Große Genugtuung
„Ich hätte mir auch nicht gedacht, dass ich mit meinen Voraussetzungen das alles erreiche“, gibt der Routinier zu. Kindl ist Doppelweltmeister im Einsitzer und besitzt zwei Olympiamedaillen, er hat zig Weltcuprennen gewonnen – seit mehr als 15 Jahren gehört der Routinier zum erlauchten Kreis jener, die die hohe Kunst des Kunstbahnrodelns am besten beherrschen.
Jetzt ist der Mann, den so viele lange Zeit unterschätzt haben, auf dem besten Wege, ein Stück Rodel-Geschichte zu schreiben. Kindl geht mit 96 Punkten Vorsprung in das letzte Saisonrennen in Sigulda (Lettland) und steht damit vor dem Gesamtsieg im Weltcup: Nicht etwa im Einsitzerbewerb, sondern im Doppelsitzer mit Thomas Steu.
Neue Rolle
„Auch das war so nicht zu erwarten“, sagt der 35-Jährige. Denn es war durchaus ein Wagnis, das er im vergangenen Sommer eingegangen ist, als er den Entschluss fasste, auf seine alten Tage noch einmal auf den Doppelsitzer-Schlitten umzusatteln.
Rodeln ist doch Rodeln, werden manche jetzt vielleicht einwenden, aber tatsächlich betreibt Kindl nun einen ganz anderen Sport. Um es in den Worten des Quereinsteigers zu sagen: „Einsitzerrodeln ist wie Autofahren, im Doppelsitzer kommst du dir vor, als wärst du mit einem LKW oder mit einem Bus unterwegs.“
Doppelweltmeister Kindl musste sich im Doppelsitzerrodeln unterordnen. Für den kleineren der beiden Rodler ist in dieser Disziplin auf dem Schlitten die Position hinten bzw. unten vorgesehen. Das hat in erster Linie mit aerodynamischen Gründen zu tun. „Eigentlich habe ich für einen Untermann sogar die perfekte Figur und Körpergröße“, sagt Wolfgang Kindl.
Der Untermann im Doppelsitzer ist im Grunde ein armer Hund. Er sieht während der Fahrt praktisch nichts, und auf ihm liegt ein Hüne von einem Mann, der, wie im Falle seines Teamkollegen Thomas Steu, fast 100 Kilo auf die Waage bringt – es gibt bequemere Arbeitsplätze.
Außer Atem
Die ersten Fahrten im Doppelsitzer waren für Kindl dann auch tatsächlich atemberaubend. „Ich habe völlig unterschätzt, welcher Druck in den Kurven auf dem Körper lastet, wenn da einer auf dir liegt. Mit hat es am Anfang richtig die Luft weggenommen.“
Schon nach wenigen gemeinsamen Fahrten war klar, dass Kindl ein perfekter Ersatz für Lorenz Koller sein würde, der 2023 als Langzeitpartner von Steuermann Steu seine Karriere beendet hatte. Dank seiner langjährigen Erfahrung beherrscht der Routinier das Spiel mit den Fliehkräften „Ich sehe zwar nichts, aber ich spüre sehr viel und kann gut mitlenken.“
Großes Fernziel
Zwei WM-Medaillen, drei Saisonsiege und der so gut wie sichere Triumph im Gesamtweltcup belegen, dass sich da zwei gefunden haben. Neo-Doppelsitzer Kindl rodelt freilich immer noch zweigleisig und ist auch weiter im Einsitzer im Einsatz. „Ich möchte bei Olympia 2026 Medaillen im Einsitzer und im Doppelsitzer gewinnen.“
Das Ziel klingt ambitioniert. Aber es wäre nicht das erste Mal, wenn Wolfgang Kindl alle verblüffen würde.
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