Qual der Sportlerwahl: Gasser, Alaba und Co. sorgen für Diskussionen
Am 5. Oktober werden Österreichs Sportler des Jahres gekürt, die Top 3 bei Männern und Frauen stehen bereits fest. Debatten sind garantiert.
27.09.22, 18:14
Alle Jahre wieder sucht Österreich seine Sportler des Jahres. Alle Jahre wieder gesellen sich zu den Trophäen und Dankesreden auch immer Debatten, wer sich die Auszeichnung denn wirklich verdient hat; ob Skisport Weltsport ist oder doch nur rot-weiß-rote Folklore; ob Olympische Spiele gewichtiger sind als alles andere Sportevents in einem Jahr. Alle Jahre wieder ist es eine schwierige Diskussion, die am Ende mehr Fragen aufwirft, als sie beantworten kann.
Dennoch liegt im Vergleich auch immer ein Reiz des Spitzensports, wenngleich sich einzelne Sportarten nur sehr schwer miteinander vergleichen lassen. Seit Dienstag stehen in den einzelnen Kategorien die Top 3 fest, wahlberechtigt waren die Vertreter von Sports Media Austria, dabei handelt es sich um die Vereinigung der österreichischen Sportjournalisten. Die Sieger werden am 5. Oktober in der Wiener Stadthalle bei der Sporthilfe-Gala die Sieger verkündet.
Bis dahin darf (und wird) munter weiter debattiert werden. Der KURIER liefert dafür eine Diskussionsgrundlage. Auch die Sportredaktion war sich uneinig darüber, welche Sportler in den vergangenen Monaten die größte Leistung erbracht hat. Nur eines war rasch klar: Verdient hätten es sich alle sechs.
Lesen Sie, wer die Favoriten der KURIER-Redakteure sind:
Sara Marita Kramer, Königin der Lüfte
Skispringen. Mit 20 Jahren war Sara Marita Kramer schon die konstanteste Skispringerin der Saison und holte sich die elfte Auflage des Weltcups der Frauen. Elfmal stand sie in 17 Einzelbewerben auf dem Stockerl und siebenmal ganz oben. Mit insgesamt 15 Einzel-Weltcupsiegen ist die 20-Jährige nur noch einen Sieg vom Österreich-Rekord, aufgestellt von Daniela Iraschko-Stolz, entfernt. Die 38-jährige Steirerin war 2015 Gesamt-Weltcupsiegerin.
Bei der gebürtigen Niederländerin erübrigt sich die Frage, was denn bedeutender sei – die Höchstform bei einem Großereignis oder die Dominanz über eine ganze Saison. Kramer verpasste die Olympischen Spiele in Folge einer Corona-Infektion und somit den sicheren Wahlsieg, denn sie war die große Goldfavoritin. Schon im Jahr davor hatte sie den Sieg im Gesamt-Weltcup nur um elf Punkte verpasst, weil sie in Folge eines falschen Corona-Tests eine Zwangspause einlegen musste. Die junge Athletin hat die Rückschläge weggesteckt und gezeigt, dass sie eine große Sportlerin ist.
Günther Pavlovics
Anna Gasser, Freestyle-Botschafterin
Snowboard. Anna Gasser hat etwas geschafft, das dem Freestyle-Snowboarden lange verwehrt blieb: Aufmerksamkeit zur besten Sendezeit und Aufschlagseiten von Zeitungen. „Es ist einer meiner größten Erfolge, dass mein Sport ein bisschen mehr Anerkennung in Österreich gekriegt hat“, hat die Kärntnerin vor den Olympischen Spielen in Peking zum KURIER gesagt.
Dort wiederholte Gasser im Februar schließlich ihr Kunststück von 2018 und gewann erneut Olympiagold im Big Air. Dabei ist es in einem Sport wie Freestyle-Snowboarden alles andere als selbstverständlich, mit über 30 Jahren noch mithalten – geschweige denn das Feld anführen – zu können. Das Niveau im Snowboarden ist zuletzt stark gestiegen. Auch ein Verdienst von Anna Gasser: Sich auf ihrem Können und ihren Erfolgen ausruhen, das wollte sie nie. Stattdessen hat sie immer wieder neue Sprünge gelernt, die vor ihr noch keine Frau gemacht hatte – und damit auch heuer wieder Meilensteine gesetzt.
Tischtennis. Groß und Klein, Alt und Jung, Mann und Frau – Tischtennis ist eine der ganz wenigen Sportarten, die beinahe jeder Mensch schon einmal ausprobiert hat. Dass der Weltsport von Hunderten Millionen nur Randsport in Österreich ist, macht die jüngsten Leistungen von Sofia Polcanova nur noch bemerkenswerter.
