Die Hahnenkammrennen sind das Hochamt des Skisports. Die Streif in Kitzbühel elektrisiert auch Menschen, die sonst nichts mit dem Weltcup zu tun haben.
Hier trifft Spektakel auf Party. Mirjam Hummel-Ortner und Philipp Radel sind die Verwaltungsräte von WWP, jener Agentur, die seit mehr als einem Vierteljahrhundert die Hahnenkammrennen vermarktet.
KURIER: Wie gelingt es, dass die Hahnenkammrennen nie beliebig werden?
Hummel-Ortner: Indem man es nicht als gegeben annimmt und sich zufrieden gibt mit dem Ist-Zustand, sondern immer wieder überlegt, wie man die Hahnenkammrennen weiterentwickeln kann. Das war auch immer unser Credo: Wie können wir einen nächsten Schritt setzen, was wollen die Fans und Partner.
Was wollen die Fans und Partner: Reicht es heute überhaupt noch, einfach ein Skirennen zu veranstalten?
Hummel-Ortner: Die Hahnenkammrennen sind die Bühne, um diesen großartigen und außergewöhnlichen Sport zu zelebrieren und zu inszenieren. Das muss immer der Leitgedanke sein, im Fokus stehen die Sportler, sie sind die Hauptdarsteller. Zugleich ist es aber auch wichtig, Menschen anzusprechen, die jetzt vielleicht nicht die reinen Skifans sind, sondern die sich durch das Rundherum angesprochen fühlen. Ich finde es toll, wie viele Menschen aus den unterschiedlichsten Kreisen und Schichten bei den Hahnenkammrennen zusammenkommen.
Ist der Status der Hahnenkammrennen heute ein anderer als noch vor 25 Jahren?
Radel: Es hat sich schon ziemlich verändert. Erstens sind die Hahnenkammrennen viel größer geworden, zweitens hat sich auch beim Publikum etwas verändert. Kitzbühel hat immer schon viele wichtige Leute aus der Wirtschaft und Prominente angezogen, aber ich finde, dass der Bezug und das Interesse heute ganz anders sind. Dieses Schicki-Micki hat sich überholt. Heute heben alle den Sport auf ein Schild und sehen sich als Teil des Ganzen. Die Bühne der Hahnenkammrennen ist insofern größer als noch vor 25 Jahren, weil schon ab Montag Veranstaltungen stattfinden und es mittlerweile Kunden und Gäste gibt, die sogar lieber unter der Woche nach Kitzbühel kommen. Und da haben wir einen Riesenvorteil gegenüber anderen Sportarten.
Radel: Bei uns kann man den Abfahrtssport am gleichen Tag, mehr oder weniger unter den gleichen Bedingungen, hautnah ausüben. Im Wimbledon kannst du nicht am Finaltag auf den Rasen runter gehen und einige Bälle schlagen. Du kannst nicht mit dem Auto in Monaco fahren. Aber du kannst hier auf der Parallelstreif runterrutschen, die ist fast so eisig wie die Rennpiste, und du kriegst ein Gefühl dafür, was die Athleten leisten. Und das ist halt dann auch die große Faszination der Hahnenkammrennen.
Wird die Konkurrenz durch andere Sportveranstaltungen nicht größer?
Radel: Die Hahnenkammrennen sind ein Fixpunkt im Sportkalender wie der Superbowl, der Ryder Cup oder Monte Carlo, die werden auch nie langweilig, weil es immer neue Geschichten zu erzählen gibt. Und wir bemühen uns, dass wir eben genau die Emotionen rund um die Rennen kreieren und ihnen einen Boden geben.
Hummel-Ortner: Man redet ja auch immer vom Mythos Streif. Dieses Alleinstellungsmerkmal und das Ikonische dieser Rennen ist zementiert.
Radel: Wir tun auch viel dafür. Die Art, wie Sport heute konsumiert wird, hat sich verändert. Wir bemühen uns seit Jahren sehr um die Jungen, damit sie auch diese Faszination spüren und erleben.
Hummel-Ortner: Es gibt eine Sehnsucht nach Liveerlebnis, nach dieser unverwechselbaren Atmosphäre. Dieses Mitfiebern, dieses Teil einer Community zu sein – das bewegt auch die jungen Menschen. Die leben nämlich nicht nur auf Social Media.
