Ernährungsmythen im Faktencheck

Populäre Ernährungstrends fehlt oft die wissenschaftliche Grundlage.
Entschlacken funktioniert, viel trinken ist gesund, glutenfrei macht schlank: Ernährungsmythen im Faktencheck.

Sängerin Lady Gaga tut es. Und Designerin Victoria Beckham: Wenn Promis kundtun, sich glutenfrei zu ernähren, wird diese Ernährungsform für die Autoimmunerkrankung Zöliakie plötzlich zu einem "gesunden" Trend. Auch vegane Ernährung hat längst dieses Prädikat bekommen, eine mögliche Mangelernährung wird dabei ausgeblendet.

Bei derartigen Phänomenen sprechen Ernährungsexperten mittlerweile vom sogenannten Health Halo Effect (von engl. Wort "halo" für Heiligenschein). Vereinfacht heißt das, bestimmte positiv wahrgenommene Eigenschaften überstrahlen andere.

"Die Ernährung ist längst hinausgewachsen über die unmittelbare Nährstoffdeckung und Sättigung", sagt Univ.-Prof. Christian Madl, Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Klinische Ernährung (AKE). "Sie ist ein Element der Weltanschauung, des Lebensstils, der Gruppenzugehörigkeit und wird oft zum Religionsersatz." Anlässlich der AKE-Jahrestagung wurden daher einige populäre Ernährungstrends einer wissenschaftlichen Experten-Analyse unterzogen.

Mythos: Viel trinken ist gesund

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Kaum jemand, der heute im Freien ohne Wasserflasche anzutreffen ist. "99 Prozent der Bevölkerung glauben, mehr zu trinken fördert die Entgiftung und Nierenfunktion", sagt Nephrologe Ao. Univ.-Prof. Wilfred Druml, MedUni Wien. Zudem solle Wachheit und Leistungsfähigkeit verbessert werden. Mögliche günstige Effekte einer erhöhten Flüssigkeitszufuhr (über das natürliche Durstempfinden und Nahrungsaufnahme hinausgehend) seien jedoch wissenschaftlich nicht belegt. "Bei Gesunden führt das zu keinerlei positiven Effekten. Zu viel Flüssigkeit könne laut Druml auch negative Effekte wie Bluthochdruck oder ein zu hohes, im Blutkreislauf zirkulierendes Blutvolumen haben. Nur bei "sehr wenigen Krankheiten", etwa Nierensteine oder Harnwegsinfekte, ist eine erhöhte Zufuhr vorteilhaft.

Mythos: Glutenfreie Kost ist gesund und macht schlank

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Bread slice marked with gluten free stamp isolated

"Bei der Zusammensetzung glutenfreier Produkte gibt es große Unterschiede", sagt Gastroenterologin Eva-Maria Fuchs von der Wiener Rudolfstiftung. In einer kleinen Studie wurde festgestellt, dass manche signifikant weniger Kohlenhydrate, dafür aber mehr Fett enthielten. In punkto Schlankmacher bei Menschen ohne Zöliakie liegen gar keine Untersuchungen an Menschen vor – lediglich an Mäusen. Die Tiere, die acht Wochen glutenfrei ernährt wurden, nahmen weniger zu als jene in der Vergleichsgruppe. Auf Menschen übertragbar ist das aber nicht.

Mythos: Paläo-Diät entspricht natürlicher Ernährungsweise

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Bildnummer: 55122536

Der Mensch lebt genetisch noch in der Steinzeit und hat sich nie wirklich an später dazugekommene Lebensmittel gewöhnt. Daraus resultieren degenerative Erkrankungen. So wird die trendige Paläo-Diät begründet. Milch, Getreide, Hülsenfrüchte und Zucker sowie industriell gefertigte Nahrungsmittel werden daher eliminiert.

Alexandra Wolf, Ernährungsexpertin bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in Wien: "Der Verzicht auf ganze Lebensmittelgruppen ist kritisch zu betrachten, die Argumentationslinien sind nicht immer wissenschaftlich nachvollziehbar." Außerdem gebe es die typische Paläo-Diät gar nicht. "Die Zusammensetzung variiert und ist abhängig von geografischer Lage und Klima." Außerdem fehlen noch Langzeitstudien über positive oder negative Effekte.

Mythos: Der Mensch ist vergiftet und muss "gereinigt" werden

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Um "Entschlackung" und "Colon Cleaning" hat sich ein richtiger Hype entwickelt, sagt Gastroenterologe Christian Madl, Rudolfstiftung. Damit sollen etwa Ablagerungen entfernt, der Stoffwechsel angekurbelt werden oder das Immunsystem angeregt werden. Das soll sogar bei Erkrankungen wie Migräne, Allergien oder Rheuma helfen. Für Madl ist Entschlackung "aus medizinischer Sicht Unsinn". Der komplexe Darm sei hingegen ein Verdauungs-, Stoffwechsel- sowie immunologisches Organ, "aber kein Entgiftungsorgan". Dazu fehle wissenschaftliche Evidenz "für einen Benefit durch regelmäßige Darmreinigung".

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