Warum die Rodel-Stars auf der Olympiabahn vom Juniorenstart fahren mussten
Rodel-Routinier Wolfgang Kindl nimmt seine fünften Olympischen Spiele ins Visier
Unter anderen Umständen hätte sich Wolfgang Kindl nach seinem wilden Sturz im Eiskanal von Sigulda wohl eine Pause gegönnt. Mit einem schmerzhaften Knochenmarködem im Unterschenkel rodelt es sich nun einmal nicht gut.
Aber wenn die Olympiabahn in Cortina ruft, dann beißt der Routinier die Zähne zusammen und fährt mit seinen Schmerzen Schlitten. Es zählt jede Fahrt im neuen Eiskanal, der extra für die Winterspiele im Februar errichtet wurde.
Weltmeisterin Lisa Schulte durfte bereits im Frühjahr in Cortina einige Inspektionsfahrten machen
Mit Ausnahme von Weltmeisterin Lisa Schulte, die bereits im Frühjahr auf der Großbaustelle einige Läufe absolvieren durfte, kennen die österreichischen Rodler die Olympiabahn bisher nur vom Hörensagen und aus kurzen Videosequenzen.
Testläufe
„Natürlich habe ich im Kopf, welche Kurve wann kommt. Aber richtig verstehen tut man eine Bahn dann erst mit den Fahrten“, sagt Kindl.
Im Rahmen der internationalen Trainingswoche in Cortina dürfen er und seine Kollegen gerade Bekanntschaft mit dem Olympia-Eiskanal machen. Wie immer bei einer neuen Bahn galt dabei für sämtliche Teilnehmer ein striktes Prozedere:
Selbst die Topstars durften bei der Jungfernfahrt nicht von ganz oben starten, sondern mussten sich über den tiefer gelegenen Junioren- und Frauen-Start Lauf für Lauf nach oben arbeiten.
Wolfgang Kindl gehört zum Inventar im Eiskanal. Seit 2006 rodelt der Tiroler im Weltcup
Erfahrungsschatz
Dieses Vorgehen hat einen tragischen Hintergrund: Bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Whistler Mountain wurde ein georgischer Rennrodler, der die Bahn in Kanada nicht gut kannte, bei einer der ersten Fahrten aus dem Eiskanal geschleudert und kam dabei ums Leben.
13 Läufe für jeden
In dieser Trainingswoche sind vorerst einmal 13 Läufe für jeden Rodler vorgesehen. Wenn dann im Februar offiziell die Medaillenjagd startet, wird jeder Olympiastarter 40 Fahrten in den Beinen haben.
Gerade so erfahrenen Athleten wie Wolfgang Kindl genügt das, um die Bahn aus dem Effeff zu kennen. Der 37-Jährige, der in Cortina seinen fünften Olympiastart anpeilt, hat mit der Silbermedaille bei den Winterspielen 2022 in Peking bewiesen, dass er nicht viele Fahrten braucht, um in der Bahn die schnellste Linie zu finden.
Kindl hat gegenüber seinen Konkurrenten noch einen immensen Vorteil: Seit zwei Jahren ist der Doppelweltmeister im Einsitzer zweispurig unterwegs und startet als einziger Weltklasse-Rodler auch im Doppelsitzer.
Doppelte Chance
Das bedeutet für ihn zwar einen enormen Aufwand und Stress, kann aber gerade bei Olympia von unschätzbarem Wert sein: Denn der Tiroler kommt so auf die doppelte Anzahl von Trainingsfahrten.
„Das ist bestimmt kein Nachteil“, meint der Routinier, der mit seinem Doppelpartner Thomas Steu bereits Europameister wurde und den Gesamtweltcup gewann (2023/’24).
Ein Freibrief für Olympia ist das freilich nicht. Auch Kindl muss sich im starken österreichischen Team erst für die Winterspiele qualifizieren. In Cortina finden in diesen Tagen bereits die ersten internen Testrennen für Olympia statt.
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