Datenleak: US-Milliardäre zahlen kaum Steuern
Die politisch umstrittene Marschrichtung von US-Präsident Joe Biden und den Demokraten, den reichsten Bürgern der USA künftig deutlich höhere Steuern abzuverlangen („fair share“ – fairer Anteil) hat über Nacht massive Schützenhilfe bekommen. Und gleichzeitig ein dickes Problem.
Das investigative Journalisten-Portal ProPublica hat auf der Basis von anonym zugespielten Daten der staatlichen Finanzbehörde IRS minutiös herausgearbeitet, dass die 25 reichsten Amerikaner – darunter Multimilliardäre wie Jeff Bezos (Amazon), Elon Musk (Tesla) sowie die Star-Investoren George Soros und Warren Buffett – ihr Vermögen zwischen 2014 und 2018 um rund 400 Milliarden Dollar gesteigert haben. Im gleichen Zeitraum entrichteten die Vorzeige-Unternehmer lediglich 13,6 Milliarden Dollar Einkommensteuern an den Fiskus, was einer Steuerquote von etwa 16 Prozent entspricht. Biden will die höchste Steuerquote von derzeit nominell 37 auf 39,6 Prozent anheben.
Legale Steuertricks
Weil die Weitergabe vertraulicher IRS-Daten einen Straftatbestand erfüllt, schaltete die Regierung umgehend das Justiz- und Finanzministerium sowie die Bundespolizei FBI ein. Der IRS wurde mit einer Untersuchung der Durchstecherei beauftragt, die in Washington Schockwellen ausgelöst hat. Dabei bestätigt sie im Kern einen altbekannten Sachverhalt: Superreiche haben das Geld und damit die Anwälte und Steuerexperten zur Hand, um die für den Laien nahezu undurchdringlichen Gesetze des Bundes samt seiner vielen Schlupflöcher auf legale Weise so zu nutzen, dass, wie bei Bezos, Musk oder Buffett der Fall, in manchen Jahren nicht ein einziger Penny Einkommensteuer gezahlt wird.
Vereinfacht gesagt liegt das daran, dass Amerika Arbeitseinkommen besteuert, Reichtum aber kaum. Das heißt: Die schwindelerregenden Milliardensprünge, die Bezos, Zuckerberg (Facebook) und andere bei ihren Aktienpaketen machen, gelten mit Ausnahme von Dividenden so lange als nicht besteuerbares Einkommen, bis der Eigentümer durch Verkäufe Gewinne realisiert. Und selbst dann gibt es diverse legale Schleichwege, wie sich die Betroffenen arm rechnen können, um dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen.
Das wirtschaftsnahe Wall Street Journal (Eigentümer Rupert Murdoch gehört auch zu den von ProPublica Enttarnten) hält den Zeitpunkt der Veröffentlichung für keinen Zufall. In einem wütenden Kommentar wird der IRS als Kollaborateur der Linken um Joe Biden bezeichnet. Die Kritik lässt außen vor, dass Biden eine Vermögensteuer („Reichensteuer“), wie sie seine innerparteilichen Rivalen um die Präsidentschaftskandidatur, Bernie Sanders und Elizabeth Warren gefordert hatten, strikt ablehnt. Seine geplante Erhöhung der höchsten Einkommensteuerklasse auf rund 40 Prozent würde an dem Instrumentarium, dessen sich Bezos, Musk und andere bedient haben, nichts ändern.
Senatorin Warren erneuerte darum ihre Forderung, Vermögen von mindestens 50 Millionen Dollar (inklusive Sachwerten wie Immobilien) mit jährlich zwei Prozent zu besteuern. „Unser Steuersystem ist für Milliardäre manipuliert, die ihre Vermögen nicht durch Einkommen machen, wie es Arbeiterfamilien tun“, erklärte Warren, „die Beweislage ist mehr als deutlich: Es ist Zeit für eine Vermögensteuer in Amerika, damit die Ultrareichen endlich ihren gerechten Anteil zahlen.“
Bei den Demokraten ist zu erwarten, dass sich der links-progressive Flügel dem anschließt und Biden damit zusätzlich unter Druck setzt. Bei den Republikanern, die unter Donald Trump die Steuerlast für Reiche substanziell gesenkt haben, ist jeder Antrag auf Steuererhöhungen „dead on arrival“, also schon im Frühstadium zum Scheitern verurteilt.
„Echte“ Steuerquote
Einige der so detailliert wie noch nie mit ihren Finanzverhältnissen in die Öffentlichkeit gezerrten Wirtschaftsbosse bestätigten die Darstellung der Investigativjournalisten. So erklärte ein Sprecher von George Soros, dass der Multimilliardär 2016, 2017 und 2018 keine Einkommensteuer auf Bundesebene gezahlt hat, weil er in dem Zeitraum hohe Verluste bei Investitionen erlitten habe. Der frühere New Yorker Bürgermeister und Interims-Präsidentschaftskandidat Michael Bloomberg sowie der Börsen-Investor Carl Icahn erklärten pauschal, sie hätten bezahlt, wozu sie verpflichtet gewesen seien. Tesla-Chef Musk beantwortete die Anfragen von ProPublica mit einem kurzen Statement: „?“.
Börsen-Guru Buffett, der mittlerweile 90-Jährige aus Omaha/Nebraska, zahlte zwischen 2014 und 2018 rund 24,3 Millionen Dollar Einkommensteuer. Sein Vermögen wuchs in dem Zeitraum um rund 25 Milliarden Dollar. ProPublica rechnete den Zuwachs zusammen (was im US-Steuerrecht nicht vorgesehen ist) und destillierte so seine „echte Steuerquote“ („true tax rate“) von 0,1 Prozent.
Bei Musk sehen die Zahlenspielereien so aus: Auf 1,5 Milliarden Dollar Einkommen zahlte der E-Auto-Pionier 455 Millionen Dollar Steuern, während sein Vermögen im Zeitraum 2014 bis 2018 um 14 Milliarden Dollar wuchs. Die fiktive „echte Steuerquote“ läge demnach bei 3,2 Prozent. Bezos kommt mit 973 Millionen Dollar Steuern bei 4,2 Milliarden Dollar Einkommen und einem Vermögenszuwachs von rund 100 Milliarden Dollar auf knapp unter ein Prozent.
Buffett bedachte ProPublica mit einer langen Antwort. An deren Ende wiederholte er seine Forderung nach einer grundlegenden Reform der Steuergesetze – und einer höheren Besteuerung von seinesgleichen.
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