Causa Chorherr: Ermittler fanden neue Hinweise auf problematische Vorgänge
Am kommenden Mittwoch wird der ehemalige grüne Planungssprecher Christoph Chorherr vor der U-Kommission des Wiener Gemeinderats aussagen. Neue Ermittlungsprotokolle des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung (BAK), die dem KURIER vorliegen, belasten den ehemaligen Politiker hingegen mehr als bisher vermutet. Wie berichtet, stehen Bestechungsvorwürfe im Raum.
Einerseits war Chorherr Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Wohnen und Stadterneuerung. Andererseits hat er für den Verein s2arch, der Schulprojekte in Südafrika unterstützt, Spenden entgegengenommen – insbesondere von Immobilienunternehmen und von der Stadt Wien.
Die Ermittler fanden dabei eigenartige Überschneidungen: So stellte sich heraus, dass Spenden teilweise sehr zeitnah zu Widmungsansuchen überwiesen wurden.
„Da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass den Spendern zum Zeitpunkt der Spende die Position von Chorherr bewusst war, kann davon ausgegangen werden, dass durch die Spende ein Vorteil erhofft wurde“, heißt es im Ermittlungsakt. Chorherr bestreitet jeden Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit als Gemeinderat und der im Verein s2arch. Es sei „niemals“ eine Gegenleistung für den Erhalt einer Zuwendung gefordert worden, diktierte er den Ermittlern ins Protokoll.
In der Causa wird mittlerweile gegen 20 Beschuldigte ermittelt. Es besteht der Verdacht des Amtsmissbrauchs, der Bestechung und der Bestechlichkeit. Das BAK ermittelt, ob die Spender aus der Immobilien- und Finanzbranche (Unternehmer wie Michael Tojner oder Günter Kerbler) tatsächlich Gegenleistungen bekamen, wenn sie für Chorherrs südafrikanisches Schulprojekt gespendet haben. Alle Beteiligten bestreiten etwaige Unregelmäßigkeiten vehement.
Dabei hat der Verein s2arch sehr spendable Geldgeber. Laut den Dokumenten nahm er zwischen 2007 und 2016 insgesamt rund 3,519 Millionen Euro ein, davon entfallen 550.000 Euro auf „Subventionen“ der Stadt Wien. Im Jahr 2012 soll Chorherr laut Ermittlern im Gemeinderat bei der Subventionierung (100.000 Euro) seines Vereins sogar mitgestimmt haben, obwohl er sich nach der Stadtverfassung für befangen erklären hätte müssen.
Privilegierter Verein
Die Förderung der Stadt Wien erfolgte immer direkt – ohne übliche Ausschreibung. Es sei damals „politischer Wille gewesen, die Projekte von Chorherr zu genehmigen“, sagt der zuständige Referent aus. Auch soll der Verein seinen formalen Erfordernissen nicht nachgekommen sein. Oder anders gesagt: Der Verein soll der Stadt die erforderlichen Berichte nicht und nur mangelhafte Abrechnungen vorgelegt haben.
Das hätte jedenfalls bei Normalbürgern Rückforderungen oder sogar den Ausschluss von Förderungen nach sich ziehen müssen. Was aber nicht geschehen sein soll. Mit anderen politisch nicht-privilegierten Fördernehmern wäre man nicht so großzügig umgegangen, sagte der Zeuge.
Indes war Chorherr in seiner Zeit als Wiener Gemeinderat der Ansprechpartner für Immobilienfirmen in Sachen Stadtplanung und Wohnbau. Bei ihm als Planungssprecher liefen viele Fäden zusammen.
Die Ermittler des BAK haben mehrere Bauprojekte und Widmungen unter die Lupe genommen – auf der Suche nach möglichen Unregelmäßigkeiten und etwaigen politischen Mauscheleien. Ein solcher Verdachtsfall ist ein Bauprojekt in Wien-Penzing. Laut den Protokollen geht es um einen gemeinnütziger Wohnbauträger, der mit der Umwidmung einer Liegenschaft in Wien-Penzing bei der Magistratsabteilung 21 für Stadtteilplanung und Flächennutzung anfangs auf Ablehnung stieß.
Der „liebe Christoph“
Daraufhin sicherte sich der Bauträger die Unterstützung von Chorherr. Er ersuchte Mitte Februar und Mai 2016 in zwei Schreiben den „lieben Christoph“ um seine „Unterstützung im Widmungsprozess“.
