"So eine Preissituation, wie sie heuer ist, habe ich noch nicht erlebt", fasst es Robert Jägersberger, Innungsmeister der Bauinnung in der Wirtschaftskammer Österreich, zusammen. Der Preis hänge zwar immer stark von den verwendeten Materialien ab, sagt er. Rund sechs bis acht Prozent müssen Bauleute heuer aber für ein Einfamilienhaus mehr hinblättern als noch vor einem Jahr, so seine Schätzung. Normal sind, sagt er, jährliche Steigerungen von zwei bis drei Prozent. Die ergeben sich etwa aus Kollektivvertragserhöhungen und aus Inflationsanpassungen.
Es mangelt jedenfalls nicht nur an einem Material, sondern gleich an einer ganzen Palette: Stahl, Bauholz, Dämmstoffe. Der Preisindex für Schnittholz ist von März 2020 bis März 2021 um über 26 Prozent gestiegen. Bei verarbeiteten Produkten gehen die Steigerungen sogar bis zu 80 oder 90 Prozent. Noch deutlicher das Plus bei Dämmstoffen wie Styropor: Eine Preisverdopplung gegenüber dem Vorjahr ist keine Seltenheit. Und der Rohstoffpreis für Stahl hat auch um rund 30 Prozent angezogen.
Glas ebenfalls knapp
Auch Glas ist knapp, weiß Josef Hattmannsdorfer, Wirtschaftskammer-Vertreter der Glasindustrie. Sein Unternehmen produziert und handelt mit Isolierglas. Der Grund für die Knappheit: Viele Firmen haben gleichzeitig die Revision ihrer Floatglashütten begonnen. Und die nimmt rund sechs Monate Zeit in Anspruch. Zeit, in der die Produktion stillsteht. "In Europa sind momentan einige der Hütten auf Reparatur", so Hattmannsdorfer. Was zu einer Knappheit in der Versorgung führt.
Und, natürlich, zu höheren Preisen. "Die Rohware Glas ist je nach Produktgruppe zwischen 15 und 25 Prozent teurer geworden", weiß Hattmannsdorfer. "Bei veredelten Produkten sind es Steigerungen zwischen zehn und 15 Prozent." Dass Baustellen nicht beliefert werden können, heißt das im Umkehrschluss aber nicht. Gröbere Lieferverzögerungen gebe es nur bei bestimmten Sonderprodukten wie etwa Farb- oder Weißgläser.
Ein Problem sind nicht nur die gestiegenen Preise, sondern überhaupt die Verfügbarkeit der Baumaterialien. Je nach Baumaterial wartet man bis zu 20 Wochen auf eine Lieferung. Gewisse Holzprodukte gebe es erst im Herbst wieder, zählt Bauinnungssprecher Jägersberger auf. Das kann das ein oder andere Bauprojekt schon sehr verzögern. Hinzu kommt, dass man bisher mit Vorlaufzeiten bei Lieferungen ziemlich verwöhnt war.
Ein Problem ist das nicht nur für die Konsumentinnen und Konsumenten, sondern war es in den vergangenen Monaten in erster Linie für die Baufirmen. Denn: Wer Verträge im Vorjahr abgeschlossen hat, den trafen die Steigerungen Anfang des Jahres mit voller Wucht – Gewinnmargen sind dahingeschmolzen. Dazu kommen Mehrkosten durch Corona-Präventions-Maßnahmen wie Abstandsregeln und größere Nassbereiche. "Die Firmen arbeiten preislich am Anschlag", bestätigt auch Jägersberger.
"Beginn einer Spirale"
Ein Beispiel schildert Andreas Frech, der eine Installateurfirma in Wien betreibt. Lüftungsrohre, Rohre und Schläuche für Elektroinstallationen – überall gibt es empfindliche Preissteigerungen. "Allein bei den Lüftungsrohren ist das Rohmaterial, verzinkte Bleche, um 90 Prozent teurer geworden", sagt er. Anders als viele Wirtschaftsforscher glaubt er übrigens nicht, dass sich das Preisniveau im Herbst wieder einpendelt. "Wir sind erst am Beginn einer Spirale." Denn die Nachfrage ist hoch, die Sparquote ebenso – und die Menschen würden in Sachwerte investieren. Gleichzeitig sieht er eine steigende Insolvenzgefahr bei Firmen, die gestiegene Baumaterialkosten – etwa wegen bereits abgeschlossener Verträge bei langfristigen Bauprojekten etwa im großvolumigen Wohnbau – nicht adäquat weitergeben können.
Doch zurück zum Endkonsumenten. Dass die Nachfrage ungebremst hoch ist und sich die gestiegenen Baukosten nicht auf die Baulaune in Österreich auswirken, bestätigt auch Bauinnungsmeister Jägersberger: Einen Auftragsrückgang verzeichnet man nicht. Er erwartet auch keinen Einbruch.
Die gute Nachricht, zumindest für den Moment: Aktuell stagnieren die Preise. Die sprunghaften Anstiege waren vor allem von Jänner bis April dieses Jahres zu beobachten. Die schlechte: Eine Prognose, was die Preisentwicklung angeht, wagt niemand zu geben. "Solange die Nachfrage da ist und die Grundprodukte fehlen, ist das schwierig", sagt der Baumeister.
Dass sich die Preise aber wieder annähernd auf das Niveau des Vorjahres reduzieren können, das glauben die wenigsten. "Ich erwarte eine Stagnation der Preise, vielleicht einen leichten Rückgang", sagt Jägersberger.
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