90.000 Haushalte von Energiearmut betroffen

Frieren unter der Decke: Nicht jeder Österreicher kann sich das Heizen im Winter leisten.
Neue Berechnungsmethode würfelt bisherige Annahmen, wer betroffen ist, ein wenig durcheinander. Vor allem Pensionistinnen in großen Wohnungen im Westen "energiearm". Ein Fonds sei überlegenswert.

In Österreich sind 90.000 Haushalte und damit rund 170.000 Personen von Energiearmut betroffen, das sind rund 2,5 Prozent aller Haushalte, ergibt eine E-Control-Studie mit einer neuen Definition des Begriffs Energiearmut. Die Zahlen unterscheiden sich nicht wesentlich von bisherigen, allerdings sind andere Haushalte betroffen. Eine wirksame Bekämpfung der Energiearmut muss an der Verbrauchs-Reduktion ansetzen. Die Details:

Berechnungsmethode

Energiearm sind nach der E-Control-Definition Haushalte, die über ein verfügbares Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle verfügen und gleichzeitig überdurchschnittlich hohe Energiekosten haben. Als niedrig gilt ein verfügbares Einkommen von weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens (1800 Euro pro Monat). Als überdurchschnittlich werden Energiekosten gewertet, wenn sie - in Anlehnung an die Armutsforschung - die Schwelle von 140 Prozent der Medianausgaben für Energie überschreiten.

90.000 Haushalte von Energiearmut betroffen
Bisher wurde Energiearmut vor allem auf Basis der EU-SILC-Statistik diskutiert, deren Grundlage die Frage ist, ob man die Wohnung heizen kann. 2011 waren somit rund 100.000 Haushalte bzw. 2,6 Prozent aller Haushalte und nicht in der Lage ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Das entspricht rund 219.000 Personen, davon sind aber weniger als die Hälfte (95.000 Personen) auch armutsgefährdet. Es handle sich dabei aber um keine wirklich treffsichere Definition, so E-Control-Vorstand Walter Boltz in einer Pressekonferenz.

Denn danach seien übermäßig viele alleinstehende, junge und arbeitslose männliche Singles im Osten Österreichs energiearm und dies durchaus auch mit Einkommen über der Armutsgrenze und oftmals nicht-überdurchschnittlichen Energiekosten. Diese Personen geben rund 78 Euro pro Monat für Energie aus.

Mit der neuen E-Control-Abgrenzung zeige sich, dass eher alleinstehende Pensionstinnen in großen Wohnungen in Westösterreich von Energiearmut betroffen sind. Diese Personen leiden eher still, tun sich aber schwer, mit ihrem Einkommen die Energierechnung zu bezahlen und hätten auch kein Smartphone. Diese Personen gäben im Durchschnitt monatlich rund 163 Euro für Energie aus, davon typischerweise mehr als die Hälfte bis zwei Drittel für Heizkosten. Das sei knapp ein Fünftel (19 Prozent) ihres Einkommens und viermal soviel wie im österreichischen Durchschnitt.

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dpa/Friso GentschARCHIV - ILLUSTRATION - Eine Hand dreht an dem Thermostat einer Heizung, aufgenommen am 14.01.2008 in Osnabrück. Der kalte Winter treibt die Kosten schon bei der Heizung kräftig nach oben. Zusätzlich erhöhen im neuen Jahr die meisten
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Reduktion noch wichtiger als Unterstützung

Finanzielle Unterstützung allein, wie etwa Heizkostenzuschüsse, für die in Österreich jährlich rund 25 Mio. Euro ausgegeben werden, seien keine dauerhaften Lösungen. Wichtig sei eine Reduktion des Energieverbrauchs etwa durch eine Verbesserung der Wohnsituation, Wärmedämmung oder Geräte mit geringerem Verbrauch. Zuschüsse von 100 oder 200 Euro seien sicher gut, lösten aber die Probleme nicht, es seien eher zielgerichtete Maßnahmen nötig. Diese müssten auch gar nicht so viel kosten, wie etwa Fensterdichtungen, richtiges Lüften oder Folien hinter den Heizkörpern. In Wien beispielsweise gibt es seit heuer keinen Heizkostenzuschuss mehr, sondern Beratung.

Überlegenswert sei ein Fonds, der von den Energieversorgern dotiert wird. Mit rund 20 Mio. Euro von den Firmen und dem Geld für die Heizkostenzuschüsse hätte man mit rund 45 Mio. Euro eine signifikante Größenordnung mit der man die Energiearmut deutlich reduzieren könnte. Aktionen zur Bekämpfung der Energiearmut gibt es von einzelnen Energieversorgern bereits, beispielsweise den Verbund-Stromhilfefonds der Caritas.

Boltz nimmt Gesetzgeber in die Pflicht

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Viele von Energiearmut betroffene Personen würden zudem in Mietwohnungen oder Sozialwohnungen leben und hätten demnach wenig Möglichkeiten für größere Investitionen etwa für Wärmedämmung. Die Eigentümer hätten eine mäßige Motivation, ihre Mieter glücklich zu machen. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, so Boltz. Energieausweise sind nur für Objekte verpflichtend, die auf den Markt kommen.

Die Energiekosten würden oft auch aus den Sozialbudgets gedeckt. Eine genaue Größenordnung konnte Boltz nicht nennen. Es gebe innerhalb der Gemeinden große Unterschiede, in einigen Kommunen könnten es sich 10 bis 20 oder 30 Prozent sein. Boltz verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass ein relevanter Anteil von den Ländern komme, denen die Energieversorger auch gehörten. Dies sei ein Zirkel, den man durchbrechen müsse, um weil sonst unverhältnismäßig viel Geld für Energiekosten verwendet würde.

Stromabschaltungen nur marginal

Ein relativ geringes Problem seien Stromabschaltungen, die nach bei der E-Control gemeldeten Zahlen bei 16.000 liegen. Boltz schätzt, dass es insgesamt rund 20.000 sein dürften. Die Einführung der "intelligenten Stromzähler" (smart meter), die im übrigen auch Prepaid-Zähler sein könnten, werde zudem die Finanzplanung erleichtert.

In Deutschland sorgte das Thema prepaid-Strom vor wenigen Tagen für heftige Debatten.

Für die IFES-Studie im Auftrag der E-Control wurden 931 Haushalte befragt.

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