Marcel Hirscher: "Skifahren rückt in den Hintergrund"
Es gibt einfach kein Entrinnen. Widerstand zwecklos. Ob Marcel Hirscher nun will, oder nicht, von irgendwoher taucht immer ein Handy vor seinem Gesicht auf, klickbereit für ein Selfie. Auch vier Jahre nach dem Rücktritt ist die Popularität des achtfachen Gesamtweltcupsiegers ungebrochen. Wo Hirscher ist, da ist der Rummel um seine Person nicht weit.
An diesem Dienstag muss sich der 34-jährige Skistar a. D. den Weg in das Loft D der Salzburger Panzerhalle bahnen, vorbei an Neugierigen und Schaulustigen. Hirscher hat einen seiner seltenen öffentlichen Auftritte, er ist das prominente Gesicht der Kampagne „Generation Winter“ vom Salzburger-Land Tourismus. Auch wenn im Video, in dem Hirscher mit Kindern aus seiner Heimatgemeinde Annaberg auf der Piste zu sehen ist, viel gelacht wird, so steckt eine ernste Botschaft dahinter.
Kostenfaktor
„Es ist wichtig, dass Skifahren bei uns als Volkssport erhalten bleibt“, sagt Hirscher. Wie viele andere macht sich der Salzburger Sorgen um die Zukunft des Skisports in Österreich. Immer weniger Kinder sind auf den Skipisten zu finden, es besteht die Gefahr, dass kommende Generationen wegbrechen. Marcel Hirscher macht nicht nur das größere Freizeitangebot für diese, in seinen Augen, Fehlentwicklung verantwortlich, das Skifahren habe sich in den vergangenen Jahren auch zusehends zum Luxussport entwickelt. „Es wird immer schwieriger, sich das Skifahren zu leisten.“
Der zweimalige Olympiasieger weiß, dass die Touristiker, die mit ihm auf dem Podium sitzen, das nicht unbedingt gerne hören. Er rechnet vor, was auf eine Familie bei einem Skitag zukommt: „Lifttickets für die Eltern und Kinder, plus Skiausrüstung ausleihen, plus Essen, plus Strom oder Benzin, plus Maut – das muss man sich einmal leisten können. Deshalb rückt das Skifahren immer mehr in den Hintergrund.“
Gratistickets
Auf der Suche nach Lösungen blickt der Salzburger über den großen Teich. „In den USA können die Kinder in den großen Skigebieten gratis fahren. Das könnte man auch bei uns andenken.“ Allerdings kosten in den US-Nobelskigebieten von Vail bis Aspen Lifttickets für Erwachsene bis zu 200 Dollar. Menschen, die sich dort das Pistenvergnügen gönnen können, haben wahrscheinlich auch das nötige Kleingeld für Kinder-Tickets. „In den USA ist Skifahren komplett elitär geworden. Das ist dort ein Sport für Superreiche.“
Mit der Kampagne und dem Video möchte der zweifache Familienvater, dessen Kinder bereits auf den Brettl’n stehen, Jugendliche zum Skifahren animieren. „Man muss als Kind mit dem Sport in Berührung kommen. Und bei den Kindern sieht man dann auch die ehrliche Freude. Ich freue mich zum Beispiel heute noch wie ein Kind, wenn es das erste Mal schneit und ich Schneeschaufeln kann.“
Denkanstoß
Es wird noch einige Zeit dauern, bis Hirscher seine Skisaison auf Naturschnee eröffnet. Der Salzburger wird auch auf einen Besuch beim Weltcupauftakt in zehn Tagen in Sölden verzichten. Hirscher, 2014 der letzte österreichische Sieger bei den Gletscherrennen, steht dem frühen Saisonstart mittlerweile kritischer gegenüber als noch zu aktiven Zeiten. „Warum fangen wir nicht einen Monat später an?“, fragt der 67-fache Weltcupsieger. „Das würde einiges erleichtern, für die Athleten und für die Natur.“
Ein späterer Saisonstart könnte für Slalom- und Riesentorlauffahrer zum Beispiel auch die teuren und anstrengenden Sommertrainingslager in Südamerika hinfällig werden lassen. „Ich bin die letzten Jahre meiner Karriere schon nicht mehr hingefahren, weil es zu mühsam war.“
Und dann verrät Hirscher noch, dass er endgültig in der Rennläufer-Pension angekommen ist. „Früher hat mich das Rennfahren immer wieder gejuckt“, erzählt er. „Jetzt genieße ich, dass ich ein normales Leben führen kann.“
Wie auch immer ein Skiheld wie Marcel Hirscher in Österreich ein normales Leben führen kann.
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