Klammer bis Strobl: Was aus Österreichs Abfahrts-Olympiasiegern wurde
Franz Klammer, Leonhard Stock, Patrick Ortlieb und Fritz Strobl sind Olympiasieger in der Königsdisziplin Abfahrt. Und auch heute noch rasant unterwegs.
Einst galten sie – selbstverständlich nur nach dem Rennen – auch als Könige der Nacht. Am Sonntag werden sie zu Frühaufstehern. Franz Klammer, Leonhard Stock, Patrick Ortlieb und Fritz Strobl – keiner der vier Abfahrtsolympiasieger will sich ab 4 Uhr MEZ vor dem Bildschirm das Live-Erlebnis entgehen lassen, wenn in 7.600 Kilometer Entfernung mit Matthias Mayer ein fünfter österreichischer Abfahrtsolympionike wie 2014 und 2018 auch 2022 um eine Medaille rast.
Opa Klammer, 67 Jahre
Auch am Samstagabend ist für Franz Klammer ein TV-Pflichttermin. Weil im ORF zuerst der Klammer-Spielfilm und anschließend eine Doku vom legendären Duell bei Olympia 1976 zwischen Klammer und dem Schweizer Bernhard Russi zu sehen ist: Wie Klammer heute vor 46 Jahren auf dem Innsbrucker Patscherkofel, wo Egon Zimmermann (verstorben 2019) schon 1964 Abfahrtsolympiasieger geworden war, nach wenig überzeugenden Trainingszeiten und einem Krach mit seinem Ski-Ausrüster alles riskierend dem Erwartungsdruck standhielt.
„So fünf, sechs Mal“ hat Klammer den Kinofilm bereits gesehen. „Aber mir ist dabei noch nie langweilig geworden“, sagt er mit dem gleichen verschmitzten Lächeln, das ihn als Rennläufer parallel zu seinen Erfolgen beliebt machte. Dabei war ihm als Nachwuchspilot das Lachen schon vergangen, hatte ihn doch der hoch angesehene alpine Oberideologe Professor Franz Hoppichler (wie andere auch im Tirol-dominierten ÖSV) vom unbekümmerten Fahrstil des Mooswalder Bauernbuam wenig gehalten.
„Ich war der Legionär“, erinnert sich Klammer, darauf anspielend, dass sein Heimatland Kärnten in Innsbruck bestenfalls als Ski-Entwicklungsregion galt. Dieses Vorurteil, von dem sich freilich Rennsportleiter Toni Sailer (1956 in Cortina Slalom-, Riesenslalom- und Abfahrtsgold/verstorben 2009) alsbald distanzierte, sollte Klammer mit 25 Abfahrtsweltcupsiegen widerlegen. Es wären noch einige Erfolge mehr geworden, hätte es in den 70er-Jahren den Super-G (für den Franz wie prädestiniert schien) schon gegeben.
Aktuell macht er wieder PR für das Urlaubsland Kärnten: per TV-Werbespot, in dem er gemeinsam mit seinem 25-jährigen Film-Double Julian Waldner (ebenfalls Kärntner) die Vorzüge des südlichsten Bundeslandes preist. Seit zig Jahren kennt Franz nicht nur die nach ihm benannte Klammer-Piste in Bad Kleinkirchheim, sondern auch den Weg Richtung Wien wie im Schlaf. Der Vater zweier Töchter und bald dreifache Opa wohnt im 13. Bezirk.
Hotelier Stock, 63 Jahre
Für Olympia 1980 in Lake Placid verpasste Klammer die Qualifikation, weil er nach einem Markenwechsel nicht mit dem neuen Material zurechtkam. Just mit jenen bocksteifen Kneissl-Latten, die Leonhard Stock als einer der wenigen so kraftvoll beherrschte, dass er noch kurz vor dem Kneissl-Konkurs am White Face Mountain die Konkurrenz erblassen ließ. Dabei hatte Trainerfeldwebel Karl Kahr zwei Wochen davor zu uns Journalisten gemeint: „Den braucht ihr gar net erst interviewen. Der Leo ist net fit. Den nehmen wir net nach Amerika mit.“
Doch dann musste ihn Kahr nicht nur mitnehmen, sondern vom Reservisten noch zum Starter machen, weil Stock das Training mit Bestzeiten dominiert und die Ski-Presse seine Aufstellung gefordert hatte. Was Stock nicht vergaß: Kaum aus den Staaten als Cover-Boy des Time Magazine zurückgekehrt, lud er die Ski-Reporter zum Frühjahrsskilauf zu sich nach Finkenberg ein. Dort hat der Zillertaler sein bescheidenes Elternhaus inzwischen nach dem Motto „Klein, aber fein“ zum schicken Olympia Relax Hotel mit 45 Betten umgebaut.
Darauf hoffend, dass der vierte Lockdown der letzte war. Zu Beginn des ersten beschäftigte ihn ein Schockerlebnis, das nichts mit Corona zu tun hatte: Das Herz drohte zu streiken.
