„Es kommt alles zusammen. Meine Technik ist momentan sehr instabil“, ärgert sich Truppe, die weiter nach der Ideallinie sucht. Im eigentlichen Sinn wie im übertragenen: „Passt die Technik nicht, passt die Linie auch nicht.“ Dann schwindet das Selbstvertrauen automatisch.
Mitten in der Krise sind die ÖSV-Technikerinnen am Sonntag nach Flachau zu einem ihrer Saisonhighlights, dem Nachtslalom am Dienstag (ab 18 Uhr/ live ORF eins) angereist. Erzeugt das in der Krise noch mehr Druck?
„Nein“, sind sie sich einig: Die guten Gefühle, die mit Heimpublikum verbunden sind, wollen sich die Läuferinnen nicht nehmen lassen. Das Heimrennen komme nicht zur Unzeit, sondern „gerade zur richtigen Zeit“, sagt Truppe: „Die Stimmung, die Atmosphäre, so etwas pusht mich!“ Das sieht Liensberger ähnlich: Das Flachau-Rennen sei für sie mit vielen schönen Erinnerungen verbunden, etwa ihr Weltcup-Debüt oder ihr erster Podestplatz.
Doch wie sollen die Österreicherinnen wieder auf die Ideallinie zurückfinden? „In kleinen Schritten“, hört man die Athletinnen nach verpatzten Läufen sagen. Dazu beschäftigt die eine oder andere Läuferin auch zusätzlicheinen Mentaltrainer, etwa Katharina Truppe. Auch Liensberger arbeitet mit ihrem Kopf. Und sie bleibt positiv: „Wenn alles wieder zusammenpasst, dann weiß ich auch, wie schnell es wieder klappen kann. Das sage ihr ihre Erfahrung. „Vieles ist möglich. Auch schnell.“
„Änderungen im Team können komplex sein“, sagt der Mentaltrainer Wolfgang Seidl, der auch immer wieder Spitzensportler coacht, ganz allgemein zum KURIER. Eine Kettenreaktion werde dabei ausgelöst. „Wenn Ski, Bindung und Schuh nicht mehr so zusammen arbeiten wie bisher, kommen schnell Zweifel auf, man verkrampft.“ Beim mentalen Training versuche man dann meist, den Fokus auf kleine Prozesse zu legen, so der Coach. „Man muss das Ergebnisdenken ausblenden und von Stange zu Stange schauen.“ Meist funktioniere die Leistung im Training, es gehe dann darum, sie im Wettkampf umzusetzen. „In dieser Phase ist es wichtig, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen.“ Er sehe jetzt vor allem die Trainer gefordert, die auch versuchen, die Athletinnen ein wenig abzuschirmen und den Druck wegzunehmen.
"Puzzleteile"
Es gebe „Puzzleteile“, die positiv sind, sagt etwa Franziska Gritsch, die mit ihrer individuellen Leistung durchaus zufrieden ist. Um sich von der allgemeinen Team-Leistung nicht beeinflussen zu lassen, müsse man die Rennen „mega individuell betrachten“, sagt sie. Das ist auch für den Cheftrainer der ÖSV-Frauen, Thomas Trinker, der Schlüssel: Negatives beiseite schieben, Positives betonen, sich die Erfolge und das eigene Können in Erinnerung rufen. „Von elf Damen zeigt die Hälfte gute Leistungen“, betont er. „Das sind halt die im hinteren Bereich.“
Die ausbleibenden Leistungen der Top-Läuferinnen „tun schon sehr weh“, sagt der Steirer. Und genau aus dieser Ecke hörte man in den vergangenen Tagen Kritik am Kahlschlag im Trainerteam über den Sommer. Mit den bisherigen Trainern habe man immerhin sechs Jahre gut zusammengearbeitet, sagt Truppe in Flachau. Das Ende sei für sie überraschend gekommen, es brauche Zeit, um das Vertrauen aufzubauen. „Es hat sich alles geändert, die gesamte Struktur ist neu“, sagte Liensberger am Sonntag. „Es ist niemand mehr vom letzten Jahr hier, es ist schwierig, Erfahrungen, Werte von der letzten Saisonen herzunehmen.“
Eine Aussprache nach dieser Kritik habe es vor dem Nachtslalom in Flachau noch nicht gegeben, gibt Trinker zu. Man wolle die Pause nach Flachau nutzen, um zu analysieren. Einzelne personelle Konsequenzen will der Cheftrainer nicht ausschließen: „Ein System, das nicht funktioniert, kann man nicht so lassen.“ Er denke aber an „Verschiebungen“, keine „Neuaufstellung“.
Kommentare