Ski-Star Marco Odermatt in Kitzbühel: "Ich habe nie Angst"

Marco Odermatt am Start
Marco Odermatt ist ein Superstar, Idol und ein Mensch, auf den man nicht nur in der Schweiz sehr stolz ist. In seiner Gemeinde Buochs wollte man ihm an der Ortseinfahrt ein Denkmal setzen, der 27-Jährige lehnte dankend ab. Marco Odermatt ist auf dem Boden geblieben. Auch, wenn er sich wie in der Vorsaison auch in der WM-Saison längst als Überflieger entpuppt hat.
Sechs Siege in drei Disziplinen in dieser Saison plus ein zweiter und ein dritter Platz. Mit 335.000 Euro führt er auch die Preisgeldwertung im Ski-Weltcup der laufenden Saison - vor Sofia Goggia (229.000) - an. Im Vorjahr waren es für den Schweizer am Ende 13 Siege und 7 weitere Podestplätze.
Odermatt ist Weltmeister, Gesamtweltcupsieger und Olympiasieger. Doch eines fehlt ihm. Ein Sieg auf der Streif. Dass er den irgendwann mal erreicht, daran zweifelt fast niemand. Dass er es heuer schafft, dafür stehen die Chancen groß. In Abwesenheit großer Konkurrenten wie Cyprien Sarrazin und Aleksander Aamodt Kilde scheint die Chance groß wie nie. Doch die größte Konkurrenz lauert im eigenen Team.
Bei Medienterminen seines Verbandes und seines Sponsors Longines sprach Marco Odermatt vor den Rennen in Kitzbühel über…
… spezielle Momente in seiner Karriere
Ich hatte viele. Einer war vor vielen Jahren, als ich bei der Junioren-WM fünf Goldmedaillen in einer Woche gewonnen haben. Das zeigte mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin, meinen Traum als Weltcup-Fahrer zu leben. Und dann natürlich die großen Siege wie Adelboden, Wengen, Weltmeistertitel, Olympiasieg, Weltcupgesamtsieg.
…die fehlende Hahnenkamm-Trophäe
Hoffentlich wird es auch hier einen speziellen Moment geben. Ein bisschen fehlt noch, ich versuche gut Ski zu fahren hier, flexibel zu bleiben. Kitzbühel zu gewinnen ist theoretisch das letzte große Ziel. Es heißt aber nicht, dass ich deswegen nicht die WM gewinnen will oder weitere Kugeln.
…Mut und Adrenalin
Ich würde mich als Adrenalin-Junkie beschreiben. Im Sommer mache ich aber nicht unbedingt etwas, um das zu kompensieren. Ich mag die Stille im Sommer, dass da nicht so viel Druck herrscht, nicht dieses Adrenalin die ganze Zeit. Ich kann sehr entspannt sein. Hier in Kitzbühel zählt nicht nur Mut, sondern auch, ein guter Skifahrer zu sein. Wenn man mit Null Angriff fährt, gewinnt man nicht. Wenn man ein schlechter Techniker oder ein reiner Gleiter ist, dann auch nicht. Es braucht auf dieser Abfahrt wirklich alles. Es gibt sehr technische, aber auch sehr einfache Passagen. Da ist auch das Material wichtig.
… seine Einzigartigkeit
Als Skirennläufer, als Sportler musst du jeden Tag ein Puzzle zusammensetzen, das an diesem Tag perfekt passt. Ich denke, ich bin gut darin, diese Puzzleteile im richtigen Moment zusammenzusetzen. Das beginnt bei der Gesundheit, körperlich bereit zu sein, es geht um den mentalen Teil, aber auch dass man die richtigen Entscheidungen trifft, was das Material betrifft.
… Ruhe und Vertrauen
Wenn ich am Samstag hier erfolgreich die Streif runterfahren will, brauche ich Vertrauen und Selbstvertrauen. Du musst 100 Prozent geben, das Risiko nehmen. Da musst du einfach in das vertrauen können, was du tust.
