Wenn Schwangere an Diabetes erkranken

Diabetes in der Schwangerschaft muss ernst genommen werden.
Der KURIER-Gesundheitscoach klärt über Risikofaktoren, Diagnose und Therapie auf.

Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer ist Diabetes-Spezialistin, Professorin für Gender Medicine (geschlechtsspezifische Medizin) an der MedUni Wien / AKH Wien.

Wenn Schwangere an Diabetes erkranken
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Wie häufig ist Schwangerschaftsdiabetes?

16 Prozent der Schwangeren sind betroffen. Ist der Fetus ein Bub, ist das Risiko laut neuen Daten noch höher. Buben dämpfen die mütterliche Insulinausschüttung stärker. Bekommt eine Frau mit einem weiblichen Fetus diese Erkrankung, hat sie später ein noch höheres Risiko für Typ-2-Diabetes. Wir unterscheiden heute zwischen klassischem Schwangerschaftsdiabetes, der ab der 20. Woche durch hormonelle Veränderungen entsteht. Und bereits länger bestehenden Typ-2-Diabetes-Erkrankungen, die erst in der Schwangerschaft entdeckt werden.

Welche Risikofaktoren gibt es?

Generell ist eine Schwangerschaft ein Stresstest für die Bauchspeicheldrüse. Jede Frau bekommt eine gewisse Insulinunempfindlichkeit (Insulinresistenz), gesunde Frauen können das mit erhöhter Insulinausschüttung kompensieren und haben dann oft niedrigere Blutzuckerwerte als sonst. Bei Frauen in der ersten Schwangerschaft ist Übergewicht der wichtigste Risikofaktor. Risikosteigernd sind aber u.a. auch ein hoher Blutdruck, hohe Blutfette, höheres Alter, Diabetes der Eltern und auch die Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien – z.B. eine asiatische Herkunft. Und es gibt auch dünne Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes – sie schütten wegen eines Gen-Defekts zu wenig Insulin aus. Mindestens drei Monate Stillen senkt das Risiko.

Welches Risiko bedeutet die Diagnose?

Es gibt eine erhöhte Rate an Geburtskomplikationen und Kaiserschnitten. Beim Fetus kommt es ebenfalls zu einer erhöhten Insulinausschüttung, er wächst übermäßig stark, das Kind hat später selbst ein erhöhtes Diabetes-Risiko.

Wie wird diagnostiziert?

Jede Frau sollte zu Beginn der Schwangerschaft einen Zuckertest machen, aber ganz besonders jene mit den erwähnten Risikofaktoren. Zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche sollte jede Frau, die noch keinen diagnostizierten Diabetes hat, den im Mutter-Kind-Pass verankerten „oralen Glukosetoleranztest“ absolvieren. Dazu muss sie 250 bis 300 ml Wasser mit 75 g Zucker trinken. Der Blutzucker wird vor Testbeginn, eine und zwei Stunden danach gemessen. Aussagekräftige Ergebnisse liefert nur eine Blutabnahme aus der Vene, ein Blutstropfen aus der Fingerspitze reicht nicht aus. Ist nur einer dieser drei Zuckerwerte erhöht, spricht man bereits von Schwangerschaftsdiabetes.

Und die Therapien?

Lebensstiländerung – Umstellung der Ernährung, mehr Bewegung – und Medikamente. Ohne jegliche Maßnahme entwickeln 50 Prozent der Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes in den kommenden sieben Jahren Typ-2-Diabetes, mit Lebensstiländerungen sind es rund zwei Drittel weniger.

Dr. Kautzky-Willer am Telefon (01 / 526 57 60): Donnerstag, 19. 5. 2016, 14 bis 15 Uhr. eMail: gesundheitscoach@kurier.at

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