E-Control: "Wettbewerbshüter viel zu lahm"

E-Control: "Wettbewerbshüter viel zu lahm"
Walter Boltz, Chef der E-Control, prangert mangelnden Wettbewerb bei Strom und Gas an.

Europas Konsumenten und die Industrie ächzen unter den hohen Strom- und Gaspreisen. Laut EU-Statistikamt Eurostat liegen die Kosten für Strom und Gas in Österreich im Europa-Vergleich in etwa im EU-Durchschnitt. Der KURIER sprach mit Österreichs obersten Energieregulator, Walter Boltz, der zugleich Vize-Präsident des Rats der europäischen Energieregulatoren ist, über Ursachen der hohen Preise, den Umbruch im weltweiten Energiemarkt und die Gefahr für Europa.

KURIER: Wann wird Strom und Gas in Österreich endlich billiger?

Walter Boltz: Seit drei Jahren fällt der Strompreis im Großhandel und bei den Endkundenpreisen tut sich nichts. Die Versorger versuchen alles, die Preise nicht senken zu müssen. Denn sie haben Verluste mit ihren Gaskraftwerken oder im Ausland.

Warum schaut die E–Control als oberste Marktaufsicht den Versorgern nicht mehr auf die Finger?

Wir haben bei der Bundeswettbewerbsbehörde eine Marktuntersuchung beantragt. Die Versorger aber verweigern, die notwendigen Daten zu liefern. Der Verfassungsgerichtshof hat uns schon recht gegeben, dass wir die Daten haben dürfen. Die Sache liegt jetzt beim Verwaltungsgerichtshof. Ich erwarte erst nach dem Sommer eine Entscheidung, dann kommen die Daten vielleicht zu Jahresende. Irgendwann 2014 kann vielleicht ein Verfahren gegen einen Versorger, der besonders dreist hohe Spannen in seinen Preisen hat, begonnen werden. Bis sich da was bewegt, bin ich in Pension.

Sind die Wettbewerbshüter zu vorsichtig?

Die Bundeswettbewerbsbehörde geht genau nach dem Motto vor, das sich die Unternehmen wünschen: Nur keine Wellen schlagen. Sie ist zu lahm. Außerdem hat sie wenig Kompetenzen. Sie darf nicht, so wie es in Deutschland der Fall ist, Bußgelder verhängen. Das muss das Kartellgericht machen und bis ein Fall dorthin kommt, vergeht viel Zeit. Und den Politikern fehlt der Mut, für mehr Wettbewerb einzustehen.

Die hohen Energiepreise in Europa sind sogar ein Thema beim heutigen EU-Gipfel. Ist das Problem tatsächlich so groß?

In der EU werden die hohen Preise schön langsam zu einem ernsthaften Standortproblem für die Industrie. Europa hatte immer höhere Energiepreise als die USA. Aber in den vergangenen drei bis vier Jahren ist der Abstand enorm gewachsen. Europa vertreibt die Industrie damit und schafft zudem Energiearmut, weil sich viele Menschen die Energie nicht mehr leisten können.

Wie konnte es so weit kommen?

Das gibt es mehrere Faktoren: Die Kosten für die Stromdurchleitung sind höher als in den USA. Dazu kommen höhere Steuern und Energieabgaben, die es in Übersee gar nicht gibt. Die Förderung für erneuerbare Energien verteuert den Strom deutlich. Außerdem profitieren die USA erheblich vom Schiefergas. Und bald könnte auch Schieferöl dazu kommen. Dann wird der Ölpreis in den USA kräftig sinken und Europas Energieproblem wird noch größer. Zudem ist der Wettbewerb am Energiemarkt EU-weit gering. Die alten Monopol-Versorger versuchen alles, neue Anbieter nicht in den Markt zu lassen.

Braucht Europa eine Energiewende rückwärts? Also weniger Erneuerbare und dafür Schiefergas?

Bei den Erneuerbaren wird die EU wohl eine Harmonisierung der Fördersysteme vorschlagen. Dann würden Solarkraftwerke dort gebaut, wo wirklich viel Sonne scheint und nicht in Norddeutschland. Windräder würden dort aufgestellt, wo der Wind oft bläst. Damit würden Erneuerbare zwar weiter ausgebaut, die Kosten dafür würden aber sinken. Wenn nämlich ein Solarkraftwerk in Sizilien statt an der Nordsee läuft, kann es mit gleicher Förderung viel mehr Strom erzeugen. Insgesamt könnten die Ökostromsubventionen auf diese Weise um 30 Prozent fallen.

Und was ist mit dem europäischen Schiefergas?

Tatsache ist, dass Europa für die Gaslieferungen aus Russland oder Algerien derzeit zu viel zahlt. Die Vorteile des Binnenmarkts können wir beim Gas gar nicht nutzen. Mit eigenem Schiefergas wäre das anders. Zunächst müssen wir von unseren Gaslieferanten Preissenkungen durchsetzen. 15 Prozent sollten schon drin sein. Das wären auch ein paar Milliarden Euro. Da hätten wir die Zypern-Rettung damit finanziert.

Muss Europa das Ziel, weniger Treibhausgase zu emittieren vergessen?

Natürlich produziert Erdgas bei der Verbrennung CO2. Aber die Kernfrage für Europa darf ja nicht sein: Emittieren wir weniger Treibhausgas? Sondern: Können wir die Welt überzeugen, dass sie dabei mitmacht? Denn der Anteil Europas an den weltweiten Emissionen ist gering. Auch wenn wir unseren CO2-Ausstoß senken, steigt er global. Lohnt es sich daher, dass sich die EU kasteit?

Die Staats- und Regierungschefs der EU befassen sich bei ihrem Gipfel am Mittwoch erstmals mit den hohen Energiepreisen. In Industrie-Kreisen wird beklagt, dass die Energiepreise in Europa im Durchschnitt rund drei Mal so hoch sind wie in Amerika – ein massiver Standortnachteil, der zum einen am billigen Schiefergas der USA, zum anderen an den in der EU höheren Steuern und Abgaben liegt.

Innerhalb der EU gibt es große Unterschiede bei Strom- und Gaspreisen: Laut Untersuchung der EU-Kommission ist Energie in Europa dort am teuersten, wo es den wenigsten Wettbewerb gibt und alte, (ehemals) staatliche Monopolisten den Markt beherrschen.

Umdenken in der EU

In Brüssel ist in Energiefragen ein Paradigmenwechsel zu spüren: Stand vor ein paar Jahren noch der Klimaschutz im Vordergrund, geht es jetzt vor allem um Wettbewerbsfähigkeit und Jobs. Das Umdenken könnte zu stärkeren Förderungen der Atomkraft führen – warnen die Grünen und fordern von Kanzler Faymann ein Veto dagegen. In einem Entwurf für die Gipfel-Beschlüsse wird die Atomenergie nicht erwähnt, es wird aber die „Förderung von Energieffizienz-Maßnahmen in allen Bereichen“ gefordert. Eine Theorie, die in Brüssel kolportiert wird: Frankreich und Großbritannien könnten die aus ihrer Sicht übermäßige Förderung von Solarenergie in Deutschland akzeptieren, das im Gegenzug ihren Ausbau der Atomkraft nicht blockiert.

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