Commerzialbank: Das große Versagen der Kontrollore
„Das ist alles ganz, ganz seltsam.“ Am Tag drei des Skandals um die Mattersburger Commerzialbank war das – egal wo man recherchierte – der meistgehörte Satz. Und off-the-records wird vor allem die Rolle des langjährigen Wirtschaftsprüfers tpa kritisiert. Wie kann es sein, dass ein Jahrzehnt lang offenbar nicht auffiel, dass die Commerzialbank immer mehr Geld an andere Banken verliehen hatte. Geld, das es wohl nie gab. Geld, das es bei der Ertragssituation der Bank auch nie hätte geben können.
Als grundlegender Fehler des Wirtschaftsprüfers wird Folgendes beschrieben: Die Commerzialbank behauptete, Geld an andere Banken verliehen zu haben. Und das muss ein Wirtschaftsprüfer auch nachprüfen. Und zwar nicht nur durch einen Beleg des Prüflings, also der Commerzialbank, sondern durch eine Bestätigung jener Bank, die das Geld angeblich geliehen hat. Und zwar auf direktem Weg, damit es eben nicht zu einer Fälschung der Dokumente kommen kann.
Kein Stichprobenfehler
Nun könnte der hier kritisierte Wirtschaftsprüfer behaupten, man habe bei einer Stichprobenanalyse ausgerechnet die korrekten Geschäftsfälle geprüft. Doch auch das sei laut Peter Bartos, dem Vizepräsidenten der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, nicht denkbar. „Große Geschäftsfälle müssen immer geprüft werden, nur bei kleinen wählt man stichprobenartig aus. Und hier dürfte es sich um große Fälle gehandelt haben“. Doch so weit will es die tpa gar nicht kommen lassen. Auf KURIER-Anfrage, ob die Geschäfte geprüft wurden, heißt es: „Wir unterliegen gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtungen“.
Wie schon in den letzten Tagen meint die tpa, selbst getäuscht worden zu sein: „Eine Abschlussprüfung ist keine forensische Prüfung oder Unterschlagungsprüfung.“ Es sei mit hoher krimineller Energie auf Bankseite vorgegangen worden, um die Enttarnung des Betrugs zu verhindern.
Kritiker sehen das freilich anders. „Jeder WU-Student im zweiten Abschnitt wäre angesichts der Bilanz skeptisch geworden“, sagt ein Vertreter der Branche, der namentlich nicht genannt werden will. Genauer führt das Gerhard Wüest vom Prozessfinanzierer AdvoFin aus: „Bei 22,6 Millionen Euro Erträgen aus Zinsen und aushaftenden Krediten von 334 Millionen Euro wäre der Durchschnittszinssatz 6,8 Prozent gewesen. Das ist in Zeiten von Niedrigzinsen völlig unglaubwürdig“. Dem schließt sich auch Peter Bartos an: „Bei der Verprobung des Zinsergebnisses hätte man schon aufmerksam werden müssen“. Forensische Untersuchungen wären also wohl nicht nötig gewesen.
tpa bleibt verschwiegen
Trotz der lauter werdenden Kritik an ihren Testaten hüllt sich das Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Schweigen. Der KURIER hat schriftlich 18 Fragen an die tpa gestellt. Bei neun davon berief man sich auf die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht. Unter anderem auf: Ob es ein durchgehendes und gelebtes Vier-Augen-Prinzip in der Bank gab. Ob die hohen Sponsoringsummen für den Fußballverein Mattersburg geprüft wurden. Immerhin handelte es sich lange um Zahlungen das Bankmanagers Martin Pucher an den Vereinspräsidenten Martin Pucher. Und ob es Auffälligkeiten in der Cashflow-Rechnung gab. Denn woher hätte das Geld für die fiktiven Kredite kommen sollen?
Auch bei der Frage, ob es sich beim Prüfungsteam auch um jenes bei der österreichischen Wirecard-Tochter in Graz gehandelt haben könnte, kommt wieder die gleiche Antwort: „Gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung“.
Sammelklage
Der tpa beziehungsweise ihrer Haftpflichtversicherung droht nun jedenfalls Ungemach: Der Prozessfinanzierer AdvoFin wird für Hunderte Bankkunden eine Sammelklage einbringen. „Es haben sich bereits viele Gemeinden und Kunden, die mehr als 100.000 Euro auf Konten liegen haben, bei uns gemeldet“, sagt AdvoFin-Chef Gerhard Wüest. „Wir werden klagen, weil wir uns sicher sind, dass bei den Prüfungen Fehler passiert sind. Die uneingeschränkten Bestätigungsvermerke hätten schon Jahre nicht mehr erteilt werden dürfen“, sagt Wüest.
