Coeuré: Niedrige Zinsen schaden weniger als höhere

Benoit Coeure: "Die Notenbank kann das Finanzsystem der Euro-Zone weiter mit Liquidität versorgen."
Sparer würden nur bei kurzfristigen Geldanlagen verlieren, verteidigt der EZB-Direktor die Zinssenkung.

Die Kritik am historischen Tief des Leitzinses ebbte auch am Wochenende nicht ab. Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré verteidigte daher am Montag die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Höhere Zinsen würden "dem Sparer schaden", schrieb Coeuré. Ein höherer Leitzins für die Eurozone hätte "die Rezession verschärft, das Einsetzen einer Erholung verzögert" und zum Risiko einer Deflation beigetragen.

Weitere Senkung "wenn nötig"

Von einer Deflation ist die Rede, wenn das allgemeine Preisniveau sinkt anstatt zu steigen. Folge ist, dass Unternehmen und Verbraucher Ausgaben verzögern, weil sie mit immer niedrigeren Preisen rechnen. Dies kann die Konjunktur bremsen. Am Wochenende hatte Coeuré gegenüber dem Sender France Inter sogar "wenn nötig" eine weitere Zinssenkung in Aussicht gestellt.

Der aktuelle Kurs der EZB wirke sich nur auf Zinsen für kurzfristige Geldanlagen aus, entgegnete Coeuré jenen Kritikern, die eine kalte Enteignung der Sparer orteten. Die Zinsen für langfristige Geldanlagen hingegen, die für Sparer entscheidender seien, stünden in Deutschland deswegen unter Druck, weil Wertpapiere wie die als sicher geltenden deutschen Staatsanleihen auch bei Investoren aus dem Ausland stark gefragt seien. Dadurch sänken die Zinsen für solche Papiere. Andere Länder der Eurozone wie etwa im Süden der Eurozone müssten hingegen hohe Zinsen zahlen.

Uneinheitliches Zinsniveau "einebnen"

Unterm Strich sei die Geldpolitik der EZB und damit auch die derzeitige Niedrigzins-Politik "angemessen", rechtfertigte Coeuré die jüngste Zinssenkung. Das uneinheitliche Zinsniveau in der Eurozone könne nur eingeebnet werden, wenn die sogenannte Bankenunion vorangebracht werde, zu der eine gemeinsame Bankenaufsicht und ein einheitlicher Mechanismus zur Abwicklung von Banken gehören.

"Revolte" innerhalb der EZB

Die EZB hatte in der vergangenen im Woche im Kampf gegen die Folgen der Schuldenkrise in der Eurozone ihren Leitzins vom bisherigen historischen Tief von 0,5 Prozent auf die neue Tiefstmarke von 0,25 Prozent gesenkt. Dabei soll im Vorfeld der Zinssenkung innerhalb des 23-köpfigen EZB-Rates alles andere als Einigkeit geherrscht haben, wie die Financial Times am Montag berichtete. Es habe sogar eine Sechs-Mann-"Revolte" gegeben, der auch Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny, sowie der Niederländer Klaas Knot angehört haben. Angeführt sei die Truppe von zwei deutschen EZB-Ratsmitgliedern worden.

Zumindest ein Viertel des EZB-Rats soll nicht mit dem Kurs des Präsidenten Mario Draghi einverstanden sein. Bei der OeNB in Wien wollte man den Bericht nicht kommentieren: "Abstimmungsergebnisse werden nicht bekanntgegeben", sagte ein Sprecher.

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