Vergessen Sie Alaba, Mayer & Co. - diese Österreicher dominieren wirklich
Bei der Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres sind die üblichen Verdächtigen nominiert. Der KURIER stellt heimische Athleten vor, die selten im Rampenlicht stehen, ihrem Sport aber den Stempel aufdrücken.
Zur Primetime schlägt dem heimischen Sport am Mittwoch die große Stunde. Im Rahmen der Sporthilfe-Gala in der Wiener Stadthalle (20.15 Uhr/live ORF 1) werden Österreichs Beste geehrt.
Bei den Frauen sind Snowboard-Olympiasiegerin Anna Gasser, Tischtennis-Europameisterin Sofia Polcanova sowie Skisprung-Gesamtweltcupsiegerin Sara Marita Kramer nominiert. Bei den Herren ist es ein Dreikampf zwischen David Alaba, der mit Real Madrid die Champions League gewann, sowie den alpinen Olympiasiegern Matthias Mayer und Johannes Strolz.
Österreichs Sportlandschaft hat jedoch noch viel mehr Weltklasse zu bieten. Abseits des Rampenlichts und der Fernsehkameras feiern rot-weiß-rote Athleten riesige Erfolge, sie dominieren teilweise ihre Sportarten regelrecht. Der KURIER stellt an dieser Stelle einige dieser Ausnahmeerscheinungen vor – stellvertretend für die zahlreichen herausragenden Athleten im Land.
Simone Steiner: Stocksport
Ihr Sport erfordert Präzision und Kraft, taktisches Gespür und konditionelle Ausdauer. Und kaum jemand lässt den Stock zielsicherer über das Eis (und im Sommer über Asphalt) gleiten als Simone Steiner. In diesem Jahr wurde die 27-jährige Steirerin zum siebenten Mal Weltmeisterin im Zielbewerb in der Eliteklasse.
„Wenn ich woanders siebenfache Weltmeisterin wäre, hätte ich finanziell wohl keine Sorgen“, sagt Steiner, die gegen das Vorurteil ankämpft, bei ihrer Passion handle es sich lediglich um einen feucht-fröhlichen Wirtshaussport. „Ich merke einfach, dass viel weitergeht, wenn man spezifisch trainiert.“ Zum 40-Stunden-Bürojob kommen pro Woche noch 25 Trainingsstunden hinzu. Denn die Konkurrenz ist groß, sie reicht sogar bis nach Brasilien (WM-Silber mit dem Team 2014).
Thomas Kammerlander: Naturbahnrodeln
Die meisten Österreicher werden schon einmal auf einer Rodel gesessen sein. Mit dem, was Thomas Kammerlander mit dem Schlitten so veranstaltet, hat das herkömmliche Rodeln nichts zu tun. Naturbahnrodeln ist Präzisionsarbeit im Extrembereich, bei der Geschick, Mut und Fahrgefühl gleichermaßen gefragt sind. Thomas Kammerlander bringt all diese Eigenschaften mit und fährt daher regelmäßig mit der Konkurrenz Schlitten.
Der 32-jährige Ötztaler ist der amtierende Weltmeister im Einsitzer. Er hatte das Privileg, die Goldmedaille bei den Titelkämpfen in seiner Heimatgemeinde Umhausen zu gewinnen. „Ich habe 20 Jahre darauf hingearbeitet“, sagt Kammerlander.
Der Tiroler stammt aus einer Naturbahnrodler-Dynastie. Auch sein älterer Bruder Gerald war Weltmeister. Der Trophäenschrank von Thomas Kammerlander, der bereits mit 16 Jahren im Weltcup debütierte, ist allerdings beträchtlich größer. Mit vier Gesamtweltcupsiegen und 21 Erfolgen im Weltcup ist der 32-Jährige heute der erfolgreichste österreichische Naturbahnrodler der Geschichte.
Patrick Schnetzer: Radball
Viele Fußballer werden wohl neidisch, wenn sie dem Vorarlberger auf die Räder schauen. Patrick Schnetzer hat ein Ballgefühl, ein Spielverständnis und eine Treffsicherheit, die einen an Lionel Messi oder Erling Haaland erinnern.
Mit 17 wurde Schnetzer jüngster Weltmeister im Radball, mittlerweile sind sechs WM-Titel dazugekommen und der 28-Jährige gilt als bester Spieler der Gegenwart. Heuer holte er mit Stefan Feurstein EM-Gold. „Fußball spielen kann jeder, aber wir Radballer können etwas Besonderes.“
Wie alle Radballer ist auch Schnetzer ein riesiger Idealist. Für einen Weltcupsieg gibt’s 200 Euro. „Zum Geldverdienen musst du nicht Radballer werden.“ Immerhin hat er durch den Sport seine große Liebe gefunden. Schnetzers Frau ist Weltmeisterin im Kunstradfahren.
Cheerleading-Team
Die Tausenden Zuseher in Orlando (USA) staunten im Frühjahr nicht schlecht, wie gekonnt die 28 österreichischen Athletinnen durch die Luft flogen. Auch die Jury hatte nichts auszusetzen – das bedeute WM-Gold unter 2.500 Konkurrenten aus 51 Nationen. Es war ein historischer Erfolg für den noch jungen Verband.
Cheerleading ist große Akrobatik. Der Sport hat sich längst emanzipiert von seinen Ursprüngen als hübsches und glitzerndes Rahmenprogramm beim testosterongesteuerten American Football. „Wir haben ein Stück Sportgeschichte geschrieben, das wird jedes Teammitglied ein Leben lang begleiten“, sagte Trainerin Jannine Körber. Die Bühne könnte bald noch größer werden. Als neues IOC-Mitglied hat Cheerleading die Chance, 2028 in Los Angeles olympisch zu werden.
Hannes Angerer: Grasski
Natürlich drängt sich die Frage auf: Wie, um alles in der Welt, kommt jemand, der mitten in den Bergen aufwächst, dazu, sich dem Grasskifahren zu verschreiben? „Weil ich es einmal aus Jux ausprobiert habe und es ein richtig geiler Sport ist“, antwortet Hannes Angerer.
Der 28-jährige Tiroler ist der erste österreichische Skifahrer seit Marcel Hirscher, der den Gesamtweltcup gewinnen konnte. Nur, dass er eben auf den Graspisten seine Schwünge zieht und dabei bis zu 100 km/h erreicht. Am liebsten fährt Angerer im Iran, „dort ist das Grasskifahren ein Volkssport und es sind 10.000 Leute bei den Rennen“, erklärt der Tiroler.
Und wenn er hierzulande mitunter von manchen belächelt und als Exot abgetan wird, antwortet Angerer nur: „Ich habe die gleiche Kristallkugel daheim wie Marco Odermatt.“
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