Wirklich alles notwendig? Das Firmengeflecht der Stadt Wien
Die Stadt Wien herrscht über eines der größten Wirtschaftsimperien Österreichs. Das riesige Firmengeflecht reicht weit über die Landesgrenzen und ist eine bunte Ansammlung von beinahe unüberschaubaren Beteiligungen. Vom Flughafen in Malta bis zur Weinakademie, von Donauschiffen bis zu Sportstätten und zur Bestattung, von Verkehrsbetrieben bis zu Wohnbauträgern und Garagen.
Auf erster Ebene, also direkt, ist die Stadt an 31 Unternehmen beteiligt. Sieht nicht nach viel aus. Doch wer tiefer gräbt, dem erschließen sich die wahren Dimensionen des Rathaus-Reiches. Gesiba, Wien Holding und Wiener Stadtwerke etwa sind richtige Teilkonzerne, unter denen wiederum etliche Firmen hängen, die sogenannten mittelbaren Beteiligungen. Wobei die Stadt nicht überall die Mehrheit hält, es gibt zahllose Minderheitsbeteiligungen.
251 Firmen
Bis hinunter zur dritten Ebene besteht das Portfolio des Rathauses aus aktuell 251 Firmen, Kapital- und Personengesellschaften sowie Genossenschaften. Die 2021 mit 25.000 Mitarbeitern rund 5,8 Milliarden Euro Umsatz und eine Bilanzsumme von mehr als 25 Milliarden Euro erwirtschafteten. Darüber hinaus existieren eine vierte und eine fünfte Stufe, Ur-Urenkel-Firmen also.
Mehr Transparenz
Das Firmengeflecht ist so weit geknüpft, dass 2015 sogar der Rechnungshof kapitulierte. Die Prüfer schafften es nicht, die Zahlungsflüsse zwischen Stadt und Unternehmen nachzuvollziehen. Im Fokus der Kritik stand der mangelnde Gesamtüberblick. Die Stadt reagierte, legte im selben Jahr erstmals einen Beteiligungsbericht vor. Dafür gab’s heuer Lob von Transparency International als transparenteste Gemeinde Österreichs.
Kritisiert wurde immer wieder die Zersplitterung der Zuständigkeiten im Rathaus. Nach wie vor verteilt sich die Beteiligungsverwaltung auf 13 Magistratsabteilungen. Dass 2018 mit Peter Hanke ein erfahrener Manager als Finanzstadtrat ins Rathaus einzog, war kein Nachteil. Heute sind Beteiligungscontrolling und Berichtswesen in der Finanzabteilung MA 5 gebündelt, die quasi als Holding steuert. Hanke will die Überwachung der Beteiligungen demnächst mit der Implementierung des Wiener Public Corporate Governance Kodex weiter verbessern.
Die wichtigsten Teilkonzerne
Die Wiener Stadtwerke sind einer der größten Player in der heimischen Energiewirtschaft. Die desaströse Tochter Wien Energie versorgt zwei Millionen Strom- und Gaskunden. Die Stadtwerke halten Anteile am börsenotierten Verbund-Konzern (11,7 Prozent) und 28,3 Prozent am niederösterreichischen Landesversorger EVN. Der energetische Arm des Rathauses reicht bis zur Energie Burgenland.
Der Konzern beherrscht auch den öffentlichen Verkehr mit den Töchtern Wiener Linien und den Lokalbahnen. Die Stadtwerke betreiben aber auch noch Bestattungs-Business, haben Friedhöfe und das Tierkrematorium.
Der Konzern der Wien Holding, die vormalige Heimat von Hanke, hält die Mehrheit an der Arwag-Gruppe mit etlichen Wohnbau-Töchtern. In der Holding ist die 20-prozentige Beteiligung am Flughafen Wien gebunkert, mit Anteilen an den Airports Malta und Kosice. Die Stadt hat sich am Flughafen Wien mit dem Land Niederösterreich (ebenfalls 20 Prozent) syndiziert.
Weiters gehören zur Holding die Blue Danube Schifffahrt, die Stadthalle, der Hafen, eine Mini-Beteiligung an der Wiener Börse, Garagen, das KunstHaus, das Jüdische Museum, R9 Regional TV Austria etc. Traditionell eine große Rolle spielt in Wien der geförderte Wohnbau. Die rund 4.000 Mitarbeiter von Wiener Wohnen verwalten 220.000 Gemeindewohnungen.
Alles sinnvoll?
Jetzt kann man durchaus argumentieren, dass es Sinn macht, wenn eine Stadt an Unternehmen der Daseinsvorsorge und Infrastruktur wie Öffis und Energieversorgung beteiligt ist. Warum allerdings auch Sargtischler, Garagen, TV-Sender und Donauschiffer zum Portfolio gehören sollen, erschließt sich nicht. Oder Anteile am Raiffeisen-Lagerhaus Marchfeld und Hollabrunn-Horn.
Das Recherche-Zentrum correctiv versuchte vor einigen Jahren, die Schlüsselpositionen in den Unternehmen parteipolitisch zuzuordnen. Die starke Dominanz der SPÖ war wenig überraschend. Das hat sich bis heute nicht geändert. Vielsagend auch, dass in den Aufsichtsräten kaum Leute aus der Privatwirtschaft sitzen, die womöglich einen unternehmerischen Geist einbringen könnten, sondern hauptsächlich Beamte.
Seit vielen Jahrzehnten dominiert in Wien mit der SPÖ eine einzelne Partei Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Der ideale Nährboden für Misswirtschaft und Skandale.
AKH
Das größte Krankenhaus Österreichs sorgte auch für den größten Bauskandal der Zweiten Republik. Ursprünglich hätte der Bau, der 1994 eröffnet wurde, eine Milliarde Schilling (rund 73 Millionen Euro) kosten sollen. Letztlich wurden aber 45 Milliarden Schilling (3,3 Mrd. Euro) daraus.
Mit der Kostenexplosion ging ein Schmiergeldskandal einher, der 1980 aufgedeckt wurde. Er führte im Jahr darauf zu einem Monsterprozess. Hauptangeklagter war der technische Direktor der Planungs- und Errichtungsgesellschaft. Ihm und elf weiteren Angeklagten wurden unter anderem gewerbsmäßiger Betrug, Untreue und verbotene Intervention vorgeworfen. Er wurde zu acht Jahren Haft verurteilt.
Pratervorplatz
In vergleichsweise kleinen Dimensionen spielte sich ein Bauskandal in jüngerer Vergangenheit ab: Die Umgestaltung des Pratervorplatzes im Vorfeld der Fußball-EM 2008 endete mit einer Verdoppelung der Errichtungskosten von 30 auf 60 Millionen Euro. Bereits im Vorfeld gab es massive Kritik, weil es für das Projekt keine Ausschreibung gab. Die Staatsanwaltschaft ermittelte fünf Jahre in der Causa, zu einer Anklage kam es trotzdem nie. Im Zuge der Affäre trat 2009 SPÖ-Vizebürgermeisterin Grete Laska zurück.
Krankenhaus Nord
Als 2012 der Grundstein gelegt wurde, ging man noch von einer Eröffnung 2016 und Kosten von 825 Millionen Euro aus. Letztlich konnte das Spital aber erst 2019 in Betrieb gehen, die Kosten waren bis zu diesem Zeitpunkt auf 1,26 Milliarden Euro geklettert.
Im Zuge der Errichtung wurde das glücklose Management des Krankenanstaltenverbunds ausgetauscht. Weiters trat die damalige SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely 2017 zurück – ohne jedoch politische Verantwortung für den Bauskandal einzuräumen.
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