Als ÖSV-Legende Moser-Pröll als Weltmeisterin der Rauswurf drohte
Wolfgang Winheim
08.02.24, 05:00Er war noch am Vorabend seines Abfahrtstriumphes vor die ÖSV-Rennsportkommission zitiert und gefragt worden, ob er sich einen Start überhaupt zutraue.
Und ihr wurde kurz nach ihrem Abfahrts-Triumph von ihrem Ausrüster der Rauswurf angedroht, weil sie ihr Slalom-Out auf falsch präparierte Skier zurückgeführt hatte.
David Zwilling und Annemarie Moser-Pröll können sich an Einzelheiten von einer tagelang die Einserseiten der Zeitungen dominierenden Weltmeisterschaft erinnern, als wär’s gestern gewesen.
Dabei sind’s genau 50 Jahre seit es Skihistorisches, nämlich innerhalb von 48 Stunden zwei Mal Abfahrtsgold für Österreich gab.
Über die Schweizerin Marie Therese Nadig hieß es, sie hätte einen Psychokrieg gegen Annemarie inszeniert. Schon bei Olympia ’72 (als Nadig gewann) und später bei Olympia 1980 (als Annemarie Moser unbezwingbar war) wurde das Duell zum Zickenkrieg hochstilisiert.
Heute sind die beiden sehr gute Freundinnen. Nadig kam im Vorjahr eigens nach Kleinarl, um Annamirl zum 70er zu gratulieren und mit ihr danach eine gemeinsame Ski-Woche zu verbringen.
Aktuell beschäftigt die Ski-Szene nicht nationenübergreifende Rivalität sondern die folgenschwere Sturzserie. Von Marco Schwarz, Alexis Pinturault bis Aleksander Aamodt Kilde, von Nina Ortlieb, Petra Vlhova, Michaela Shiffrin bis Sofia Goggia – die halbe Rennelite geht auf Krücken.
Zu wenig Schnee, zu eisige Pisten, zu viele Rennen, zu aggressives Material?
„Ein Mix aus allem“, glaubt Annemarie, sei die Ursache. Sie hingegen hat immer noch g'sunde Knie. Sie hatte sich auch nie bei einem Rennen, sondern nur einmal beim Konditionstraining (Knöchelbruch) und einmal beim sommerlichen Gletscher-Training in Cervinia verletzt.
„Als ich an der engsten Stelle g'stürzt bin.“ Und die knapp hinter ihr daherrasende Gertraud Gabl (Österreichs erste Weltcupsiegerin starb 1976 bei einem Lawinenunglück) die Annemarie rammte.
David Zwilling krachte ungleich öfter brutal in den Schnee. So auch wenige Monate vor der WM 74, als er wegen einer Gehirnerschütterung für einige Stunde das Bewusstsein verlor.
In St. Moritz selbst war er hellwach. Zwilling verkraftete auch die Enttäuschung über sein Riesenslalom-Ausscheiden, beherrschte das Abfahrtstraining und schließlich auch das Rennen, in dem nur der Liechtensteiner Willy Frommelt einen ÖSV-Dreifachtriumph durch Zwilling Franz Klammer und Karl Cordin verhinderte.
Auch als Weltmeister blieb Zwilling vom Sturzteufel nicht verschont. Den größten Schock aber erlitt er lang nach Karriereende. Im Jahr 2010.
Als in Salzburg seine drei zwei Monate alte Enkelin Nora entführt wurde, während er als Pilger eine Heilige Stätte ansteuerte.
Zwilling: „Ich sagte mir: Entweder erreichst du Jerusalem, um zu beten, dass man sie findet. Oder ich darf den Herrgott danke sagen.“
Des Pilgers David Gebet wurde erhört, Nora auf einer Wiese bei Rosenheim gesund gefunden.
Zwilling war mit zwei Begleitern 4800 Kilometer weit marschiert. Unbeschadet sogar durch Syrien. Aus heutiger Sicht undenkbar.
So wie im Skirennsport das Kunststück von Zwilling, der 1974 am Tag nach der Abfahrtsgoldenen Slalom-Silber gewann.
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