Trotz positivem Doping-Test: Wunderkind Walijewa darf bei Olympia starten
Trotz eines positiven Dopingtests darf Gold-Favoritin Kamila Walijewa im olympischen Eiskunstlauf-Einzel starten. Im Eilverfahren lehnte der Internationale Sportgerichtshof CAS am Montag die Einsprüche gegen die Aufhebung einer vorläufigen Sperre der 15-Jährigen ab. Das IOC entschied jedoch, dass es vorerst keine Siegerehrung geben wird, sollte Walijewa unter den ersten drei aufscheinen.
Der Entscheidung war eine mehr als fünfstündige Anhörung in der Doping-Affäre um die Eiskunstläuferin vorausgegangen. Bei der Anhörung und Entscheidung ging es ausnahmslos um die Startberechtigung. Die Frauen-Konkurrenz bei den Winterspielen beginnt am Dienstag mit dem Kurzprogramm, Europameisterin Walijewa gilt als Gold-Favoritin.
Geschützte Person
Der CAS wies in seiner Entscheidung auf den außergewöhnlichen Umstand hin, dass Walijewa unter den Regeln der Welt-Anti-Doping-Agentur eine geschützte Person ist. Die Eiskunstläuferin ist eine der jüngsten Athletinnen und Athleten, die jemals während Olympischer Spiele mit einem Dopingverfahren konfrontiert waren. Dazu thematisierte der CAS das ernsthafte Problem, dass die Ergebnisse der Dopingprobe zur Unzeit mitgeteilt wurden. "Die späte Bekanntgabe war nicht ihr (Walijewas, Anm.) Fehler, zur Halbzeit der Olympischen Spiele", betonte der Gerichtshof.
Die Ad-hoc-Kammer des CAS musste darüber befinden, ob die russische Anti-Doping-Agentur (RUSADA) eine vorläufige Sperre der Europameisterin wieder aufheben durfte. Den Dopingtest hatte die derzeit wohl weltbeste Eiskunstläuferin bereits im Dezember bei den russischen Meisterschaften abgegeben. Der positive Befund auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin sei vom Dopinglabor in Stockholm aber erst am 7. Februar übermittelt worden, hatte die RUSADA mitgeteilt.
Sperre, keine Sperre
Einen Tag später und damit nach Abschluss des Team-Wettbewerbs bei den Winterspielen sprach die RUSADA gegen Walijewa eine Sperre aus. Mit dem Team hatte das Supertalent vorher Gold gewonnen. Nach einem Einspruch hob die Rusada die Suspendierung aber nach nur einem Tag wieder auf. Somit dürfte Walijewa auch im Einzel antreten. Sie soll laut Startliste am Dienstag als 26. von 30 Teilnehmern im Kurzprogramm aufs Eis gehen.
Das IOC stellte aber noch am Montag klar, dass die Ergebnisse des Teambewerbs, den das ROC-Aufgebot mit Walijewa gewonnen hatte, und der Damen-Konkurrenz erst nach dem Abschluss des Disziplinarverfahrens gegen die Russin offiziell würden. Daher werde es vorerst keine Siegerehrungen in den beiden Bewerben geben.
Beim russischen Olympischen Komitee löste die CAS-Entscheidung pro Walijewa Jubel aus. "Morgen feuert das ganze Land sie (Walijewa) und alle unsere wunderbaren Eiskunstläuferinnen an", schrieb das ROC. Für Eislauf-Verbandschef Alexander Gorschkow haben "der gesunde Menschenverstand und die Gerechtigkeit gesiegt".
Enttäuschte WADA
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) stellte hingegen fest, die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung der Russin durch den Disziplinarausschuss der russischen Anti-Doping-Agentur würde "nicht mit den Bestimmungen des WADA-Codes übereinstimmen". Die WADA sei daher enttäuscht, dass die Ad-hoc-Abteilung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS die Bestimmungen des Codes nicht angewendet habe. Diese würden "keine spezifischen Ausnahmen in Bezug auf obligatorische vorläufige Suspendierungen für 'geschützte Personen', einschließlich Minderjähriger, zulassen".
