Zwischen Christus und Schwalbe: Turner Höck gegen die "Supermenschen"

Serienheld: Vinzenz Höck an den Ringen
Hätte er doch nur früher angefangen, denkt sich Vinzenz Höck manchmal. Hätte er doch nicht erst vor drei Jahren zu den Ringen gegriffen. Wer weiß, welchen Verlauf seine Karriere als Kunstturner dann genommen hätte? Er könnte mehr als nur eine EM-Medaille in seinem Trophäenschrank haben. „Vielleicht hätte es mir keine Lust mehr gemacht, und ich hätte schon aufgehört“, sinniert der 26-Jährige.
Unbestritten war es jedenfalls die beste Entscheidung von Vinzenz Höck, die anderen Turngeräte links liegen zu lassen und sich ganz den Ringen zu widmen. „Seit ich ausschließlich an den Ringen trainiere, ist extrem viel weitergegangen.“
Vinzenz Höck:
Geboren am 6. März 1996 in Salzburg. Höck ist zwölffacher Staatsmeister im Turnen. Im Jahr 2021 gewann er an den Ringen den Gesamtweltcup
1,67 Meter ist Höck groß. Er wiegt 70 Kilogramm
- Österreichs Team bei der WM
Frauen: Kickinger, Mader, A. Mörz, C. Mörz, Schwaninger
Männer: Benda, Höck, Kranzlmüller, Matiev, Rudy
In diesen drei Jahren hat sich Höck an die Weltspitze geturnt. 2020 holte der Steirer mit EM-Silber die erste österreichische Medaille seit 1955. 2021 sicherte er sich an den Ringen den Gesamtweltcup, im Oktober gelang ihm in Ungarn sein fünfter Weltcupsieg.
Es wäre trotzdem falsch, von Vinzenz Höck bei der Kunstturn-WM in Liverpool, die an diesem Wochenende beginnt, Wunderdinge zu erwarten. Die starken chinesischen Turner sind dem Weltcup ferngeblieben, „die sind brutal gut. Wenn man denen zusieht, glaubt man, das sind Supermenschen“, erzählt Vinzenz Höck, der WM-Fünfte des Vorjahrs. „Wenn ich wieder ins Finale komme, dann wäre das großartig. Und im Finale ist dann alles möglich.“
Denn bei aller Akrobatik und Kraft ist das Turnen an den Ringen vor allem auch Kopfsache. „Du hast nur diesen einen Versuch. Und da muss alles passen“, weiß Höck.
Er sollte beim sogenannten Christus, einer Übung, bei der er mit ausgestreckten Armen an den Ringen baumelt, keine Regung zeigen. Er darf bei der Schwalbe, wenn er mit durchgestreckten Armen seine Beine waagrecht nach hinten streckt, bloß nicht aus der Balance kommen. Und er sollte am Ende der Übung noch genug Kraft und Gleichgewicht für einen sauberen Abgang haben.
Das Schwierigste zuerst
Höck reiste zur WM nach Liverpool mit einem Programm an, das er erst seit Mai turnt. „Ich mache die schwierigsten Übungen, bei denen ich die meisten PS brauche, immer am Anfang“, erklärt der 26-Jährige. Er vertraut dabei auf die Elemente, die er monatelang einstudiert und automatisiert hat. Natürlich hätte er auch noch schwierigere Übungen auf Lager, die ihm den einen oder anderen Zehntelpunkt mehr bescheren könnten. „Aber diese Übungen sind noch nicht reif für die große Bühne. Es reicht nicht, wenn man sie einmal im Training schafft. Man muss die permanent abrufen können. Nur dann bringt es was.“
Vinzenz Höck behält sich das für seine nächste große Herausforderung auf, die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Die Qualifikation ist selbst für einen Weltklassemann wie ihn beinhart. Denn das Gros der Startplätze ist für die Athleten aus großen Turnnationen reserviert, die mit einer kompletten Mannschaft antreten. Für Einzelkämpfer, wie Höck einer ist, gibt es gerade einmal drei Plätze: Einer geht an den Weltmeister von 2023, die restlichen zwei werden im Frühjahr 2024 im Weltcup vergeben. „Ich traue es mir zu, das zu schaffen“, sagt der Heeressportler. „Denn ich habe gesehen, dass ich mich mit den Besten messen kann.“
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