…Druck und Erwartungen
Da gewöhnt man sich daran. Es war nicht leicht, als ich als junger Mensch in diese Welt gekommen bin. Du wirst darauf nicht wirklich vorbereitet. Das war nicht die leichteste Übung. Aber mit jedem Jahr, mit jedem Rennen, mit jedem Erfolg kannst du besser damit umgehen. Du weißt, dass der Druck von außen wahrscheinlich nicht derselbe ist, wie der den du dir von innen machst. Es gibt ein paar mentale Werkzeuge, die du verwenden kannst, die dir helfen, ruhig zu bleiben.
… das junge Schweizer Team
Schon letztes Jahr hab‘ ich mich am Anfang wirklich alt gefühlt. Vor 5-6 Jahren war ich mit Abstand der Jüngste. Das hat sich in ein paar Jahren komplett verändert. Aber die Leistung offenbar nicht, das ist das Wichtigste. Es fühlt sich für mich nicht wie eine Leaderrolle an. Gleichzeitig bin ich sicher der, der den größten Druck hat. Die Chance, hinter mir die anderen mitzuziehen, dass sie sich aufs Skifahren konzentrieren können, das ist schon gut so.
… seine Ziele
Mein größter Wunsch – nach allem, was die letzten Wochen passiert ist – ist es, gesund zu bleiben. Allgemein, im Leben, aber natürlich speziell als Athlet. Unfälle und Verletzungen werfen dich weit zurück. Ich will gesund bleiben und der bleiben, der ich bin.
… seine Rituale
Ich habe viele Rituale. Ich denke jeder Athlet hat das. Das ist nichts Außergewöhnliches. Ich denke nicht wirklich darüber nach. Aber wenn Sie mich beobachten würden vor jedem Rennen, würden Sie wohl sehen, dass ich die letzten 15 Minuten vor dem Start wahrscheinlich exakt dasselbe mache. Vielleicht nicht auf die Sekunde, aber auf 30 Sekunden. Es sind die gleichen Aufwärmübungen, dieselben Rituale, den Kurs noch einmal zu visualisieren, der Weg zum Coach, um noch die letzten Infos zu erhalten, der Moment, wenn ich die Ski anschnalle, die Skischuhe schließe und dann in mich gehe.
… seine Eltern
Mein Vater hat eine Excel-Liste, seit ich begonnen habe, schreibt er auf, wieviel ich Ski fahre. Er ist ein bisschen ein Freak, was das betrifft. Er hat viel für mich getan, aber auch für Nachwuchsskirennläufer in unserer Region. Macht er immer noch. Und er wollte zeigen, wie viele Tage es braucht, um sich zu verbessern. Wieviel Aufwand auch von den Eltern es braucht, um die eigenen Kinder zu unterstützen. Meine Mama und mein Papa haben mich vom ersten Tag unterstützt – und sie haben mich auf Ski gestellt und nicht auf ein Fußballfeld. Das war die richtige Entscheidung!
… Gefahren im Skisport und Angst
Ich habe nie Angst. Es ist ein gesunder Respekt. Das braucht man. Man kämpft in erster Linie gegen den Berg. Du musst so schnell wie möglich da runter. Erst dann geht es darum, wie sich die anderen Läufer schlagen. Aber ich habe nie Angst davor, ich kenne das Risiko.
… Sicherheit im Skisport und mögliche neue Regelungen beim Material
Das Material hat sich aus meiner Sicht in den letzten Jahren überhaupt nicht stark verändert. Auch ich fahre bei vielen Rennen ein Ski-Modell, dass es seit 8-9 Jahren gibt. Ich glaube nicht, dass es große Veränderungen braucht. Man kann vielleicht mit den Skischuhen fahren, dann wäre es weniger schnell, weniger aggressiv. Aber dann ist es nicht mehr Ski-Rennsport. In der Formel 1 spricht man auch nicht darüber, dass man mit 150 statt mit 300 km/h auf der Geraden fahren soll. Ich glaube, das ist das, was den Sport speziell macht. Es ist ein gefährlicher Sport. Jedem sind die Konsequenzen bewusst. Man muss die äußeren Bedingungen so gut wie möglich kennen. Man muss sich selbst so stark wie möglich machen, um Verletzungen vorbeugen zu können. Aber ich glaube nicht, dass es große Veränderungen braucht.
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