Arzt holt Globuli aus Ohr einer 4-Jährigen

Symbolbild Ohrenuntersuchung
Ein deutscher HNO-Arzt entfernte einem Kind zehn Globuli aus dem Gehörgang. Die Eltern hatten versucht eine akute Mittelohrentzündung zu behandeln.

Von einem skurrilen Medizinfall berichten derzeit deutsche Medien, darunter stern.de und morgenpost.de. Ein HNO-Arzt aus dem oberbayrischen Weilheim hatte demzufolge Anfang Jänner einem Kind Globuli aus dem Ohr entfernen müssen. Die Zuckerperlen waren bereits teilweise aufgelöst.

10 Kügelchen im Ohr

Als Dr. Christian Lübbers, seines Zeichens niedergelassener Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Weilheim, die Vierjährige behandeln wollte, fand er die Globuli. Mit einem Sauger habe er zunächst die Kügelchen und Sekret aus dem Gehörgang des fiebrigen Kindes geholt, so Lübbers gegenüber morgenpost.de. "Das Mädchen war sehr tapfer." Er habe aufgrund des nach außen gewölbten, unter Druck stehenden Trommelfells und des Eiters dann sofort auf eine bakterielle Mittelohrentzündung geschlossen.

Die Eltern schilderten dem Arzt, dass sie zuvor bei einem Heilpraktiker gewesen und von diesem die Globuli zur Behandlung der Ohrenschmerzen ihrer Tochter bekommen hatten. Anschließend hätten sie die weißen Kügelchen ins Ohr des Mädchens geschüttet, schließlich sei das homöopathische Präparat "ja für das Ohr" gedacht gewesen. Über die genaue Anwendung der Globuli, die stets oral erfolgt, wurden die Eltern offenbar nicht ausreichend aufgeklärt. Als sich der Zustand des Mädchens nicht besserte, suchten die Eltern den Spezialisten auf.

Twitter-Debatte zu Homöopathie

Publik wurde der bizarre Fall, als Dr. Lübbers einen Tweet dazu verfasste. Er schrieb: "Beim Kind mit einer akuten eitrigen Mittelohrentzündung 10 Globuli aus dem Gehörgang geholt... Homöopathie wirkt: Dummheit potenziert sich". Der Mediziner twittert bereits seit fünf Jahren - meist zu gesundheitspolitischen Themen.

Der Tweet wurde auf Twitter nicht nur mehrfach geteilt, auch kritische Stimmen gegen Homöopathie wurden laut. "Das grenzt an Körperverletzung, wenn man sein Kind solch einer Gefahr aussetzt", kommentierte eine Userin. "Die Homöopathie kann aber nichts dafür, wenn Leute zu dämlich sind, ein Arzneimittel korrekt anzuwenden", konterte eine andere. Viele User propagierten einen gesunden Mittelweg, der Schulmedizin nicht verteufelt und die Wirkung alternativer Heilmethoden anerkennt.

Kein Antibiotika-Verfechter

Der Mediziner blieb aufgrund seiner provokanten Formulierung unterdessen ebenfalls nicht verschont. Im Interview mit der Morgenpost erklärte er, dass er den Wirbel rund um seinen Post durchaus nachvollziehen könne. "Ich glaube viele können sich in die Situation hineinversetzen. Jeder hatte mal eine Mittelohrentzündung." Es sei nicht seine Intention gewesen Homöopathie zu verteufeln, sondern über korrekte Behandlungsmethoden und Defizite in der Arzt/Heilpraktiker-Patienten-Kommunikation aufzuklären.

Auch er sei kein Verfechter von Antibiotika, außerdem seien "90 bis 95 Prozent der Mittelohrentzündungen viralen Ursprungs". Antibiotika würden hier ohnehin nicht helfen. Oft würden Ärzte jedoch vorsichtshalber gleich Antibiotika verschreiben, da ein zweiter Patientenbesuch den Ärzten bei Kassenpatienten in Deutschland nicht vergütet werde. Damit übt Lübbers auch Kritik am Gesundheitswesen und der nationalen Gesundheitspolitik.

Von einer Verständigung des Jugendamtes habe er abgesehen, weil die Eltern das Wohl des Mädchens im Auge hatten und nur das Beste für ihr Kind wollten. Ob die Globuli die Entzündung verschlimmert haben, kann der Mediziner ohnehin nicht mit Sicherheit sagen. "Der Fremdkörpereffekt war aber sicher schlimm für das Kind."

Dr. Lübbers Patientin befindet sich derweil bereits auf dem Weg der Besserung. Dank Nasenspray, Schmerzmittel und einem antibiotischen Saft. Das erklärte der HNO-Arzt gegenüber dem Stern.

Die Wirkungsdebatte

Die Homöopathie gilt weltweit nach wie vor als umstritten. Kritiker betonen seit jeher, dass es keine eindeutigen Wirkungsbelege gebe und diese auch nicht erbracht werden können, da es sich um eine "naturwissenschaftlich unplausible Wirkweise" und eine "Placebotherapie" handle.

Eine Studie ergab im Frühjahr des vergangenen Jahres, dass jeder zweite Österreicher Homöopathika verwendet. Am häufigsten werden die pflanzlichen Mittel bei Kopfschmerzen, Erkältungskrankheiten und Husten eingenommen.

Im Zuge der Untersuchung, die von der Firma Peithner (österreichischer Marktführer auf dem Gebiet der Homöopathie) in Auftrag gegeben wurde, wies man dezidiert darauf hin, dass Globuli und Co. keinesfalls Allheilmittel seien: "Die Homöopathie ist keine Alternative zur Schulmedizin für Diabetes, Bluthochdruck oder Herzinfarkt", hieß es damals in der Aussendung zur Studie.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sowie viele Mediziner vertreten mittlerweile einen integrativen Ansatz, der die Anwendung "traditioneller und komplementärer Medizin", zu der auch Homöopathie gezählt wird, unterstützt. Homöopathische Präparate könnten beispielsweise im Hinblick auf steigende Antibiotika-Resistenzen ein Weg sein.

Kommentare