Der Ende 2018 aufgeflogene Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen beschäftigt nach wie vor die österreichischen Gerichte. Tausende Verfahren sind weiterhin anhängig. Allein Anwalt Michael Poduschka führt 1.900 Einzelverfahren und mehrere Sammelklagen für 10.000 betroffene Fahrzeughalter im Auftrag des VKI. Das Gros betrifft den Skandalmotor EA189, der in den Jahren 2008 bis 2015 in den Fahrzeugen von Audi, Seat, Skoda und VW verbaut wurde.
Immer öfter erzielen klagende Autobesitzer Schadenersatzzahlungen in Höhe von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises, mitunter auch doppelt so viel. Es gibt nun auch zum Teil bereits rechtskräftige Urteile gegen Autobauer wie Volvo, Mercedes, Fiat (Wohnmobile), Opel oder Peugeot.
Laut einem Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht wurden einem Kläger zehn Prozent Schadenersatz zugesprochen, der im Jahr 2015 einen Volvo XC60 um 37.600 Euro gekauft hatte. Denn Volvo hat in erster Instanz eingeräumt, dass bei dem Fahrzeug ein sogenanntes Thermofenster vorhanden ist.
Die Beweislast-Umkehr
Bei Temperaturen unter null Grad und höher als 40 Grad werde die Abgasrückführung reduziert. Ein Thermofenster ist laut Gericht eine Abgas-Abschalteinrichtung. Die Richterin hält im Urteil auch fest, dass „in Österreich Temperaturen unter null Grad keinesfalls unüblich sind, sodass die Abschalttemperatur bei normalem Fahrbetrieb zu erwarten ist“. Eine solche Abschalteinrichtung ist laut EU-Verordnung nur dann nicht unzulässig, wenn sie den Motor vor Beschädigung oder vor Unfällen schützt.
Die Beweislast liegt dabei nicht beim Kläger, sondern beim Autobauer. Laut Gericht hat Volvo nicht konkret vorgebracht, dass die Abschalteinrichtung im Sinne der Ausnahmebestimmung notwendig ist. „Volvo ist damit seiner Beweislast zum Vorliegen eine Verbotsausnahme nicht nachgekommen, weshalb im vorliegenden Fall vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen ist“, heißt es in dem Berufungsurteil, das Poduschka erstritten hat.
Ein Fall Mercedes
Im Fall eines Mercedes Vito 250, Kaufpreis 66.400 Euro, hat das Oberlandesgericht Linz der Käuferin 2.220 Euro Schadenersatz zugesprochen, weil bereits das Erstgericht festgestellt hatte, dass von einer Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss, weil bei der AdBlue-Einspritzung zwei Modi vorhanden sind. „Die unterschiedlichen Strategien bezüglich der Eindosierung von AdBlue (Harnstoff) haben nichts mit dem Motorschutz zu tun“, heißt es in dem Urteil. Harnstoff wird dazu benötigt, die Stickoxid-Emissionen zu eliminieren. Mercedes behauptet laut Urteil, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt.
Ein Fall Opel
Besonders spannend ist der Fall Opel. Der Opel-Dieselmotor B16DTH wurde in den Jahren 2013 und 2019 angeblich in 80 unterschiedlichen Modellen verbaut. Eine Klägerin kaufte 2021 einen gebrauchten Opel Astra um 9.999 Euro. Bei dem Fahrzeug sind laut Urteil drei Abgas-Reinigungs-Abschalteinrichtungen verbaut: ein Thermofenster, eine Höhenabschaltung und eine Drehzahlabschaltung. „Die Korrektur der Abgasrückführrate findet in einem Temperaturbereich von unter zwei Grad und über 37 Grad Celsius statt“, heißt es im Urteil des Bezirksgericht St. Johann im Pongau. „Beim Unterschreiten des Luftdrucks von 90 Kilopascal, was einer Höhenlage von mehr als 900 Metern entspricht, wird die Abgasrückführrate aus Gründen des Motorschutzes deaktiviert.“ Auch bei Drehzahlen oberhalb von 3.600 U/min werde „aus Motorschutzgründen“ der Abgasrückführung abgeschaltet.
„Das Klagsfahrzeug entspricht wegen der drei verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht den EU-Bestimmungen über die Typengenehmigung (...) und würde diesen auch nach dem Software-Update nicht entsprechen“, so das Gericht. „Das Fahrzeug ist mangelhaft.“ Der Besitzerin wurden zehn Prozent Schadenersatz zugesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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