Dem optisch topfitten Olympiasieger wurden zwei Stents gesetzt. „Hätte meine Tochter nicht so auf eine Untersuchung gedrängt, gäb’s mich vielleicht heut’ nicht mehr.“
Wie im Falle Stock gab es auch zwölf Jahre später nach dem nächsten österreichischen Abfahrtsolympiasieg Lob aus berufenem Munde für die sonst nicht gerade beliebte Journaille. Österreichs Skiherren waren sieglos zu den Spielen 1992 nach Albertville bzw. Val-d’Isère gekommen. „Dass ihr uns nicht fertiggemacht, sondern ruhig habt arbeiten lassen, war mitentscheidend“, meinte Chefcoach Hans Pum.
Aufregung genug hatte es ohnehin allein schon wegen der vermeintlich unbefahrbaren Piste an der Face de Bellevarde gegeben. Wie jetzt vor den Spielen 2022 in Yanqing konnte auch damals in Val-d’Isère nicht ein einziges Mal im Weltcup für Olympia geprobt werden. Doch siehe da: Ausgerechnet Patrick Ortlieb, der mit Nummer 1 zum Testpiloten zu verkommen drohte, gewann im steilen Felsrodeo vor Franck Piccard und Günther Mader.
Vier Jahre später wurde Ortlieb in der spanischen Sierra Nevada auf einer Piste mit völlig anderem Profil, das seinen Gleitfähigkeiten eher entgegenkam, auch Weltmeister. 1999 aber – in Kitzbühel – widerstand nicht einmal das Arlberger Goldbröckerl dem Härtetest. Ortlieb blieb am Hausberg mit zertrümmertem Oberschenkel liegen.
Unspektakulärer verlief sein Engagement als FPÖ-Mandatar. Ortlieb begnügte sich im Parlament mit einer rekordverdächtig geringen Redezeit. Vielleicht auch, weil er bald erkannte, dass er eher zur Vorarlberger blauen Light-Version als zum radikalen Wiener FPÖ-Stil tendierte.
Als Hausherr des Oberlecher Hotels Montana sowie als ÖSV-Vizepräsident und Vorstandsvorsitzender der ÖSV-Management-Group gibt Patrick hingegen den Ton an. Zudem besitzt er beste Kontakte zum neuen FIS-Präsidenten Johan Eliasch, dessen Head-Konzern mit Beat Feuz, Vincent Kriechmayr, Matthias Mayer, Alexis Pinturault und Lara Gut-Behrami usw. besonders viele heiße Medaillenanwärter stellt. In Innsbruck unterstützt er Ex-Radprofi Thomas Rohregger bei der Finanzierung dessen Radfachgeschäfts.
Auf einen Flug nach China verzichtet der Vielbeschäftigte. Auch, weil er seine rekonvaleszente Tochter Nina bei deren Vorbereitung fürs bevorstehende Comeback unterstützt. „I bin aber nur der Skidoo-Fahrer und Video-Analyst.“
Polizist Strobl, 49 Jahre
Noch ehe Ortliebs Karriere 1999 wegen des brutalen Sturzes in Kitzbühel endete, war dort der Stern des späteren Olympiasiegers Fritz Strobl mit einem bis heute unerreichten Streif-Rekord (1;51,58 Minuten) im Jänner 1997 so richtig aufgegangen. 2002, bei Olympia in Salt Lake City, fuhr der Kärntner Polizist dann auch schneller, als es seine US-Blaulichtkollegen im Bundesstaat Utah mit dem Auto erlauben. Fritz Strobl siegte in Snowbasin vor Lasse Kjus und Stephan Eberharter.
Viel unerwarteter kam in der Hitparade für Fritz Strobl („I kann ja gar net richtig singen“) im Jahr 2007 der zweite Platz hinter DJ Ötzi. Schließlich war der Song „I bin der Mozart der Mausefalle“ ja nur als TV-Werbespot für einen ÖSV-Hauptsponsor gedacht gewesen.
Bei der Exekutive gab’s nie Misstöne. Strobl blieb ihr bis heute als stundenreduzierter Revierinspektor treu. Zumal ihn nicht so sehr Sünder, sondern vielmehr echte Rindviecher beschäftigen. Konkret: Angus-Rinder. 35 hat der zweifache Familienvater zur Zeit daheim im Oberdrautaler Gerlamoos. Und Frühaufsteher ist er nicht nur am Sonntag wegen der Abfahrt, sondern auch davor und danach, weil Fritz Strobl für Servus TV die Ski- Olympiaereignisse analysiert.
Mitfavorit Mayer, 30, Abfahrtsgold 2014 in Sotschi, Super-G-Gold 2018 in Südkorea! Der Kärntner Strobl traut dem Kärntner Wiederholungstäter Matthias Mayer in China den dritten Streich zu. Im Gegensatz zu Mayer steht seinen Kärntner Landsleuten Max Franz und Otmar Striedinger noch ein Rennen vor dem Rennen bevor. Nämlich das Wettfahren um den vierten Startplatz im ÖSV-Abfahrtsteam neben Mayer, Vincent Kriechmayr und Daniel Hemetsberger. Als geduldete Legionäre (= Exoten) wie einst zu Klammers Anfangszeiten kommen sich Kärntner längst nicht mehr vor, sondern sind – siehe auch Kombiweltmeister Marco Schwarz – oft schon in der Überzahl.
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