Dunkle Wolken über dem Ski-Weltcup: Österreich gegen den Weltverband
An diesem Samstag hätte auf die besten Abfahrer der Welt am Fuße des Matterhorns eine Grenzerfahrung der besonderen Art gewartet. Die erste länderübergreifende Abfahrt mit Start in der Schweiz (Zermatt) und Ziel in Italien (Cervinia).
Dieses Rennen gilt als eines der Prestigeobjekte, manche behaupten sogar, es ist eine der Spinnereien des neuen FIS-Präsidenten Johan Eliasch.
Die Absage dieser Abfahrt wegen Schneemangels passt irgendwie in das Bild, das der Chef des Weltverbandes bisher abgibt. Die Hoffnungen, die man in den Multimilliardär aus Schweden gesetzt hat, sind dahingeschmolzen wie der Schnee in der Sonne. Die neuen Wege, die Eliasch beschreiten wollte, scheinen die FIS mehr und mehr in die Sackgasse zu führen.
“Ich war der Meinung, dass es dem Skisport guttun würde, wenn jemand von Außen kommt, der offen für Erneuerungen ist“, sagt der langjährige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. „Ich habe mich in ihm getäuscht. Es gibt elementare Auffassungsunterschiede.“
Eiszeit
Die Fronten sind verhärtet, der ÖSV befindet sich mit dem Weltverband und seinem Präsidenten im Clinch. Der Skiverband hat die Wahl des Multimilliardärs angefochten – die Causa wird am 5. Dezember beim Internationalen Sportgerichtshof CAS behandelt – und seither herrscht Eiszeit.
Das wurde beim Weltcup in Sölden augenscheinlich, als die ÖSV-Delegation rund um Präsidentin Roswitha Stadlober im Zielraum zusammen mit den Mitstreitern aus der Schweiz demonstrativ auf Abstand zu Johan Eliasch ging. Nur Patrick Ortlieb, Finanzchef des ÖSV, verfolgte das Rennen an der Seite des umstrittenen Präsidenten.
Nicht alle beim Skiverband waren über Ortliebs Nähe zu Eliasch erfreut, man solle in dieser kritischen Phase Geschlossenheit demonstrieren, war da und dort zu hören. „Ich habe seit 35 Jahren mit Johan Eliasch zu tun. Ich kenne ihn und wir diskutieren rein darüber, wie man den Sport weiterbringen kann“, sagt Ortlieb.
Für Irritationen sorgt derweil auch, dass eine von Ortliebs Töchtern neuerdings bei der FIS als Marketing und Sales Coordinator tätig ist. Also ausgerechnet bei der gegnerischen Streitpartei. Die Optik ist natürlich unglücklich. „Ich bin der Meinung, compliancemäßig ist das ein No-Go“, sagt Peter Schröcksnadel. "Und ich würde das auch sagen, wenn wir ein gutes Verhältnis zur FIS hätten."
Amtszeit
Patrick Ortlieb kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Sie hat sich beworben und ist dank ihrer Ausbildung und Erfahrung mehr als prädestiniert dafür. Ich habe da weder interveniert noch irgendetwas gemacht“, erklärt der Abfahrtsolympiasieger von 1992. „Wenn es irgendwem nicht passen sollte, dann bin ich gerne bereit, das Amt, das ich ohnehin ehrenamtlich bekleide, zur Verfügung zu stellen.“
Dabei war Patrick Ortlieb als Protegé von Schröcksnadel einst als potenzieller ÖSV-Präsident gehandelt werden. Mittlerweile dürfte der Vorarlberger bei Schröcksnadel in Ungnade gefallen sein: „Ich dachte, Ortlieb wäre der Richtige.“
Das letzte, was der Österreichische Skiverband im Moment brauchen könnte, sind interne Turbulenzen und Differenzen. Das würde wohl nur FIS-Präsident Johan Eliasch in die Karten spielen, der kein Hehl daraus macht, was er vom Vorgehen der ÖSV-Spitze rund um Präsidentin Roswitha Stadlober und Generalsekretär Christian Scherer hält. Auffällig war in Sölden jedenfalls, dass Johan Eliasch trotz Einladung als einziges FIS-Vorstandsmitglied den ÖSV-VIP-Klub boykottierte. Er ließ übermitteln, dass er sich nicht willkommen fühle.
Man bekommt den Eindruck, dass es in diesem Konflikt längst nur noch um Animositäten, Eitelkeiten und Stolz geht. Johan Eliasch ist als Geschäftsmann Widerspruch nicht gewohnt, schon gar nicht, wenn er wie beim ÖSV von einer Frau artikuliert wird. „Zwischen privaten Unternehmen und demokratischen Verbänden herrschen andere Spielregeln“, sagt Ex-Präsident Schröcksnadel.
Der Tiroler ist heute einer der härtesten Kritiker des FIS-Präsidenten. Aber tatsächlich ist er an der aktuell misslichen Situation nicht ganz unschuldig. Bei der Suche nach einem Nachfolger für Langzeit-FIS-Präsident Gian-Franco Kasper präferierte Schröcksnadel ursprünglich den Schweizer Urs Lehmann. Als Johan Eliasch seine Kandidatur bekannt gab, unterstützte der Tiroler den Geschäftsmann.
Die anfängliche Begeisterung hat sich freilich schnell gelegt. Peter Schröcksnadel sieht sich in Johan Eliasch getäuscht. „Er muss akzeptieren, dass der Skisport anders läuft. Ich kann seine Art der Verbandsführung nicht mehr mittragen.“
Das selbstgefällige Auftreten, das keinen Widerspruch duldet, ist das eine, die fragwürdigen Pläne sind das andere. Johan Eliasch forciert eine zentrale Vermarktung ganz im Sinne der FIS und will deshalb die Rechte der nationalen Skiverbände beschneiden. Peter Schröcksnadel fällt dazu nur ein Wort ein: „Enteignung.“
Eliasch wähnt sich im Vorteil, weil die FIS die Vergabe- und Namensrechte besitzt. Der Weltverband kann entscheiden, welche Veranstaltung unter dem Titel „FIS-Weltcup“ läuft.
Es ist ein schwaches Pfand, das die FIS da in Händen hält. Traditionsveranstaltungen wie die Vierschanzentournee, die Hahnenkammrennen, das Nightrace oder die Klassiker in Adelboden oder Wengen sind nicht vom Zutun des Weltverbandes abhängig, sie würden nichts von ihrer Strahlkraft verlieren, wenn sie nicht mehr als FIS-Weltcupevents firmierten. „Es sind die kleinen Veranstaltungen, die die Marke FIS-Weltcup brauchen“, sagt Peter Schröcksnadel.
Neuzeit
Nach gut eineinhalb Jahren Präsidentschaft Johan Eliasch ist der Karren verfahren. Immer öfter sind die Rufe nach der Gründung eines eigenen europäischen Skiverbandes zu vernehmen. Als Gegengewicht zur FIS und als Interessensvertreter der wichtigsten Skisportnationen. „So wie Baseball oder Football in den USA daheim sind, so ist Europa der Kernmarkt des Skisports“, sagt Schröcksnadel.
Ein eigener europäischer Skiverband wäre übrigens nichts Neues. Peter Schröcksnadel höchstpersönlich schuf 2009 die E.S.F., die European Ski Federation. Er war auch der erste offizielle Präsident.
Der Grund für die damalige Gründung der E.S.F., die es heute nur mehr am Papier gibt, kommt einem bekannt vor: Der ÖSV und der damalige FIS-Präsident waren gerade nicht auf einer Wellenlänge.
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