Bei der Anhörung des dreiköpfigen CAS-Gremiums war Walijewa selbst in der Video-Schaltung dabei. Die Verhandlung fand hinter verschlossenen Türen statt. Von 20.34 Uhr bis um 2.10 Uhr in der Früh hörten sich die drei Sportjuristen aus Italien, den USA und Slowenien die Argumente der Verfahrensbeteiligten an.
Olympisches Dilemma
Das Internationale Olympische Komitee (IOC), die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und der Eislauf-Weltverband (ISU) hatten gegen die Aufhebung der Suspendierung durch die RUSADA Berufung eingelegt. Über mögliche weitere Konsequenzen für Walijewa und ihr Begleitpersonal wegen des Dopingvergehens wird erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Auch die Medaillenvergabe beim Team-Event, das Russland vor den USA und Japan gewonnen hatte, war nicht Gegenstand des Eilverfahrens.
Dementsprechend hatte der CAS schon vor der Bekanntgabe der Entscheidung eine nachträgliche Änderung der Ergebnisse des olympischen Teambewerbs in Peking nicht ausgeschlossen. Es sei "zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, die Ergebnisse des Mannschaftswettbewerbs als endgültig zu betrachten", sagte CAS-Direktor Matthieu Reeb am Montag. Diese Ergebnisse könnten zu einem späteren Zeitpunkt geändert werden oder auch nicht, ließ Reeb wissen.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht sich nach eigenen Angaben nun in einem Dilemma: Die Olympia-Macher von Peking könnten nun auf eine Medaillenzeremonie verzichten. "Das ist ein schreckliches Dilemma. Eine sehr unbefriedigende Situation", sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Montag vor der Verkündung des Urteils im Eilverfahren.
Über das Dopingvergehen an sich und mögliche Konsequenzen kann erst zu einem späteren Zeitpunkt geurteilt werden. Das IOC habe darum gebeten, dass der Internationale Sportgerichtshof CAS auch schon in der Hauptsache entscheidet, sagte Adams. Darauf hätten sich aber nicht alle Beteiligten des Verfahrens einigen können. Daher sei "nicht in den nächsten Stunden oder Tagen" mit einem abschließenden Urteil in der Doping-Affäre zu rechnen, sagte Adams. "Das wird wahrscheinlich nicht während der Spiele gelöst sein", meinte der IOC-Sprecher.
Kein Freispruch
Das Ergebnis des CAS-Eilverfahrens werde das IOC respektieren und bis ins Detail umsetzen, betonte Adams. Es handle sich um einen "unglaublich komplizierten Fall". Sollte Walijewa im Einzel starten dürfen, heiße dies nicht, dass sie vom Dopingvorwurf freigesprochen sei.
ÖOC-Präsident Karl Stoss sagte auf APA-Anfrage: "Das ist ein Thema, das wir gerne vermieden hätten. Der CAS-Urteilsspruch bedeutet, das uns die Causa bis weit nach den Spielen beschäftigen wird. Mir tun die Athletinnen und Athleten leid, die bei der Siegerehrung nicht wissen, ob das Endklassement hält oder nicht. Und natürlich ist die Causa, die wieder eine russische Athletin betrifft, für Russland und für den Sport im Allgemeinen höchst imageschädlich."
Bei der NADA Austria hieß es, dass man die Einzelheiten des Falles nicht kenne. "Das Ergebnis dieser ersten Verhandlung hat keine Bindungswirkung für das Hauptverfahren, in dem entschieden wird, ob die Athletin gesperrt wird oder nicht. Daher ist nach wie vor alles offen, es wurde nur klargestellt, dass sie weiter antreten darf. Sollte später entschieden werden, dass sie gesperrt wird, werden ihre Ergebnisse nachträglich aberkannt", sagte Geschäftsführer Michael Cepic.
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