Zweimal Gold (Einzel, Doppel) und einmal Silber (Mixed) bei der EM im August brachten die 28-Jährige unter die besten zehn der Weltrangliste – als einzige Spielerin, die nicht in Asien geboren wurde.
Der Aufstieg der Linz-Froschberg-Spielerin taugt als Beispiel für junge Athleten. Polcanova galt nie als das große Ausnahmetalent, jedoch stets als unermüdliche Arbeiterin, die sich Jahr für Jahr und Stück für Stück verbesserte. „Man merkt, dass sie das gewisse Etwas hat“, sagte Werner Schlager zum KURIER. Der Weltmeister von 2003 war der Erste und bisher Einzige aus dem Tischtennissport, der zu Österreichs Sportler des Jahres gewählt wurde.
Philipp Albrechtsberger
David Alaba, realer Weltstar
Fußball. Was kann ein Fußballer aus Österreich in einem Jahr mehr erreichen als David Alaba? Der 30-Jährige wechselte im Sommer 2021 von Bayern München zu Real Madrid und gewann mit dem größten Fußballklub der Welt alles, was es zu gewinnen gab: die spanische Meisterschaft und vor allem mit den spektakulären Partien gegen Paris SG, Chelsea, Manchester City und Liverpool die Champions League. Wenn Kritiker meinen, Alaba sei ja in einer Mannschaftssportart nur einer von vielen, dann muss entgegnet werden, dass Real Madrid sicher nicht trotz, sondern eher wegen Alaba gewonnen hat. Der Wiener hat sich auf Anhieb in der Startruppe etabliert und war schon in der ersten Saison ein Führungsspieler im Team von Carlo Ancelotti.
In München ist Alaba als Teenager zum Profi geworden. Er gewann dort zweimal die Champions League. Nach seinem Wechsel zu Real Madrid und den Erfolgen dort steht er auf einer Ebene mit großen Fußballstars. Kein anderer Österreicher spielt in einer Weltsportart in dieser Liga.
Ski alpin. Österreich ist eine Wintersport-Nation. Das zeigt sich nicht nur an den Nominierten dieser Wahl, sondern auch an den gewaltigen TV-Quoten jedes noch so unwichtigen Skirennens. Und wer in diesem nach Ski verrückten Land auch noch das wichtigste aller Rennen gewinnt, die olympische Herren-Abfahrt, ist zumindest ein Nationalheld – siehe Franz Klammer. Matthias Mayer gelang dieser Triumph vor acht Jahren in Sotschi. Als Olympiasieger in der Abfahrt hat man in Österreich ausgesorgt.
Doch das wahre Kunststück ist, dass Mayer nie locker ließ und nachlegte: Gold 2018 (Super-G), Gold und Bronze 2022 (Super-G, Abfahrt). Der 32-Jährige ist seit diesem Jahr der erfolgreichste Skifahrer der österreichischen Olympia-Geschichte, zudem skandalfrei und stets freundlich. Wenn man in Österreich einen Rennläufer rein am Vornamen erkennt, ist er ein Großer. Hermann, Benni, Marcel, ... sie alle waren schon Sportler des Jahres. „Mothl“ hätte es sich auch verdient.
Florian Plavec
Johannes Strolz, spätberufener Shootingstar
Ski alpin. Dass David Alaba im Trikot von Real Madrid Titel gewinnen würde, war absehbar. Dass Matthias Mayer bei Olympia zum dritten Mal die goldene Stunde geschlagen hat, kann man fast schon in die Kategorie Gesetz der Serie einordnen.
Nicht falsch verstehen, diese Triumphe sind keine Selbstverständlichkeit und doch stellt sich bei Alaba und Mayer ein Stück weit ein Gewohnheitseffekt ein.
Johannes Strolz hingegen ist dafür verantwortlich, dass der Stehsatz Solche Geschichten schreibt nur der Sport in aller Munde bleibt und im vergangenen Winter eine spektakuläre Interpretation erfuhr, wie sie der Skisport so noch nicht gekannt hatte.
Ein Aussortierter und Abgeschriebener, der vor einem Jahr noch die Karriere beenden wollte, weil er keine Perspektiven sah, beißt sich durch, feiert mit 29 Jahren und Startnummer 38 seinen ersten Weltcupsieg und kommt von den Olympischen Spielen mit zwei Goldmedaillen und einmal Silber heim – dieses Ski-Märchen schreit nach dem nächsten Kapitel – und dem Titel.
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