprecher der Oekostrom AG: "Windkraftanlagen werden etwa mit Mikrochips gesteuert, die in Österreich entwickelt und produziert werden. Wälzlager werden hier produziert. Die Wertschöpfung beim Bau von Windparks bleibt in Österreich. Wir produzieren saubere Energie und schaffen Arbeitsplätze."
Politik bietet widersprüchliches Bild
Grüne Technologien seien ein Wachstumsmotor. Sie zu bremsen bedeute, sich "klima- und geopolitisch ins eigene Knie zu schießen". "Keine Regierung wird ein Interesse daran haben, Klimapolitik so zu gestalten, dass es unserem Land schadet", zeigt sich Streibl hoffnungsfroh. Die Politik biete derzeit ein widersprüchliches Bild, sagt Schneider: Auf europäischer Ebene wird der "Green Deal" vorangetrieben, in Österreich feiert eine Partei Erfolge, die den "Klimawahnsinn" stoppen will.
Handlungsfähigkeit des Einzelnen aufzeigen
Viele Menschen empfinden Ohnmacht und Überdruss angesichts der Klimakrise, sagt Verena Mischitz vom Netzwerk Klimajournalismus. Das nicht nur der Problematik an sich, sondern einer Vielzahl gleichzeitiger Krisen geschuldet. Um einer "Nachrichtenflucht" entgegenzuwirken, sei es wichtig, vermehrt Lösungen anzusprechen. Die Wirtschaftsforscherin Sigrid Stagl von der WU Wien stimmt zu. "Die Fakten der Klimakrise bleiben die gleichen. Man muss nur darauf achten, sie handlungsaktivierend zu gestalten."

Wirtschaftsforscherin Sigrid Stagl von der WU Wien bei einer Paneldiskussion zum Auftakt der Messe KlimaZukunft Österreich in Wien
Die Handlungsmöglichkeiten eines einzelnen Menschen bei einer Krise, die Milliarden betrifft, aufzuzeigen, sei schwierig, aber möglich. Stagl, die 2024 zur Wissenschaftlerin des Jahres gekürt wurde, gibt das Beispiel einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde, die sich durch eine Energiegemeinschaft fast autark mit Strom versorgen kann. "Die Menschen dort haben sich vernetzt und eine hohe Selbstwirksamkeit erlebt." Die Grundmotivation, die zum Erfolg geführt habe, sei nicht Klimaschutz, sondern Kostenersparnis gewesen.
Chance die Führung, statt immer nur Platz drei
Was im Kleinen möglich war, müsse laut Stagl auch im Großen geschafft werden. Konstruktive Argumente seien wichtig, aber medial müsse auch transparent kommuniziert werden, sagt Mischitz. Dazu gehöre auch aufzuzeigen, was die Beibehaltung hoher fossiler Abhängigkeit bedeute, sagt Schneider. Skeptiker würden das rigorose Vorgehen der EU bei Klimaschutz oft als Konjunkturbremse sehen. Aber: "Die USA sind der größte Öl- und Gasproduzent der Welt, Europa ist ein riesiger Importeur. Eine fossile Wirtschaft wird immer die USA bevorzugen."
Die Antwort darauf könne nur sein, von Öl und Gas wegzukommen. Europa sei nicht alleine in diesem Bestreben. "China hat die aggressivste Elektrifizierungspolitik aller Länder." In einer "fossilen Welt" werde man am Weltmarkt "immer nur Zweiter oder Dritter sein". In einer "erneuerbaren Welt" habe man zumindest die Chance, ganz vorne zu stehen.
Wissenschaft einbinden und ökonomische Argumente ergänzen
Abgesehen von geschickterer Kommunikation sei auch ein Umsetzen wissenschaftlicher Erkenntnisse wichtig, sagt Stagl. "Dass Wissenschaft handlungsleitend wird, habe ich in anderen Gesellschaften schon deutlicher gesehen." Es sei auch wichtig, falsche Vorstellungen zu zerstreuen: "Man muss Kosten und Investitionen in die Energiewende klar unterscheiden. Kosten klingt so, als ob wir etwas konsumieren würden. Aber Geld in die Infrastruktur zu stecken, bedeutet eine Investition, von der wir jahrzehntelang etwas haben."
Im Endeffekt sei es erfolgversprechend, Klimaargumente durch wirtschaftliche Argumente zu ergänzen, ist Schneider überzeugt. "Trump hat bei seiner ersten Regierung eine Renaissance der Kohle angekündigt. Unter ihm ist der Verbrauch aber so stark eingebrochen, wie nie zuvor. Das hatte ökonomische Gründe. Diese Argumente sind ganz klar auf Seiten der Energiewende."
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