Dabei könnte es auch um das Testat für die noch nicht beschlossene Bilanz für das Jahr 2019 gehen. Die tpa beteuert, dass dafür kein Bestätigungsvermerk der tpa mehr erteilt wurde. KURIER-Informationen zufolge war man aber kurz davor, die Bilanz neuerlich zu bestätigen. Diese Bilanz hätte längst fertiggestellt sein müssen, wegen Corona wurde die Frist erstreckt. Noch nach der Wiederaufnahme der Prüfung Ende Juni erklärte tpa, es würden nur noch Kleinigkeiten für den Abschluss fehlen. Zur Werthaltigkeit der Einlagen bei anderen Banken konnte tpa zu diesem Zeitpunkt laut den Prüfern keine Angaben machen.
Die Liste der Bankpleiten in Österreich ist lange. Die Gründe für die Probleme sind unterschiedlich und reichen von Großbanken, die als Selbstbedienungsladen missbraucht wurden oder für Begehrlichkeiten der Politiker herhalten mussten, über Banken, die kein geeignetes Geschäftsmodell gefunden haben bis hin zu schlecht gemanagten Geldhäusern oder solchen, die schlicht und einfach an Betrügereien zugrunde gegangen sind.
Der jüngsten Pleite, jene der Commerzialbank, gehen prominente und für den Steuerzahler teure Bankeninsolvenzen voraus. Allen voran die Hypo Alpe Adria. In der Finanzkrise 2007/08 kam die Bank wegen zu rascher Expansion und Malversationen in massive Schwierigkeiten und wurde schließlich von der Republik Österreich aufgefangen. Die bayrischen Eigentümer hatten mit dem Konkurs der Bank gedroht. Der Schaden für die Steuerzahler war mit sechs Milliarden Euro geringer als ursprünglich befürchtet.
Zuvor wäre beinahe die damals der Gewerkschaft gehörende Bawag untergegangen. Verlustreiche Karibik-Geschäfte und ein Blitzkredit an das US-Investmenthaus Refco, das wenige Tage später pleite ging, brachten die Bank an den Rand des Ruins. Der ÖGB, dessen Vermögen für den Streikfonds die Bank war, musste die Bawag verkaufen. Der US-Fonds Zerberus erhält den Zuschlag, 2017 ging die Bank an die Börse.
Ein nicht weniger prominenter Name war die Meinl Bank, die in die Anglo Austrian AAB Bank umgewandelt wurde und der die Europäische Zentralbank die Konzession entzog. Sie befindet sich in Abwicklung.
Eines der ersten großen österreichischen Opfer der Finanzkrise war die Kommunalkredit, die ebenfalls von der Republik aufgefangen werden musste und deren Abwicklung bis heute andauert. Sie wurde in eine Bad Bank und einen gesunden Teil aufgeteilt, letzterer wurde privatisiert. Ebenfalls Probleme durch die Finanzkrise bekam die ÖVAG, das Spitzeninstitut des Volksbankensektors, das ebenfalls durch Unterstützung der Steuerzahler abgewickelt werden musste.
Wellen schlug der Untergang der Constantia Privatbank, der durch die Finanzkrise und Probleme des Immobilienkonzerns Immofinanz ausgelöst wurde. Sie wurde geordnet vom Markt genommen.
Ein Opfer des US-amerikanischen Anlagebetrügers Bernie Madoff wurde die Bank Medici, die 1984 von der Investmentbankerin Sonja Kohn gegründet wurde und bei der die Bank Austria einstieg. Die Bank hatte Geld für Madoff eingesammelt und wurde durch dessen Untergang mitgerissen.
Vor der Finanzkrise gab es zurückgehend bis in die 70er-Jahre zahlreiche kleinere Bankenpleiten. Dazu zählen unter anderem die Trigon Bank, die schon länger finanziell angeschlagen war und um die Jahrtausendwende in Konkurs ging. Kurz davor ging die Diskont-Bank wegen eines Pyramidenspiels pleite. Ebenfalls Ende der 90er-Jahre insolvent wurde die Rieger Bank, der Eigentümer soll den Tresor ausgeräumt haben und mit dem Geld an die Cote d’Azur durchgebrannt sein.
Davor ging die BHI in Graz, eine kleine Regionalbank, pleite. In den 70er-Jahren erwischte es die ATS Teilzahlungsbank, die AWB des ehemaligen österreichischen Wirtschaftsministers Peter Krauland sowie die Österreich-Tochter der US-Bank Continental Illinois.
Von Thomas Pressberger
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