Nachfrage nach glutenfreien Produkten größer als Bedarf

Bread slice marked with gluten free stamp isolated
Nur ein Prozent verträgt tatsächlich kein Gluten. Für Gesunde hat „glutenfrei“ keine Vorteile.

Wer kein Gluten verträgt, muss auf viele Produkte verzichten - normales Bier und Brot beispielsweise. Doch glutenfreie Produkte sind im Kommen, das hat auch der Einzelhandel erkannt.

Die endlose Suche im Supermarkt ist vorbei. Glutenfreie Produkte? Noch vor wenigen Jahren beantworteten die meisten Supermarktangestellten solch eine Frage mit Achselzucken. Wenn es die mit dem "Glutenfrei"-Symbol gekennzeichneten Kekse, Brote und Nudeln überhaupt gab, waren sie in den Regalreihen eher versteckt. Inzwischen setzt der Einzelhandel in Deutschland und auch in Österreich aber auf die Nischenprodukte - ob Drogeriemarkt dm, Diskonter Lidl, Supermärkte oder generell Biomärkte, sie alle haben ihr Glutenfrei-Sortiment deutlich ausgeweitet oder wollen dies noch tun.

Nur ein Prozent hat Autoimmunerkrankung

Das Marktpotenzial allerdings hat gewissermaßen natürliche Schranken: An der Autoimmunerkrankung leidet knapp ein Prozent der Bevölkerung. Allerdings werden die Produkte auch häufig von Menschen ohne die Unverträglichkeit gekauft, etwa wenn sie eine Weizen-Sensitivität haben. Wie viele das sind, ist unklar - unter Medizinern ist eine solche Sensitivität nicht unumstritten.

Zahlen zum Gesamtmarkt glutenfreier Ware gibt es zwar nicht, klar ist aber: Die Nische gewinnt an wirtschaftlicher Bedeutung. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) verweist darauf, dass die Zahl der im Einzelhandel neu platzierten Glutenfrei-Produkte sich von 2010 bis 2014 weltweit fast verdoppelt hat. Branchenführer Dr. Schär vermeldet in Deutschland Jahr für Jahr höhere Absatzzahlen, 2014 stieg der Umsatz um 30 Mio. Euro auf 260 Mio. Euro. Deutschland ist einer der Hauptmärkte des Südtiroler Unternehmens, das auf glutenfreie Backwaren spezialisiert ist. Vor allem in Bio-Supermärkten sind glutenfreie Produkte stark im Kommen, ob Süßigkeiten, Snacks, Gebäck, Pizzen oder Lasagne-Portionen.

Gluten-Diät in Mode

Damit die Produzenten ihre Waren explizit als glutenfrei ausweisen dürfen, brauchen sie das Symbol einer durchgestrichenen Ähre - das wird von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) vergeben. In Österreich ist dafür die Arbeitsgemeinschaft für Zöliakie zuständig. Zöliakie ist ein anderes Wort für Glutenunverträglichkeit. Bei der DZG sehen die Experten den Hype um die Produkte mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das breitere Angebot sei zwar erfreulich, weil der Alltag von Zöliakiebetroffenen vereinfacht werde. Unverständlich sei aber, dass eine Gluten-Diät in Mode komme. Hierbei greifen gesunde Menschen auf die Ware zurück, um abzunehmen. Eine solche Diät - beworben von Hollywoodstars wie Gwyneth Paltrow - sei aber Unsinn.

Die DZG-Sprecherin ärgert sich darüber, weil Zöliakiebetroffene dadurch in eine unseriöse Ecke gestellt würden. "In der Gastronomie und generell in der Bevölkerung wird man daher als Betroffener manchmal nicht erstgenommen, weil angenommen wird, man mache nur eine Trenddiät, die gar nicht nötig wäre." Für gesunde Menschen bringe eine glutenfreie Ernährung keine Vorteile.

Problematisch für Betroffene der Glutenunverträglichkeit, der sogenannten Zöliakie, ist glutenhaltiges Getreide wie Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer, Kamut oder Hybridstämme davon sowie alle Erzeugnisse daraus, etwa Mehl und Teigwaren. Auch Gewürzmischungen können Gluten enthalten. Schon kleine Spuren können zu Bauchschmerzen, Blähbauch, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen führen.

Beim Backen als Ersatz für Weizenmehl kommt beispielsweise Kartoffel-, Kastanien- und Braunhirsemehl infrage. Glutenfreier Teig ist weicher und klebriger als normaler Teig. Ist er zu klebrig, hilft es, ihn ein paar Stunden im Kühlschrank zu lagern und ihn zwischen zwei Lagen Backpapier auszurollen.

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