Radel: Trotzdem darf man dabei nicht außer acht lassen, wer die Kaufkraft hat. Es darf auch keine Altersdiskriminierung geben.
Wie sieht die Zukunft der Hahnenkammrennen aus, welche Ideen schweben Ihnen vor?
Radel: Ideen gibt’s viele. Man kann über eine Nachtabfahrt bei Flutlicht nachdenken, natürlich sind auch die Frauen ein Thema. Die Frage ist nur, ob es nicht klüger wäre, eine Art Hahnenkammrennen für Frauen aufzubauen. Warum muss man es unbedingt krampfhaft kombinieren? Es gibt tolle Frauen-Strecken bei uns in Europa, wo man so ein Rennen aufziehen kann.
Wie präsentiert sich der Skisport und Weltcup? Man hat den Eindruck, dass er nur in der Schweiz und Österreich „weltberühmt“ ist.
Radel: Die angekündigte China-Offensive des Skisports rund um die Spiele 2022 in Peking haben wir von vornherein sehr kritisch und skeptisch betrachtet. Daraus ist bekanntlich auch nichts geworden. Der Skisport ist in erster Linie in Zentral- und Nordeuropa verankert, nehmen wir noch Kanada und die USA dazu. Trotzdem bin ich der Meinung, dass der Skisport viel besser ist, als er sich selbst darstellt.
Radel: Wir haben bei unseren Rennen eine Live-Einschaltquote von 30 Millionen plus. Andere Sportarten haben das bei Weitem nicht. Auch die digitale Reichweite ist bemerkenswert. Man muss sich da als Skisport also nicht genieren und schlechtreden.
Hummel-Ortner: Man kann immer neue Märkte erschließen. Lucas Pinheiro Braathen als Brasilianer ist eine Super-Geschichte, das Comeback von Lindsey Vonn ist natürlich ein Segen. Vielleicht kommt jetzt dann ein Österreicher auch zurück mit Matthias Mayer. Das sind die Geschichten, die die Menschen interessieren. Und sobald du Helden hast, die sich inszenieren, dann kann man schon wieder eine Kommerzialisierung erzielen. Es sind ja am Ende immer die Geschichten, die erzählt werden müssen.
Radel: Jedem Sport tut es gut, wenn man die Menschen hinter dem Vorhang hervorholt, wenn man sie zeigt mit Ecken und Kanten. Genau da würde ich vielleicht ansetzen. Manche Sportler verstehen es, dass neben dem Skifahren heute zu ihrem Beruf auch noch andere Dinge dazugehören. Mehr denn je.
Hummel-Ortner: Es geht dabei halt immer auch um Authentizität. Der Vorteil der heutigen Generation an Sportlern ist es, dass es so viele unterschiedliche Kanäle gibt, sich zu präsentieren und zu positionieren.
Radel: Das würde ich so jetzt gar nicht sagen. Vonn, Braathen, Odermatt, das Hirscher-Comeback. So viele Typen haben die anderen Sportarten auch nicht. Und wenn der Matthias Mayer jetzt wieder kommen sollte, dann ist das auch eine schöne Geschichte, die bewegt und interessiert.
Themenwechsel: Es gab und gibt immer wieder Überlegungen, im Skirennsport Firmenteams nach dem Vorbild des Radsports einzusetzen. Ist das realistisch?
Hummel-Ortner: Ich persönlich bin da sehr skeptisch. Der Skisport ist halt geprägt durch die nationale Rivalität. Wir sehen das bei uns in der Firma, wo Deutsche, Schweizer und Österreicher arbeiten. Da lebt der Nationencup an der Kaffeemaschine. In der Formel 1 mag es Fans geben, die einen Fahrer unterstützen und ein Team. Aber das halte ich im Skisport für nicht realistisch.
Radel: Die Rivalität zwischen der Schweiz und Österreich ist tief verwurzelt und wurde über Jahrzehnte aufgebaut. Davon lebt auch der Skisport. Ich glaube, dass man durch Firmenteams sehr viel verlieren würde.
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