Baustoffmangel: Beton wird zum knappen Gut
Beton bestellen und am nächsten Tag zur Verarbeitung geliefert bekommen – dieser Luxus, den es in Österreich bisher gab, gehört seit heuer – zumindest einmal vorerst – der Vergangenheit an. Seit Jahresbeginn gibt es eine extrem hohe Nachfrage nach Beton bzw. dessen Kernbestandteil Zement, die die Zementwerke zu einer intensiven Vorausplanung der Mengen zwingen.
Der Hintergrund: Die Produktion von Zement ist grundsätzlich ein saisonales Geschäft. Im Winter ist die Bautätigkeit und damit die Nachfrage gering, bis zum Sommer geht sie stetig hinauf und hält bis etwa Oktober an.
„Meist gibt es eine kleine Delle im August, weil da viele auf Urlaub sind“, erklärt Berthold Kren, Geschäftsführer von Lafarge Österreich. Sein Unternehmen ist laut eigenen Angaben Zement-Marktführer mit einem Anteil von rund 30 Prozent am Gesamtmarkt.
Rekord-Frühling
Heuer war es aber gänzlich anders. Mit März ging die Nachfrage steil nach oben. „Das war, als ob jemand das Licht angedreht hätte. Niemand kann sich an einen so starken März erinnern“, schildert Kren. Die Kunden hätten über den Ende des Vorjahres vereinbarten Mengen abgerufen. Und damit hatte die Branche nicht gerechnet.
Warum die Nachfrage seit dem März so hoch ist? Dafür gibt es, wie üblich, eine Reihe von Gründen. Der Bauboom allgemein natürlich. Und auch die Investitionsprämie der Regierung, die Kren als „sehr gut und treffsicher“ beschreibt.
Nur: Eine der Förderbedingungen war die Umsetzung von Projekten innerhalb eines Jahres. „Da kann man sich ungefähr ausrechnen, dass wenn sehr hohe Fördervolumina ausgeschüttet werden, ein vielfaches an Investitionsvolumina am Markt ist. Einiges davon ist bautechnisch umzusetzen.“
Planungsproblem
Zusätzlich ist, wie eingangs erwähnt, niemand in Österreich gewohnt, sich zum Zeitpunkt der Planung intensiv mit der Rohstoffsituation und -verfügbarkeit auseinanderzusetzen. „Wir haben jetzt also eigentlich kein Kapazitäts-, sondern ein Planungsproblem“, erklärt der Lafarge-Geschäftsführer.
Es sei jedenfalls nicht so, dass die Ende des Vorjahres bestellten Zementmengen nicht geliefert werden können. Probleme bereiten nur der darüber hinausgehende Bedarf. Deswegen stehe man in engem Austausch mit den Kunden, die das Problem mittlerweile erkannt hätten und gemeinsam mit den Zementproduzenten überlegen, welche Projekte nach hinten verschoben werden können.
Mehr zu produzieren geht übrigens kaum: Die Anlagen zur Zementproduktion laufen 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Auch weniger zu produzieren ist gar nicht so einfach: Man muss die Anlagen abschalten. Das passiert einmal pro Jahr für die ohnehin notwendige Revision im Winter, wo wenig Beton verbaut wird. Das Jahr über wird aber – außer bei extrem schwacher Nachfrage – nicht abgeschaltet.
Lafarge betreibt im Wiener Umland und in der Steiermark je ein Zementwerk, außerdem als Gruppe Werke etwa in Tschechien, Ungarn und Kroatien. Normalerweise helfe man sich bei Engpässen gegenseitig aus, heuer sei die Situation aber auch in den Nachbarländern eine ganz ähnliche.
Die Zementwerke würden „just in time“ produzieren, schildert auch Wopfinger Transportbeton-Chef Wolfgang Moser dem KURIER. Auch er bestätigt eine „durchaus außergewöhnliche Situation“.
Der Absatz sei in den ersten Monaten zwischen 15 und 20 Prozent über dem gelegen, was normalerweise für die Jahreszeit üblich ist, schätzt er. Seit Anfang Juli bekäme man daher von den Zementwerken nur mehr das, was man auch bereits im Vorfeld bestellt habe, so Moser.
Stabile Nachfrage
Dass die Nachfrage extrem nach unten geht, ist auch in den kommenden Jahren nicht zu erwarten, sagt Moser. Zwar werde die Nachfrage im privaten Sektor – auch wegen der hohen Kosten – etwas zurückgehen, so seine Prognose. Aber es gebe große Infrastrukturprojekte wie den Bau der S7, den Semmeringbasistunnel, der U-Bahn-Bau in Wien, die Stadtstraße Wien und den Lobautunnel, die eine konstante Nachfrage garantieren.
Ein Rückgang im privaten Sektor werde also wohl vom Bedarf im Industriesektor kompensiert. Dass man – teure – Kapazitätserweiterungen braucht, glaubt Lafarge-Geschäftsführer Kren aber nicht.
Pro Jahr werden in Österreich laut Vereinigung der österreichischen Zementindustrie rund 5,2 Millionen Tonnen Zement produziert.
Normalbeton besteht anteilig aus
7 % Wasser
13 % Zement
80 % Kies und Sand
Der heute gängige Portland-Zement wurde 1844 von dem Engländer Isaac Charles Johnson entdeckt. Der Name geht auf die englische Halbinsel Portland zurück. Weltweit werden jährlich 4,65 Milliarden Tonnen Zement zu Beton und Mörtel verarbeitet. Beton ist der wichtigste Baustoff der Welt.
Kommentare