ÖSV-Alpinchef Mandl: "Wir haben einiges verschlafen"
Wenn Herbert Mandl auf andere Skinationen blickt, dann könnte den Alpinchef des österreichischen Skiverbandes manchmal der Neid fressen. Die internationale Konkurrenz zeigt vor, wie’s geht – und die Defizite des ÖSV schonungslos auf. Weder der Gewinn im Nationencup noch der erste Saisonsieg in Gröden können darüber hinwegtäuschen: Im Vergleich mit anderen Nationen sieht der ÖSV ziemlich alt aus – im wahrsten Sinne des Wortes.
Generation 30 plus
Wo sind die neuen Gesichter? Wo verstecken sich die Stars von morgen? Welcher junge ÖSV-Skiläufer könnte 2025 bei der Heim-Weltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm für Furore sorgen?
Herbert Mandl gibt sich keinen Illusionen hin. „Wir haben einiges verschlafen“, weiß der Niederösterreicher. „Andere Nationen haben die letzten Jahre mit Sicherheit besser genutzt. Bei uns ist nichts nachgekommen.“
Tatsächlich hängt das Wohl der Skination seit Jahren an den gleichen Läufern. Das Gros der österreichischen Siegläufer und Top-Athleten gehört mittlerweile längst der Generation 30 plus an. Von Vincent Kriechmayr bis Mirjam Puchner, von Matthias Mayer bis Cornelia Hütter, nur zwei der zehn ÖSV-Podestplätze in diesem Winter wurden von Sportlern eingefahren, die noch keine 30 sind.
Junge Vorreiter
Jungstars wie die Norweger Lucas Braathen und Atle Lie McGrath, beide Jahrgang 2000 und beide bereits mehrfache Weltcupsieger, sucht man hierzulande vergebens. Es gibt aktuell im ÖSV-Team auch kein Talent wie die Kroatin Zrinka Ljutic (18), die heuer im Slalom bereits zwei Mal Siebente wurde, und mehr Weltcuppunkte gesammelt hat als Weltmeisterin Katharina Liensberger. Und es ist auch weit und breit keine Läuferin wie die für Albanien startende Lara Colturi in Sicht, die eben erst ihren 16. Geburtstag gefeiert hat und bei ihren ersten fünf Weltcup-Einsätzen gleich zwei Mal in die Punkteränge fuhr.
Dem gegenüber steht das ÖSV-Skiteam, das gerade in den Genuss des höchsten Sportbudgets kommt, das die Verbandsführung jemals abgesegnet hat, wo aber Aufwand und Ertrag nicht einhergehen. „Wir haben so einen großen Kader wie noch nie. Das ist aber keine Garantie, um Leistung zu erzeugen“, sagt Alpinchef Mandl.
Nach einem halben Jahr im Amt fragt sich der Niederösterreicher: „Hat man zu schlecht gearbeitet? Hat man möglicherweise zu wenig gearbeitet?“ Seine These: „Andere Nationen sind auch deshalb weiter als wir, weil sie in jüngeren Altersstufen mehr trainieren.“
Aus diesem Grund dauert es auch so lange, bis österreichischen Läufern der Durchbruch gelingt, genau deshalb scheinen in den Kadern auch kaum junge Sportler auf. Die 14 Herren, die aktuell dem Nationalkader angehören, haben einen Altersschnitt von 29,5 Jahren. Bei den Frauen (28,7 Jahre) sieht es nicht viel anders aus.
Masse statt Klasse
Ein früherer ÖSV-Star übte in Gröden Kritik am Vorgehen im Skiverband: Man habe sich in den letzten Jahren zu wenig um den Nachwuchs gekümmert, moniert Hannes Reichelt, mittlerweile Experte bei Eurosport. „Es ist keine Dichte mehr vorhanden.“
Auch für Alpinchef Herbert Mandl gibt’s im ÖSV-Skiteam zu viel Masse und zu wenig Klasse. „Man hat sehr viele Leute mitgenommen. Wir müssen strenger selektionieren, um Qualität und Spitze zu erzeugen. Da will ich schärfer durchgreifen.“
Doch wie härter selektionieren, wenn dafür das nötige Personal fehlt? In manchen Bereichen hat der ÖSV eher die Wahl der Qual statt wie einst die Qual der Wahl. „Viele von unseren Jungen können nicht mehr richtig Rennfahren“, kritisiert Alpinchef Herbert Mandl. Der neue Herren-Cheftrainer Marko Pfeifer fordert deshalb eine neue österreichische Skifahrer-DNA. „Wir brauchen ein Technik-Leitbild und einen roten Faden bis in den Nachwuchs.“
Bitte warten
Die Versäumnisse der vergangenen Jahre holen das österreichische Ski-Team gerade ein. Bei der Junioren-WM im Jänner in St. Anton sind die heimischen Talente nur Außenseiter. „In einigen Jahrgängen fehlen uns die starken Leute“, erklärt Herbert Mandl und mahnt Geduld ein. „Ab Jahrgang 2004 wird es dann besser. Wir müssen im Moment halt mit den Läufern leben, die wir haben. Kurzfristig lässt sich nichts aufholen.“
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