Die Liegenschaft lag nicht im Bauentwicklungs- und Erschließungsgebiet, außerdem ging es um die Umwidmung eines Tennisplatzes in Bauland. Der Bauträger wollte über Chorherr in Erfahrung bringen, warum die MA 21 Bedenken gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes habe. Die beiden Schreiben an Chorherr wurden auch direkt an die MA 21 geschickt und landeten letztlich im Handakt des zuständigen Sachbearbeiters.
"Das wäre Korruption"
Die Ermittler halten fest, dass „der Inhalt der beiden Briefe eine zumindest versuchte Einflussnahme durch Christoph Chorherr in das gegenständliche umwidmungsansuchen und möglicherweise in das Widmungsverfahren nahelegt“. Der Sachbearbeiter soll seinem Dezernatsleiter „mitgeteilt haben, dass da etwas nicht stimmen würde, dass das Korruption wäre.“ Der Dezernatsleiter soll gemeint haben: „Pass auf, was Du sagst.“
Auch der nächste Vorgesetzte soll im Zusammenhang mit dieser Umwidmung erklärt haben, „dass dies Politik sei und er würde sich da nicht einmischen“.
Gab es Weisung?
Die Geschäftsführer des Bauträgers haben insgesamt drei Gespräche mit der MA 21 geführt. Letztlich erwartete der Sachbearbeiter von seinem Vorgesetzten eine Weisung zur Umwidmung dieser besagten Liegenschaft von Grünland in Bauland erhalten haben. Doch dazu kam es nicht. Die Umwidmung kam nicht zustande.
Für die Ermittler stellt sich daher heute die Frage, „wozu die Interventionen beziehungsweise Gespräche mit Christoph Chorherr überhaupt erforderlich schienen“.
Die beiden Geschäftsführer des Bauträgers bestreiten jede Vorteilsgewährung oder Bestechung. Auch Chorherr gab gegenüber den Ermittlern an, dass der Bauträger bloß um einen Termin ersucht hätte. Das sei völlig üblich. Eine mögliche Beeinflussung von Flächenwidmungsverfahren stellte Chorherr in Abrede. „Diese Prozesse seien „in höchstem Maße transparent und allfälliges sachwidriges Handeln von seiner Seite wäre sofort aufgefallen“, gab er zu Protokoll.
In konkreten Fall fanden die Ermittler keine dazu passende Spende, in anderen zwar Geldflüsse, allerdings nur vage Hinweise auf eine mögliche Einflussnahme.
Hohe Spendensummen
Und es bleibt offen, warum die Bank Austria angeblich 700.000 Euro spendete und sogar eigene Hilfskräfte nach Südafrika entsendete.
Wo fängt das soziale Engagement und wo grenzt das vielleicht am Bestechung?
Diese Frage wird wohl erst in einem Gerichtsverfahren restlos geklärt werden können. Auffallend ist jedenfalls, dass praktisch nur Firmen und Personen spendeten mit denen Chorherr auch beruflichen Kontakt hatte.
Kann das wirklich alles nur reiner Zufall sein? Eindeutig scheint auch, dass beide Seiten (sowohl die Ansuchenden als auch die Entscheider) stets versuchen, alle Vorfälle klein zu reden.
Doch in einem Fall wurde eine Spende mit dem Namen einer Immobilie als Verwendungszweck auf der Überweisung bezeichnet – als „behalf of Himmelstrasse“. Doch dabei handelt es sich um die Adresse eines Großspenders (400.000 Euro) aus der Finanzbranche.
Oktober 2017: „Chorherr: Spendenliste mit Beigeschmack“ titelt der KURIER – und bringt die Causa Chorherr damit ins Rollen. Hunderttausende Euro wurde an Chorherrs Verein „s2arch“ gespendet, um Schulen in Südafrika zu bauen. Der KURIER veröffentlicht erste Namen der Spender. Chorherr kündigt daraufhin an, alle Spender offenzulegen. Bis heute hat er dies allerdings nicht getan. Später stellt sich heraus, dass die Stadt Wien einer der Hauptsponsoren ist.
Februar 2018: Gemeinderat Chorherr liegt seine Funktionen in dem Verein zurück. Die Korruptionsbekämpfer führen die ersten Einvernahmen durch.
September 2019: Chorherr legt seine Parteimitgliedschaft bei den Grünen zurück.
Dezember 2019: Auf Initiative der FPÖ nimmt die U-Kommission des Gemeinderats die Arbeit auf und durchleuchtet auch die Causa Chorherr.
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